«Get Out» ist kein herkömmlicher Horrorfilm, hier gibt es keine übernatürlichen Monster, keine Poltergeister, und auch keinen axtschwingenden Killer. Im Regiedebüt des Comedians Jordan Peele wird vielmehr der alltägliche und oftmals beiläufige Rassismus in unseren vermeintlich so aufgeklärten und liberalen westlichen Gesellschaften zum auf die Spitze getriebenen Horror.
(Warnung: Der Trailer enthält einige Spoiler. Wer diese vermeiden möchte geht am besten direkt ins Kino)
Gleich zu Beginn von «Get Out» ist klar, hier geht etwas nicht mit rechten Dingen zu und her. In einem zunächst unabhängig wirkenden Prélude zur eigentlichen Geschichte sehen wir einen jungen schwarzen Mann (gespielt vom unvergleichlichen Lakeith Stanford, «Atlanta»), wie er nachts durch die völlig identisch aussehenden Strassen eines generischen, weissen Vorstadtquartiers geht und offensichtlich die Orientierung verloren hat. Seine Nervosität ist spürbar, denn für einen jungen Afroamerikaner nachts in einer weissen Nachbarschaft ist die Gefahr für einen Kriminellen gehalten zu werden, unangenehm hoch. Und so ist der Fahrer des Autos, das neben ihm hält auch nicht ein hilfsbereiter Mitbürger, der ihm den Weg erklären wird – sondern ein unheimlicher Fremder, der den hilflosen Mann brutal zu Boden schlägt und entführt. In dieser kurzen Szene ist die ganze Prämisse von «Get Out» zusammengefasst. Hier werden die unzähligen kleinen sogenannten Mikroaggressionen des (amerikanischen) Rassismus und die realen Gefahren, denen farbige Körper in den USA tagtäglich ausgesetzt sind, in ihre grausame, letzte Konsequenz zugespitzt – und in Form einer Horrorgeschichte inszeniert.
Der Film erzählt die Geschichte von Chris (Daniel Kaluuya), der bei einem Wochenendtrip zum ersten Mal die Eltern seiner neuen Freundin Rose (Allison Williams, «Girls») treffen soll. „Do they know I’m black?“ – „Wissen deine Eltern, dass ich schwarz bin?“, fragt der nervöser Chris seine weisse Freundin Rose beim Packen, was diese mit einem Witz abtut. Doch wie sich schon bald herausstellen wird, ist diese Frage bei weitem nicht so harmlos wie Roses nonchalante Antwort. Im Hintergrund der Szene läuft Childish Gambinos Song „Redbone“ – der Refrain klingt wie eine Warnung: „Stay woke!“. „Bleib aufmerksam“, denn dieses Wochenende – so wird dem Publikum allmählich bewusst – wird für Chris zum Albtraum.
«Hier werden die unzähligen kleinen sogenannten Mikroaggressionen des (amerikanischen) Rassismus und die realen Gefahren, denen farbige Körper in den USA tagtäglich ausgesetzt sind, in ihre grausame, letzte Konsequenz zugespitzt – und in Form einer Horrorgeschichte inszeniert.»
Der Horror hinter weissen Fassaden
Angekommen in der ländlichen Villa von Roses Eltern, schleicht sich schon bald eine unheimliche Stimmung ein. Irgend etwas scheint mit dieser perfekt wirkenden Familie nicht zu stimmen. Doch Jordan Peele – der sich bisher vor allem mit der Comedy-Serie «Key and Peele» einen Namen gemacht hatte – schafft es gekonnt, die Ursache dieses Unbehagen obskur zu halten. Mit irreführenden POVs und unmotivierten Einstellungen von den umliegenden Wäldern wird stets eine unheimliche Atmosphäre geschaffen und lenkt damit von der wahren Quelle des Horrors ab. Denn das Böse lauert hier nicht in den dunklen Wäldern, sondern im innern des Hauses, hinter der scheinbar so perfekten weissen Fassade. Inspiriert von anderen filmischen Gesellschaftsanalysen wie «The Stepford Wives», oder «Guess Who’s Coming to Dinner», ist «Get Out» der perfekte Horrorfilm für die (post-)Obama-Ära, in der die USA angeblich zu einer post-racial, einer post-rassistischen Gesellschaft geworden sein sollten. So verschwendet Roses Vater Dean (Bradley Whitford) keine Zeit um Chris zu versichern, dass er am liebsten ein drittes Mal für Obama gestimmt hätte – dann könne er ja gar nicht rassistisch sein, so der intendierte Unterton. Peeles sozialer Thriller, wie er «Get Out» selbst beschreibt, spielt mit genau diesen feinen gesellschaftlichen Details und treibt sie auf eine verstörende Spitze.
Kinostart Deutschschweiz: 4.5.2017
Regie: Jordan Peele / DarstellerInnen: Daniel Kaluuya, Allison Williams, Catherine Keener, Bradley Whitford, Lakeith Stanford, LilRel Howery, uvm.
Bild- und Trailerquelle: © Universal Pictures
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