«House of the Dragon» von Ryan J. Condal, George R. R. Martin und Miguel Sapochnik: «The Black Queen» (Episode 10)
Wie reagiert die Thronerbin Rhaenyra auf die Nachricht vom Tod ihres Vaters und den Putsch ihres Halbbruders Aegon? «The Black Queen», die letzte Folge der ersten Staffel von «House of the Dragon», widmet sich dieser Frage und zeigt gekonnt die Fragilität der verschiedenen Allianzen. Ein würdiges Staffelfinale.
Wer «Game of Thrones» kennt, weiss: Ob rollende Köpfe oder blutige Hochzeiten – die ganz grossen Ereignisse bringt jeweils die neunte Folge einer Staffel. An dieser Formel ändert sich auch mit der Spinoff-Serie «House of the Dragon» vorerst nichts. «The Black Queen», die zehnte und letzte Episode dieser ersten Staffel widmet sich nun, nach der kompromisslosen Machtergreifung durch den nun der Einfachheit halber «Greens» genannten Strang der Targaryen-Familie primär den Aufräumarbeiten. Doch dafür muss die um ihr Thronerbe gebrachte Prinzessin Rhaenyra (Emma D’Arcy) überhaupt erst einmal erfahren, dass ihr Vater, König Viserys (Paddy Considine), gestorben ist. Diese Nachricht überbringt ihr ihre Tante Rhaenys (Eve Best), die dem Putsch der «Greens» entkommen ist und die Prinzessin auf Dragonstone warnt.
Nachdem sich die vergangene Episode, «The Green Council» ausschliesslich dem Erzählen der Machtergreifung durch die «Greens» verschrieb und wichtige Figuren wie Rhaenyra und ihr Ehemann Daemon (Matt Smith) gar nicht erst zu sehen waren, zeigt uns das Staffelfinale nun deren Perspektive. Der Verrat durch die Verwandtschaft sorgt für Unruhe bei den «Blacks» – also jenem Teil der Targaryens, der es mit dem Inzest nicht so eng sieht Rhaenyras Anspruch auf den Eisernen Thron unterstützt. Denn während Daemon auf Rache und Krieg sinnt, ist Rhaenyra weniger entschlossen – als gerechte Herrscherin erachtet sie es auch als ihre Verantwortung, das Königreich vor einem Krieg zu verschonen. Wer also dachte, dass die «Blacks» geeint in diese Konfrontation gehen, wird in «The Black Queen» eines Besseren belehrt.
«Es scheint, als sei die Figurenzeichnung in ‹House of the Dragon› stets dann am besten, wenn die Serie einen Teil ihres Casts beiseitelässt und den restlichen Charakteren mehr Raum gibt.»
Es scheint zudem, als sei die Figurenzeichnung in «House of the Dragon» stets dann am besten, wenn die Serie einen Teil ihres Casts beiseitelässt und den restlichen Charakteren mehr Raum gibt. Einer davon ist der angeschlagene Corlys Velaryon (Steve Toussaint), der in dieser Folge nach längerer Abwesenheit zurückkehrt. Der «Lord of the Tides» spielt mit seiner Seemacht eine entscheidende Rolle im bevorstehenden Machtkampf – verständlich also, dass seine Unterstützung für beide Seiten von grosser Bedeutung ist. An seiner Seite überzeugt erneut Eve Best («The King’s Speech»), die als Rhaenys die Geschehnisse scharfsinnig analysiert und sich allmählich zur Königs- oder Königinnenmacherin aufspielt.
Vor allem aber gehört «The Black Queen» der Person, die der Folge ihren Namen gibt: Emma D’Arcy («Truthseekers») darf die ganze Bandbreite von Rhaenyra zeigen – wir erleben die junge Thronerbin in ihrer ganzen Verletzlichkeit, aber auch als entschlossene und vorausschauende Herrscherin, die ihrer Verantwortung gewachsen zu sein scheint. Wenn da nur nicht dieses Funkeln in ihren Augen wäre, dieser Targaryen-Blick, den wir spätestens seit der letzten Staffel von «Game of Thrones» nur allzu gut kennen.
«Regisseur Greg Yaitanes verschafft dieser Auftakt-Staffel einen stimmungsvollen und würdigen Abschluss, der die einzelnen Figuren und ihre Konflikte weiter vertieft und dank viel Drachen-Action Lust auf die zweite Staffel macht.»
Es ist gewissermassen symptomatisch für diese erste Staffel von «House of the Dragon», dass selbst das Finale die grossen Auseinandersetzungen in die nächste Staffel verlegt. Das ist erzählerisch konsequent, aber auch ein bisschen enttäuschend. Nichtsdestotrotz verschafft Regisseur Greg Yaitanes («House M.D.») dieser Auftakt-Staffel einen stimmungsvollen und würdigen Abschluss, der die einzelnen Figuren und ihre Konflikte weiter vertieft und dank viel Drachen-Action Lust auf die zweite Staffel macht.
