Kelly O’Sullivan und Alex Thompson erzählen in ihrer Tragikomödie «Ghostlight» von der Sprachlosigkeit, unter der eine Familie im Zuge eines schweren Schicksalsschlags leidet, und davon, wie es ihr mithilfe des Theaters gelingt, langsam wieder zueinanderzufinden.
Wenn Dan (Keith Kupferer) und seine Frau Sharon Mueller (Tara Mallen) zum wiederholten Mal in die Highschool zitiert werden, weil ihrer Tochter Daisy (Katherine Mallen Kupferer) der Schulausschluss droht, ist ihnen ihre Hilflosigkeit deutlich anzusehen. Daisy selbst ist eine aufgeweckte und kluge junge Frau, die zu ihren Eltern ein liebevolles Verhältnis pflegt, unter Druck jedoch immer wieder die Kontrolle über sich verliert. Die Gründe für ihre emotionale Instabilität enthüllt der Film erst nach und nach und porträtiert dabei die Unfähigkeit einer Familie, über den gemeinsamen Schmerz zu sprechen, und wie sehr diese Sprachlosigkeit auf ihr lastet.
Vor allem Dan bemüht sich, jeder Konfrontation mit dem, was damals geschehen ist, aus dem Weg zu gehen. Eines Tages wird er nach der Arbeit von der Schauspielerin Rita (Dolly de Leon) angesprochen. Rita, die sich mit Mitte 50 den lang gehegten Traum erfüllt, einmal die Julia in William Shakespeares berühmtem Liebesdrama zu spielen, bittet ihn, bei den Proben ihrer unterbesetzten Amateurtheatergruppe auszuhelfen. Nur widerwillig lässt sich Dan von der resoluten kleinen Dame überreden. Nach und nach findet er zu seiner eigenen Überraschung Gefallen an der gemeinsamen Theaterarbeit mit dem bunt zusammengewürfelten Ensemble aus in die Jahre gekommenen, exzentrischen Hobbyschauspielern und -schauspielerinnen.
Als nach einem Streit der Darsteller des Romeo kurzerhand das Handtuch wirft, nominiert Rita Dan für die Hauptrolle. Die folgende Auseinandersetzung mit Shakespeares Tragödie konfrontiert Dan mit ebenjenen Themen, die er bislang so hartnäckig aus seinem Alltag zu verdrängen pflegte. Die Veränderungen in seinem Verhalten bleiben auch Sharon und Daisy nicht verborgen. Besonders Daisy ist fest entschlossen, herauszufinden, was mit ihrem Vater los ist.

Keith Kupferer, Katherine Mallen Kupferer und Tara Mallen in «Ghostlight» / © Sister Distribution
«Ghostlight» ist von Beginn an ein zutiefst sympathischer Film. Das liegt nicht zuletzt an der spürbaren Vertrautheit zwischen den Muellers. Dass Keith Kupferer, Tara Mallen und Katherine Mallen Kupferer auch im echten Leben eine Familie sind, trägt sicherlich zur Authentizität ihres Spiels bei, sollte aber die Anerkennung ihrer schauspielerischen Leistung nicht schmälern. Es gelingt ihnen, ganz ohne überhöhte Gesten in kleinen zwischenmenschlichen Nuancen zu zeigen, wie stark die Sprachlosigkeit das Beziehungsgefüge innerhalb der Familie belastet: eine eigentümliche Symbiose aus Nähe und Distanz, Vertrautheit und Entfremdung, und das unausgesprochene Bedürfnis, wieder miteinander in Verbindung zu treten, ohne zu wissen, wie.
«Ein zutiefst sympathischer Film.»
Weit weniger nuanciert fällt hingegen die Einführung des exzentrischen Theaterensembles rund um Rita aus. Hier begegnen uns überwiegend überzeichnete Karikaturen, die direkt aus der Comedy-Thriller-Serie «Barry» (2018–2023) stammen könnten. Liebevoll gezeichnete Figuren, exzentrisch, aber auch reichlich klischeehaft. Dolly de Leon («Triangle of Sadness») spielt die toughe Rita ganz nach dem Motto «harte Schale, weicher Kern» mit viel Verve und Hingabe. Ihr und dem Ensemble geht es nicht um Gagen oder Applaus, sondern allein um die Liebe zum Theater. Und indem sie den fremden Dan in ihrer Mitte willkommen heissen, ermöglichen sie es ihm, sich mittels der Kraft der Bühne mit seinem Schmerz auseinanderzusetzen – ein Prozess, der nicht nur für ihn selbst, sondern auch für seine Familie eine heilsame Wirkung entfaltet. So charmant und liebevoll das transportiert wird, so bewegt sich das alles dann eben doch auf sehr vertrauten und etwas ausgetretenen Pfaden. Hier hätte dem Film etwas mehr Wagemut gutgetan.

Keith Kupferer und Tara Mallen in «Ghostlight» / © Sister Distribution
Die stärksten Szenen bleiben jene, die sich innerhalb der Familie abspielen. Etwa, wenn der literarisch ungebildete Dan seine Tochter bittet, ihm zu erklären, worum es in «Romeo und Julia» geht, und sie schliesslich gemeinsam vor dem Bildschirm landen, wo sie sich Baz Luhrmanns Adaption von 1996 ansehen. Oder wenn Dan im Altherrenpyjama und mit Lesebrille auf der Nase im Ehebett liegt und Sharon, zunächst gehemmt, dann immer leidenschaftlicher, Shakespeare-Zeilen vorträgt.
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Kinostart Deutschschweiz: 10.7.2025.
Filmfakten: «Ghostlight» / Regie: Kelly O’Sullivan, Alex Thompson / Mit: Keith Kupferer, Tara Mallen, Katherine Mallen Kupferer, Dolly de Leon / USA / 115 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Sister Distribution
«Ghostlight» ist eine sympathische Tragikomödie und ein Plädoyer für die heilende Kraft des Theaters. Leider kann das Drehbuch nicht ganz mit der Klasse des Schauspielensembles mithalten.











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