«House of the Dragon» von Ryan J. Condal, George R. R. Martin und Miguel Sapochnik: «The Lord of the Tides» (Episode 8)
Während sich seine Untergebenen heillos verstreiten, läuft Paddy Considine als todgeweihter König zur Hochform auf. «The Lord of the Tides» lässt keine Wünsche offen und lanciert gekonnt die letzten Folgen der ersten Staffel von «House of the Dragon».
Im Zentrum der achten Folge von «House of the Dragon»: ein Herrscher, der im Sterben liegt, während seine Erb*innen um die Thronfolge streiten. Die Rede ist aber nicht von House Targaryen, das seit sieben Folgen insgeheim darauf wartet, dass der kränkelnde König Viserys (Paddy Considine) endlich das Zeitliche segnet und damit den Weg freimacht für einen blutigen Machtstreit. Nein, in «The Lord of the Tides» dreht sich alles um House Velaryon. Dessen Oberhaupt Corlys Velaryon (Steve Toussaint), so erfahren wir zu Beginn der Folge, wurde in einem Kampf gegen Piraten schwer verletzt – und nun hängt sein Leben an einem seidenen Faden.
Da der Patron seit der letzten Folge (zumindest offiziell) keine Kinder mehr hat, ist die Erbfolge nicht gänzlich geklärt. An sich wäre sein Enkel Lucerys Velaryon der rechtmässige Thronfolger, doch auch Corlys‘ Bruder Vaemond Velaryon (Wil Johnson) erhebt Anspruch auf das Erbe. Und weil dieser Erbstreit – auch in Bezug auf die Legitimität von Lucerys und seinen Geschwistern – einen Präzedenzfall für das ganze Reich schafft, sind alle Augen in Westeros auf diesen Konflikt gerichtet.
«Paddy Considine, an dieser Stelle zu Beginn der Serie noch als ‹fehlbesetzt und ideenlos› kritisiert, beweist eindrücklich, dass er längst in der Rolle angekommen ist.»
Klären soll diesen am liebsten gleich der König selbst – doch Viserys hat ganz andere Sorgen. Der Regent ist ans Bett gefesselt und von seiner Krankheit entstellt und gezeichnet. Dass er stirbt, ist lediglich eine Frage der Zeit – und so nimmt er in dieser Folge noch einmal seine ganze Kraft zusammen, um die Familie zu einen. «The Lord of the Tides» ist nicht zuletzt eine Tour de Force des Patriarchen dieser unheilbar zerstrittenen Dynastie, ein letztes Aufbäumen, womöglich. Und Paddy Considine, an dieser Stelle zu Beginn von «House of the Dragon» noch als «fehlbesetzt und ideenlos» kritisiert, beweist eindrücklich, dass er längst in der Rolle angekommen ist.
Gleichermassen scheint sich die Serie endlich gefunden zu haben. Das Verhältnis zwischen den begehrten dramatischen Momenten, wie wir sie aus «Game of Thrones» kennen, und dem Vorantreiben von Figurenentwicklung ist in dieser Folge ausgewogen – so ausgewogen wie noch nie in diesem Serien-Spinoff. Dass sich die Folge Zeit nimmt, die einzelnen Figuren zu zeigen und zu erklären, ist diesmal auch dringend nötig.
Mit «The Lord of the Tides» ist nämlich der Punkt erreicht, an dem «House of the Dragon» zusätzlich zu seinem Targaryen-Blutlinien-Intro jeweils auch einen Stammbaum aller Figuren mitliefern müsste – nicht nur, weil die eng verschlungenen Familienpfade und Verwandtschaften längst unüberschaubar geworden sind, sondern auch, weil die dritte Generation der Targaryens und Velaryons wegen eines erneuten Zeitsprungs von sechs Jahren in dieser Folge abermals neu besetzt wurde.
Die inzwischen erwachsen gewordenen Prinzen und Prinzessinnen sind denn auch massgeblich dafür verantwortlich, dass sich der Konflikt zwischen der Familie der Königin Alicent (Olivia Cooke) und jener von Prinzessin Rhaenyra (Emma D’Arcy) nicht entspannt – wenn auch mit weniger offener Gewalt als noch im letzten Durchgang. Dabei sind die Rollen klar verteilt – und wer will, kann dabei auch gut Parallelen zur Vorgängerserie ziehen: Die rechtschaffenen und pflichtbewussten Velaryon-Buben sind gewissermassen die Starks dieser Serie, während die überheblichen und übermütigen Targaryen-Nachkommen eher an die schmierigen Lannisters in «Game of Thrones» erinnern.
«Spätestens mit dieser Folge dürfte es auch den letzten Zuschauer*innen dämmern, dass sich der grosse Erbschaftsstreit, der hier in der Luft liegt, schon längst auf die nächste Generation verschoben hat.»
Dass wir dennoch für beide Lager Empathie aufbringen können, ist sicher auch der charmanten Besetzung der beiden Targaryen-Prinzen zu verdanken: Tom Glynn-Carney («Dunkirk») als Aegon und Ewan Mitchell («High Life») als sein einäugiger Bruder Aemond überzeugen in der Rolle der arroganten Fieslinge und drängen sich in diesem immer grösser werdenden Cast gekonnt in den Vordergrund. Es täte der Serie gut, wenn die beiden künftig noch mehr Screentime erhielten. Denn spätestens mit dieser Folge dürfte es auch den letzten Zuschauer*innen dämmern, dass sich der grosse Erbschaftsstreit, der hier in der Luft liegt, schon längst auf die nächste Generation verschoben hat.
«The Lord of the Tides» kann somit den Aufwärtstrend aus der letzten Episode fortsetzen. Die drittletzte Folge dieser Staffel sorgt für dramatische Gänsehautmomente, entwickelt aber gleichzeitig auch die Figuren auf anregende Weise weiter und lanciert so den bevorstehenden Staffelabschluss.
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Seit 22. August auf Sky, neue Episoden jeweils montags
Serienfakten: «House of the Dragon» / Creators: Ryan J. Condal, George R. R. Martin, Miguel Sapochnik / Mit: Paddy Considine, Milly Alcock, Emma D’Arcy, Matt Smith, Emily Carey, Olivia Cooke, Steve Toussaint, Eve Best, Fabien Frankel, Sonoya Mizuno, Rhys Ifans / USA
Bild- und Trailerquelle: © 2022 Home Box Office, Inc. All rights reserved HBO® and related channels and service marks are the property of Home Box Office, Inc.
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