«House of the Dragon» von Ryan J. Condal, George R. R. Martin und Miguel Sapochnik: «The Heirs of the Dragon» (Episode 1)
Ein Erbschaftsstreit in Westeros: Was schon in «Game of Thrones» für Spannung und Drama sorgte, soll nun auch «House of the Dragon» Erfolg bescheren. Das Serien-Spinoff von HBO erzählt von Intrigen und Machtkämpfen im Haus Targaryen und bietet mit dem Auftakt «The Heirs of the Dragon» viel Bekanntes, interessante Figuren und eine spannende Ausgangslage.
Auch ein missglückter Abschluss der Erfolgsserie hielt die kreativen Köpfe hinter «Game of Thrones» (2011–2019) – oder besser gesagt: den Streamingdienst HBO – nicht davon ab, die Reihe weiterzuführen und zu einer grossen Franchise aufzubauen. Den Anfang macht nun mit «House of the Dragon» ein Spin-Off, das mehrere hundert Jahre vor der ursprünglichen Serie spielt und vom Machtkampf im Haus Targaryen erzählt. Die Targaryens, wir erinnern uns, sind die mit den weissblonden Haaren, den Drachen und dem Inzest (nicht zu verwechseln mit den ebenfalls blonden, ebenfalls inzestuösen Lannisters).
Wie schon «Game of Thrones» basiert auch «House of the Dragon» in Teilen auf einer – ebenfalls noch nicht komplett abgeschlossenen – Vorlage von George R.R. Martin, der hier erneut in beratender Funktion tätig ist und sogar als Co-Creator der Serie figuriert. Mit Miguel Sapochnik steht zudem ein weiterer «Game of Thrones»-Veteran am Steuer, der als Regisseur einige der beliebtesten Folgen inszeniert hatte, darunter «Hardhome» und «The Long Night». An seiner und Martins Seite soll Ryan J. Condal («Colony») als Co-Showrunner für frischen Wind sorgen.
«Vor allem bietet ‹The Heirs of the Dragon› – wenig überraschend – viel Exposition. Wir lernen dieses frühe Westeros und die wichtigsten Figuren kennen und erhalten einen ersten Eindruck davon, was sie im Kampf um den Eisernen Thron antreibt.»
Die erste Folge stellt die Weichen für einen grossen Konflikt, der das Königreich von Westeros in seinen Grundfesten erschüttern dürfte. Doch vor allem bietet «The Heirs of the Dragon» – wenig überraschend – viel Exposition. Wir lernen dieses frühe Westeros und die wichtigsten Figuren kennen und erhalten einen ersten Eindruck davon, was sie im Kampf um den Eisernen Thron antreibt. Auf diesem sitzt aktuell Viserys Targaryen (Paddy Considine), ein gerechter, bedächtiger König, der einige Jahre zuvor wegen der unklaren Erbfolge im Haus Targaryen von einem Grossen Rat als Thronfolger seines Grossvaters bestimmt wurde.
Doch nicht nur deswegen ist die Stabilität im Königreich unter Viserys‘ Herrschaft nicht vollumfänglich gewährleistet: Zu allem Übel fehlt auch ihm ein klarer Erbe. Seine einzige Tochter Rhaenyra (Milly Alcock) kommt – so will es das Patriarchat, pardon, die Tradition – nicht infrage; und sein Bruder Daemon (Matt Smith) ist wegen seiner ungestümen, arroganten Art hochgradig unbeliebt. Gut also, dass Viserys‘ Frau, Königin Aemma (Sian Brooke) hochschwanger ist und die Erbfolge – sofern es ein Junge wird – bald geregelt sein dürfte.
Condal und Sapochnik setzen für die erste Folge auf viel Altbekanntes: So spielt «The Heirs of the Dragon» fast ausschliesslich in der bekannten Königshauptstadt King’s Landing, und es gibt bereits im ersten Durchgang Drachen, Gemetzel und Orgien. So weit, so bekannt, und das wird alles ganz ordentlich inszeniert – doch es sind in erster Linie die Figuren und die Pläne, die sie schmieden, die diesen Serienstart so reizvoll machen. Das wissen auch die beiden Showrunner, die sich deshalb in diesem Auftakt stark auf die Dialoge und Beziehungen zwischen den Charakteren konzentrieren und die Action – von einem etwas überlang inszenierten Ritterturnier einmal abgesehen – praktisch aussen vor lassen. Es ist gewissermassen auch ein Versprechen, das Condal und Sapochnik mit «The Heirs of the Dragon» abgeben: dass sie ihre Figuren verstehen und ergründen wollen und sich darauf zurückbesinnen wollen, was «Game of Thrones» gerade zu Beginn auszeichnete.
