Interview mit Dean DeBlois und Simon Otto zu «How to Train Your Dragon: The Hidden World»
Mit «How to Train Your Dragon: The Hidden World» steht nun endlich der langersehnte Abschluss der erfolgreichen Trilogie über den Wikingerjungen Hiccup und seinen Drachenfreund Toothless ins Haus. Wie schon bei den beiden Vorgängerfilmen führte auch beim dritten Teil der Animationsveteran Dean DeBlois («Lilo & Stitch») Regie. Dass diese Trilogie so gut ausschaut, ist auch ein bisschen ein Schweizer Verdienst: Der St. Galler Animator Simon Otto waltete bei allen drei Filmen als Head of Character Animation und zeichnete sich in dieser Funktion für das Aussehen der Figuren verantwortlich. Wir haben die beiden anlässlich des Schweizer Filmstarts von «How to Train Your Dragon: The Hidden World» am 7. Februar zum Gespräch getroffen.
Steven Spielberg hat gesagt, dass er, als er das Drehbuch zu «The Hidden World» zum ersten Mal las, eine Träne verdrückt hat. Wie ist es dir ergangen, Simon, als du die Story zum ersten Mal in Händen hieltest?
Simon Otto: Ich verbinde den Film mit zahlreichen Gefühlen. Zunächst bin ich einfach nur unglaublich stolz darauf, wie berührend der Film die Reihe abschliesst. Wir verabschieden uns von Figuren, mit denen ich zwölf Jahre lang gearbeitet habe, die ich ins Herz geschlossen habe, und die ich genauso als meine Kinder betrachte wie das Dean vermutlich tut. Es ist also sehr emotional für mich.
Aber ich bin viel zu stark involviert, um das objektiv betrachten zu können. Ich weiss daher nicht, ob ich dieselben Tränen verdrückt habe wie Steven Spielberg. Aber ja, es war für mich auf jeden Fall eine emotionale Reise mit einem emotionalen Abschluss.
Dean DeBlois: Wir wurden ja selber über das vergangene Jahrzehnt zu einer Familie: Ein Grossteil der Crew war bei allen drei Filmen an Bord. Als wir dabei waren, die Arbeit an «The Hidden World» abzuschliessen, wurde uns allmählich bewusst, dass wir uns nicht nur von den Figuren verabschieden müssen, sondern auch voneinander. Selbst diejenigen von uns, die noch immer bei DreamWorks sind, werden vermutlich nicht mehr an denselben Filmen zusammenarbeiten. Für uns alle geht mit diesem Film also eine Ära zu Ende. Aber ich bin überzeugt, dass wir mit einem Highlight aufgehört haben, weshalb ich sehr stolz auf diese drei Filme bin.
«Ich bin überzeugt, dass wir mit einem Highlight aufgehört haben, weshalb ich sehr stolz auf diese drei Filme bin.»
In diesem Film muss sich Hiccup einem neuen Gegner beweisen – wer ist Grimmel?
DDB: Wir wollten in der Trilogie mit einigen offenen Fragen spielen. Im zweiten Film ging es darum, was mit Hiccups Mutter passiert ist, und im dritten Teil gehen wir der Frage nach, ob Toothless wirklich der Letzte seiner Art ist. Wir haben das bislang immer ein bisschen angedeutet. In «The Hidden World» stellen wir nun fest, dass er tatsächlich der letzte lebende Nachtschatten ist, da alle anderen von einem berüchtigten Kopfgeldjäger namens Grimmel the Grisly getötet wurden.
Als er von Toothless erfährt, ist es für ihn eine Frage der Ehre, diesen letzten Nachtschatten aufzuspüren. Es geht Grimmel aber auch darum, mit dieser übergeordneten Vorstellung zu brechen, dass Drachen und Menschen friedlich zusammenleben können, die Hiccup nun verbreitet. Grimmel ist eine elitäre Figur; er ist der Überzeugung, dass Drachen minderwertig sind. Für ihn ist klar, dass alle Drachen ausgelöscht gehören – und Hiccups Ideale stehen ihm dabei im Weg.
«Grimmel ist eine elitäre Figur; er ist der Überzeugung, dass Drachen minderwertig sind.»
Wir hatten mit Drago Bludvist einen sehr ikonischen Rohling als Bösewicht, einen massiven, hünenhaften Kerl, der alles was er getan hat, mit viel Kraft und Gewalt getan hat. Daher wollten wir in diesem Film einen Gegner haben, der optisch das Gegenteil darstellt. Grimmel ist gross und schlank, sehr agil und ein bisschen älter. Er ist ein erfahrener Jäger, der schon viel gesehen hat.