Dabei schlägt «The Black Queen» erzählerisch auch immer wieder gekonnt den Bogen zum Anfang der Serie, etwa wenn sich Daemon, Rhaenyra und Otto Hightower (Rhys Ifans) erneut auf der steinernen Brücke vor Dragonstone gegenüberstehen – diesmal jedoch unter ganz anderen Vorzeichen. In solchen Momenten ist auch erkennbar, inwiefern sich die Serie in dieser ersten Staffel erzählerisch weiterentwickelt hat.
Die Hoffnung bleibt, dass «House of the Dragon» nun endlich seine Form gefunden hat, und die zweite Staffel mit mehr Konstanz und weniger narrativem Edging auskommt. Die Dreharbeiten dazu beginnen im kommenden Frühling; die Folgen dürften wohl im darauffolgenden Jahr ausgestrahlt werden.
Eine unstete erste Staffel
Was bleibt also von dieser ersten Staffel? Die Spinoff-Serie schafft es, nach dem enttäuschenden «Game of Thrones»-Abschluss von 2019 zu den Qualitäten dieser Franchise und George R. R. Martins Welt zurückzukehren. Die beiden Showrunner Ryan J. Condal («Colony») und Miguel Sapochnik («Finch») – Letzterer verlässt die Serie bereits wieder – wecken die Lust auf die Intrigen und Machtspiele in Westeros neu, ohne die Vorgängerserie zu stark zu kopieren. Gerade Sapochniks Folgen zählen zu den besseren der Serie; der erfahrene «Game of Thrones»-Regisseur beherrscht sein Handwerk offensichtlich. Es ist aber vor allem Regisseurin Clare Kilner («The Wedding Date») zu verdanken, dass diese erste Staffel ihr feministisches Versprechen zumindest ab und an einlöst.
Auch wenn sich die Serie in der zweiten Staffelhälfte noch einmal deutlich steigert, ist «House of the Dragon» aber noch nicht auf dem Niveau des Vorgängers angelangt. Das hat mehrere Gründe: Einerseits lassen sich die Verantwortlichen etwas zu viel Zeit, um den eigentlichen Konflikt zu lancieren, ohne in der Zwischenzeit besonders viel Spannendes zu erzählen. Die unterschiedlichen Lager sind rasch grob definiert, weshalb ein Grossteil der ersten Staffel daraus besteht, zu warten, bis König Viserys das Zeitliche segnet und der Erbstreit beginnt. Aber auch die Zeitsprünge und die daraus resultierenden Darsteller*innen-Wechsel tun der Serie nicht unbedingt gut, da sie es erschweren, die Figuren wirklich erfassen zu können.
Auch schauspielerisch scheint die Serie ihr Potenzial noch nicht ganz ausgeschöpft zu haben. Paddy Considine («Pride», «The Outsider») steigert sich als kränkelnder Regent Viserys nach einem schwachen Anfang über die ganze Staffel hinweg deutlich, während Matt Smith («The Crown») vorab in den ersten Folgen als dessen ungestümer Bruder Daemon überzeugen kann – bevor seine Figur bedauerlicherweise zunehmend in den Hintergrund rückt. Auch Rhys Ifans («Notting Hill», «Harry Potter») als Ränkeschmied Otto Hightower kann noch viel zu selten beweisen, was alles in ihm steckt.
Dafür tun sich andere hervor: die bereits erwähnte Eve Best zum Beispiel, die als weise Matriarchin eindeutig eines der Highlights der Serie ist, oder Matthew Needham («The Ritual»), der als undurchschaubarer Larys Strong innert kürzester Zeit zum gefürchteten Grüsel avanciert ist. Mit Milly Alcock («Upright»), die Rhaenyra in den ersten Folgen der Serie mimte, und Tom Glynn-Carney («Dunkirk») als Aegon und Ewan Mitchell («High Life») als dessen Bruder Aemond gibt es zudem einige schauspielerische Entdeckungen – auf Letztere wird man sich auch in der kommenden Staffel sicherlich freuen dürfen.
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Seit 22. August auf Sky
Serienfakten: «House of the Dragon» / Creators: Ryan J. Condal, George R. R. Martin, Miguel Sapochnik / Mit: Paddy Considine, Milly Alcock, Emma D’Arcy, Matt Smith, Emily Carey, Olivia Cooke, Steve Toussaint, Eve Best, Fabien Frankel, Sonoya Mizuno, Rhys Ifans / USA
Bild- und Trailerquelle: © 2022 Home Box Office, Inc. All rights reserved HBO® and related channels and service marks are the property of Home Box Office, Inc.
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