Wir haben uns mit Marisa Suppiger getroffen. Sie verantwortet das Programm der sechs Kinosäle des neuen Zürcher Kulturhauses KOSMOS, das am 2. September offiziell seine Tore öffnet. Im Interview verrät sie uns, was das Publikum in den nächsten Wochen im KOSMOS erwartet und spricht von ihrer persönlichen Faszination für das Kino. Zudem erzählt sie, was für sie im Vorfeld der Eröffnung die grössten Herausforderungen waren und welche noch auf das neu geschaffene Kino an der Ecke Europaallee / Langstrasse in Zürich zukommen werden – für das man sich übrigens hier schon jetzt seinen eigenen privaten Sessel kaufen kann.
KOSMOS ist mehr als nur ein Kino, es ist ein Kulturhaus. Es umfasst auch ein Veranstaltungsforum mit Bühne (Diskurs, Literatur, Musik, Stand-up), ein grosses Restaurant im Stil eines Pariser Bistros, eine Bar mit Lounge im Foyer, einen Buchsalon mit Shop und Café und viele weitere Sitzgelegenheiten, wo man sich inspirieren lassen und ausruhen kann. Ein Universum an Eindrücken.
Wir treffen Marisa Suppiger im KOSMOS, zwei Wochen vor der Eröffnung. Aber weder das hektische Treiben an allen Enden der grossen Baustelle, die brütende Hitze noch unsere Fragen bringen die Leiterin des neuen Kinos aus der Ruhe.
Was bedeutet Kino für dich?
Kino bedeutet für mich auf der einen Seite gute Filme, die bewegen, Emotionen auslösen, einem Neues aufzeigen und dazu einladen, fremde Perspektiven einzunehmen. Auf der anderen Seite bedeutet es aber auch: Freunde treffen, gemeinsam einen schöne Abend verbringen, nach dem Film etwas trinken und über das Gesehene diskutieren. Diese beiden Aspekte machen für mich die Essenz des Kino-Erlebnisses aus – und kommen im KOSMOS ganz besonders zur Geltung. Grosse Leinwände schaffen ein hohes emotionales Involvement, vielfältige Räumlichkeiten und eine gemütliche Atmosphäre laden zum Verweilen und zur Reflektion ein.
Im September öffnet nun das KOSMOS. Wie geht es dir?
Lacht. Mal so, mal so. Es gibt Tage, an denen ich sehr optimistisch bin. Und es gibt Tage, wo ich das Gefühl habe: Oh mein Gott! Je nach Uhrzeit und Beschäftigung. Aber grundsätzlich freuen wir uns alle, dass es endlich bald losgeht!
Was war für dich die grösste Herausforderung bis jetzt?
Am Anfang ging es um Sensibilisierung. Wir mussten den Leuten, den Verleihern und auch dem Publikum zuerst einmal erklären und zeigen, was wir hier machen. Dass wir hier nicht nur ein Kino, sondern ein Kulturhaus mit vielen weiteren Facetten sind.
Zudem ist es nicht immer ganz einfach, als «new kid on the block» all diejenigen Filme zu bekommen, die man zeigen möchte – gerade bei einer so breiten Programmpalette, wie wir sie anstreben: Greater Arthouse! Darunter verstehen wir kleinere, aber wichtige Nischenfilme, die diejenigen Themen abbilden, wie wir sie in unserem Kulturhaus thematisieren wollen, aber auch grössere Arthouse- oder Blockbuster-Filme, die inhaltlich überzeugen und ein breiteres Publikum ansprechen.
Neben der Programmation musste natürlich auch ein komplett neuer Betrieb aufgebaut werden, der auf Grund der komplexen Gegebenheiten im KOSMOS immer wieder eine nicht zu unterschätzende Herausforderung darstellte. Dies wird sich wohl auch in den kommenden Monaten nicht ändern…
Du hast es bereits angetönt, es gibt viele andere Kinos in Zürich. Was hebt euch vom Rest ab?
Einerseits sind wir ja nicht nur ein Kino, sondern möchten einen kulturellen Begegnungsort schaffen, wo Grenzen verwischt werden und das Kinoprogramm von den anderen Bereichen thematisch ergänzt wird – Denkanstösse und Hintergrundinformationen durch Bücher im Buchsalon, Einsichten und Auseinandersetzungen durch Debatten im Forum.
Andererseits haben wir viel in die Ausstattung der Kinosäle investiert, sei es im Bereich von Bequemlichkeit und Atmosphäre, sei es bei der technischen Ausrüstung (grosse Leinwände, modernste Projektions- und Dolby Atmos-Surround-Technologie).
Wir hoffen, mit dieser Kombination wieder mehr Zürcher Couch-Potatoes ins Kino zu locken.
Programm: Lieblingsfilme, Premierenfilme und junge Schweizer Talente
Was für Filme werden am Eröffnungswochenende und in den ersten paar Monaten gezeigt?