«So spielt ‹The Heirs of the Dragon› fast ausschliesslich in der bekannten Königshauptstadt King’s Landing, und es gibt bereits im ersten Durchgang Drachen, Gemetzel und Orgien. So weit, so bekannt, und das wird alles ganz ordentlich inszeniert – doch es sind in erster Linie die Figuren und die Pläne, die sie schmieden, die diesen Serienstart so reizvoll machen.»
Dazu zählen auch die Schauspieler*innen, die praktisch durchs Band überzeugen – einzig Paddy Considine («Pride», «The Outsider») wirkt in der Rolle von König Viserys fehlbesetzt und ideenlos. Umso überzeugender ist dagegen Neuentdeckung Milly Alcock («Upright») als Rhaenyra, eine eigensinnige, gerechtigkeitsliebende Drachenreiterin, deren Nähe zu ihrem unbeliebten Onkel Daemon für zusätzliche Spannungen am Hof sorgen dürfte. Alcock ist übrigens eine von zwei Darsteller*innen dieser Figur, da es im Verlauf der Serie zu einem Zeitsprung kommen wird, nach dem mit Emma D’Arcy («Truth Seekers») eine acht Jahre ältere Schauspieler*in die Rolle übernehmen wird. Wie dieser Zeitsprung inszeniert wird und inwiefern das dem Publikum zusätzlich das Zurechtfinden in diesem neuen, alten Westeros erschwert, wird sich indes noch zeigen.
Dabei werden aber nicht alle Figuren neu besetzt: Matt Smith («Doctor Who») etwa muss seinen Daemon Targaryen nicht teilen. Zum Glück, denn der Brite geht in der Rolle des durchtriebenen Heissporns regelrecht auf. Smith, der sich schon in «Terminator Genisys» (2015) und «Morbius» (2022) glücklos an der Rolle des schmierigen Fieslings versuchte, scheint hier endlich seine grosse Bühne gefunden zu haben. Noch nicht allzu viel zu tun hat dagegen Rhys Ifans («Notting Hill», «Harry Potter»), der als Otto Hightower, die Hand des Königs, aber noch eine grössere Rolle spielen dürfte – immerhin scheint auch er seine ganz eigenen Ziele zu verfolgen. Und obschon viele der Figuren auf dem Papier an Personen aus «Game of Thrones» erinnern – hier der gutmütige König, der nicht ahnt, dass sein Hof gegen ihn intrigiert, da der arrogante, übermütige Kommandant der Wache, dort die junge Drachenprinzessin –, gelingt es den beiden Showrunnern rasch, sie als eigenständige Figuren zu etablieren.
«Schafft es die Serie, mehr als eine Kopie von ‹Game of Thrones› zu sein? Die Zeichen stehen nach dieser ersten Episode nicht schlecht.»
Es wird interessant sein, zu sehen, in welche Richtung sich «House of the Dragon» entwickelt. Schafft es die Serie, mehr als eine Kopie von «Game of Thrones» zu sein? Erste Anzeichen darauf gibt es bereits in der ersten Folge, die mit aller Deutlichkeit aufzeigt, welchen Wert Frauen im vorzeitlichen Westeros haben – oder besser gesagt, welchen Wert sie eben nicht haben. Wenn es der Serie gelingt, dieses Thema zu vertiefen und gleichzeitig die Welt von «Game of Thrones» mit neuen Ideen und Figuren zu bereichern, steht den Expansionsambitionen von HBO nichts im Weg. Die Zeichen stehen nach dieser ersten Episode nicht schlecht.
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Ab 22. August auf Sky, neue Episoden jeweils montags
Serienfakten: «House of the Dragon» / Creators: Ryan J. Condal, George R. R. Martin, Miguel Sapochnik / Mit: Paddy Considine, Milly Alcock, Emma D’Arcy, Matt Smith, Emily Carey, Olivia Cooke, Steve Toussaint, Eve Best, Fabien Frankel, Sonoya Mizuno, Rhys Ifans / USA
Bild- und Trailerquelle: © 2022 Home Box Office, Inc. All rights reserved HBO® and related channels and service marks are the property of Home Box Office, Inc.
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