Der chilenische Regisseur Sebastián Lelio hat mit «Gloria Bell» ein wunderschönes Remake seines eigenen Films gedreht. Wie schon das Original, ist «Gloria Bell» ein starkes Porträt einer starken Frau, diesmal aber mit etwas mehr Hollywoodglanz – und Julianne Moore.
In «Gloria Bell» geschieht eigentlich nicht sonderlich viel. Die Geschichte dreht sich um die geschiedene Gloria (Julianne Moore), die in ihrem Single-Leben festgefahren scheint. Sie verbringt ihre Tage als Versicherungsangestellte damit, Menschen ein scheinbar sicheres und versicherbares Leben zu verkaufen. Und ihre Nächte verbringt sie auf Single-Partys, auf denen angegraute (Vor-)Pensionäre zu Discotunes die schon etwas eingerosteten Hüften schwingen. Sie geht zum Yoga, probiert Lachtherapien aus. Doch Gloria bleibt stets etwas distanziert und abgesondert von diesem heiteren Treiben. Auch Glorias erwachsene Kinder scheinen weit aufregendere Leben zu haben als sie: Ihr Sohn Peter (Michael Cera) ist gerade Vater geworden und steckt mitten in einer Ehekrise, ihre Tochter Anne (Caren Pistorius) datet einen Extrem-Surfer. Es ist klar, dass die Kinder mittlerweile ihre eigenen, unabhängigen Leben führen.
Das alles ändert sich als Gloria den geheimnisvollen Arnold (John Turturro) trifft. Dieser trifft mit seinem Anmachspruch «Are you always this happy?» («Bist du immer so glücklich?») mitten in Glorias Herz. Aber während Gloria mehr als bereit ist, sich dieser neuen Liebe hinzugeben, ist Arnold immer noch im festen Griff seiner Ex-Frau und seiner unselbständigen Töchter. Und auch sonst lässt einen das Gefühl nicht los, dass Arnold eine dunkle Seite hat. Das Unheil der toxischen Maskulinität scheint wie ein Gespenst über Glorias neuem Glück zu hängen. Einerseits rührt Arnold Gloria mit romantischen Gedichten zu Tränen, andererseits ist der Ex-Marinesoldat nicht gefeiht vor eifersüchtigen Wutanfällen. Auch die psychischen Probleme ihres Nachbarn zeigen sich regelmässigen lautstarken und gewaltvollen Ausbrüchen, die gelegentlich vor Glorias Wohnungstüre stattfinden. Und auch Glorias Exmann Dustin (Brad Garrett) scheint seine Emotionen oft nicht im Griff zu haben.

John Torturo und Julianne Moore
Ein nuanciertes Porträt
«Gloria Bell» ist Regisseur Sebastián Lelios («A Fantastic Woman») Remake seines eigenen Films «Gloria» von 2013. In «Gloria Bell» hat Lelio seine Gloria von Santiago de Chile nach Los Angeles versetzt. Und auch wenn Szenen und Dialog teils eins zu eins vom Original übernommen wurden, ist die Hollywoodversion allgemein etwas polierter als ihr Vorgänger. Die Bilder, die Farben, die Kostüme, die Settings, sie alle sind in «Gloria Bell» etwas grosszügiger, satter, aufgebrezelter. Aber schliesslich ist es vor allem Julianne Moore, die «Gloria Bell» eine andere Qualität verleiht. Ihr gekonntes Spiel mit den fragilen und selbstbewussten Facetten ihrer Figur machen selbst aus mondänen Szenen ein Erlebnis.
Aber schliesslich ist es vor allem Julianne Moore, die «Gloria Bell» eine andere Qualität verleiht. Ihr gekonntes Spiel mit den fragilen und selbstbewussten Facetten ihrer Figur machen selbst aus mondänen Szenen ein Erlebnis.
So schaut man zu gerne zu, wie Moores Gloria im Auto zu Kuschelrocksongs mitträllert, wie sie vor dem Spiegel ungeliebte Haare auszupft, oder die Nachbarskatze aus der Wohnung jagt. «Gloria Bell» ist die Geschichte einer Frau, die ihr Schicksal schlussendlich in die eigenen Hände nimmt – aber nicht im Sinne einer postfeministischen Empowermentsaga, sondern lediglich als nuanciertes Porträt einer Frau mittleren Alters, die sich schlicht nicht mehr alles gefallen lässt und immer wieder aufsteht. Ob das letztendlich in Triumph oder Tragik endet, lassen sowohl der Film und auch Moores Schauspiel gekonnt offen.
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Kinostart Deutschschweiz: 25. April 2019
Regie: Sebastián Lelio / Cast: Julianne Moore, John Turturro, Michael Cera, Caren Pistorius, Brad Garret, Holland Taylor, uvm.
Trailer- und Bildquelle: Ascot Elite
Mit «Gloria Bell» ist Regisseur Sebastián Lelio ein schönes Hollywood-Remake seines eigenen Films gelungen. Und Julianne Moore glänzt als die titelgebende Gloria.
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