Am ersten KOSMOS-Tag, dem 2. September, gibt’s im ganzen Haus ein Spezialprogramm mit Konzerten, Lesungen, Filmfrisuren, Spoken-Word-Performances, Tanz und Live-Vertonungen. Auch die Kinosäle laden u.a. mit Space-Kurzfilmen und dem Kinderfilm «Das letzte Einhorn» zum Entdecken ein.
Ab 18 Uhr beginnt dann das reguläre Kinoprogramm. Zusätzlich zu den aktuellen Filmstarts sind in der Eröffnungswoche Lieblingsfilme des Kosmos-Teams programmiert, die auf Grossleinwand wiederentdeckt werden können. Auch einer meiner Lieblingsfilme ist vertreten: «Eternal Sunshine of the Spotless Mind» von Michel Gondry.
Hier eine Auswahl der Lieblingsfilme:
A SEPARATION (Asghar Farhadi, 2011, Iran), BOYHOOD (Richard Linklater, 2014, USA) ETERNAL SUNSHINE OF THE SPOTLESS MIND (Michel Gondry, 2004, USA), MORE THAN HONEY (Markus Imhoof, 2012, Schweiz), THE SHINING (Stanley Kubrick, 1980, USA) , TONI ERDMANN (Maren Ade, 2016, Deutschland) , VICTORIA (Sebastian Schipper, 2015, Deutschland), WENN DIE KRANICHE ZIEHEN (Michail Kalatosow, 1957, Sowjetunion), WHAT WE DO IN THE SHADOWS (Taika Waititi & Jemaine Clement, 2014, Neuseeland)
Das reguläre Programm beginnt mit diesen Filmen:
JUGEND OHNE GOTT (Alain Gsponer, 2017, Deutschland), MAGICAL MYSTERY (Arne Feldhusen, 2017, Deutschland), THE DEATH AND LIFE OF OTTO BLOOM (Cris Jones, 2016, Australien), VOYAGE OF TIME: LIFE’S JOURNEY (Terrence Malick, 2017, Frankreich/Deutschland/USA), GHOST HUNTING (Raed Andoni, 2017, Palästina/Frankreich/Schweiz/Katar)
Am 3. September erwartet das Publikum am Allianz Tag des Kinos folgende Vorpremieren:
- BIGFOOT JUNIOR (Vorpremiere) (Bob Barlen & Callan Brunker, 2017, Belgien/Frankreich)
- THE PROMISE (Vorpremiere) (Terry George, 2017, Spanien/USA)
Auszug aus dem weiteren Herbstprogramm:
«My Cousin Rachel» von Roger Michell, «Untitled» von Michael Glawogger, «American Made» von Doug Liman, «Logan Lucky» von Stephen Soderbergh, das NeuLicht Video-Kunst-Festival, «Trading Paradise» von Daniel Schweizer inkl. Diskussion zur Rohstoffthematik, «On the Milky Road» vom Emir Kusturica, «Go Home» von Jihane Chouaib, «She started it» von Nora Poggi und Insiyah Saeed, ein Dokfilm über Female Enterpreneurs, «Tiere» von Greg Zglinski und «Flitzer» von Peter Luisi.
Einen wichtigen Fokus legen wir auch auf den jungen Schweizer Film. Dank meiner langjährigen Tätigkeit für die Internationalen Kurzfilmtage Winterthur durfte ich viele junge Schweizer Talente entdecken. Einige möchte ich gerne auch weiterhin durch meine Programmation fördern – so z.B. Lisa Brühlmann mit «Blue my mind».
Und zum Schluss noch ein paar kurze Fragen: Was sind deine bisherigen Lieblingsfilme von 2017?
Da gab es so einige. «Moonlight» und «Manchester by the Sea» haben mir sehr gut gefallen, oder auch «Wilde Maus».
Deine liebsten Schweizer Filme?
«Schweizermacher», «Neuland», «Home», «Above and Below», «More Than Honey», «Electroboy» «Köpek», «Heimatklänge» oder «Der Kreis».
Und was denkst du zu Maximum Cinema?
Maximum Cinema hat überall die Finger drin und ist bei Ron Orp und Watson professionell präsent. Es ist wichtig, dass sich Filmjournalismus und Promotion mehr in den Onlinebereich verlagern, da das junge Publikum doch sehr online-affin ist. Auch wir konzentrieren uns in der Promotion auf Online-Kommunikation (Newsletter, Instagram, Facebook, etc.). Die Zukunft ist im Netz, und Maximum Cinema deshalb am richtigen Ort. Toll fand ich z.B. auch euren Twin-Peaks-Abend – und würde mich freuen, Anlässe dieser Art in Zukunft auch gemeinsam mit euch im KOSMOS durchzuführen.
Vielen Dank an Marisa Suppiger und mit Sarah Bleuler und David Taddeo dem Media-Team vom KOSMOS Kulturhaus.
Bidlquellen: Kosmos Kulturhaus/ Vera Hartmann.
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