SO: Für uns Animatoren war es eine interessante Herausforderung mit Grimmel einen Bösewicht vom Kaliber zu schaffen, wie ihn Dean beschreibt, der aber gleichzeitig auch als Figur unterhält. Der für Grimmel zuständige Animator, Rani Naamani, stiess auf der Suche nach einer Stimmaufnahme, mit der er einige Animationstests anfertigen konnte, auf einen Auftritt von F. Murray Abraham in einer Fernsehserie. Er unterbrach dort eine andere Figur auf sehr charmante Weise – aber für das Publikum ist es offensichtlich, dass ihn das, was der Andere sagte, nicht interessierte. Diese Test-Stimmaufnahme passte perfekt zu Grimmel. Als uns Rani das zeigte, wussten wir alle, dass F. Murray Abraham unser Grimmel sein musste.
Ich glaube, das war das erste Mal, dass ich erlebt habe, wie ein früher Animationstest letztlich die Wahl des Sprechers beeinflusst hat. Dean hat den Test F. Murray Abraham gezeigt, der sofort davon begeistert war. Seine Stimme hat ihren eigenen Charme und verleiht Grimmel das gewisse Etwas.
Die Popkultur ist voller Drachenfiguren, die sich alle ein bisschen ähnlich sehen. Wie gross war die Herausforderung, diesem Archetyp des Fantasydrachen eine Alternative gegenüberzustellen?
SO: Es war uns von Anfang an ein Anliegen, dem Publikum nicht einfach eine angepasste Version des «klassischen» Drachen zu geben. Vor zehn Jahren stellten sich die Leute unter einem Drachen einen chinesischen Drachen oder einen Disney-Drachen vor – oder aber einen effektlastigen Blockbusterdrachen. Wir wollten eine eigene Drachenwelt schaffen, die genauso vielseitig war wie die Tierwelt, und die von kleinen, stämmigen Drachen, bis zu schlangenähnlichen Drachen reichte.
«Ich glaube, dass wir neu definiert haben, wie sich Kinder heutzutage einen Drachen vorstellen.»
Da jeder Drache auch immer eine Rolle in der Geschichte hatte, begann die Suche nach dem Look auch jeweils dort. Und wir wollten den Figuren Elemente verleihen, die wir aus dem echten Leben kennen. Wir vermischten jeweils eine Vielzahl an tierischen und anderen Einflüssen: Toothless zum Beispiel ist eine Mischung aus einem schwarzen Panther, einem Salamander und einer Fledermaus – mit den Verhaltenszügen einer Katze, eines Hundes und eines Pferdes. Es schafft eine zusätzliche Identifikationsmöglichkeit für das Publikum, wenn man sein Haustier in diesen Figuren wieder erkennen kann.
Ich glaube, dass wir damit zu einem gewissen Grad neu definiert haben, wie sich Kinder heutzutage einen Drachen vorstellen – denn im Grunde ist alles erlaubt. Das zeigt sich auch anhand der unterschiedlichsten Kinderzeichnungen, die uns zugeschickt werden: Solange es Flügel hat, sieht alles aus wie ein Drache.
DDB: Wir machten den ersten Film noch vor «Game of Thrones». Es gab zwar gute Beispiele für Filmdrachen, wie etwa «Reign of Fire», aber auch sehr schlechte – man denke da nur an «Eragon». Wir waren der Überzeugung, dass diese Idee des klassischen Drachenfilms ausgedient hatte, weshalb wir ihm auf andere Weise neues Leben verleihen wollten.
Ein Ansatz war, dass wir all diesen reptilienähnlichen Drachen, wie wir sie kennen, einen säugetierähnlichen Drachen gegenüberstellen wollten. Das Resultat ist ein Look, der sich stark von dem unterscheidet, was man sich landläufig unter einem Drachen vorstellt.
Anders als bei anderen Franchisen war hier schon früh klar, dass du eine abgeschlossene Trilogie drehen möchtest. Inwiefern hat dieses Wissen das Drehbuch der einzelnen Filme beeinflusst?
DDB: Als mein damaliger Co-Regisseur Chris Sanders und ich beim ersten Film an Bord kamen, war die Vorproduktion bereits in Gang, und wir hatten gerade einmal 15 Monate Zeit bis zum Filmstart. Das waren 15 Monate, in denen wir die Story ausbessern mussten und dabei das, was bereits an Charaktermodellen und Sets existierte, irgendwie in das neue Drehbuch einbetten mussten. Da hatten wir gar keine Gelegenheit, überhaupt an eine Fortsetzung zu denken. Wir waren zu beschäftigt damit, die Geschichte in kürzester Zeit irgendwie hinzubekommen.
«Wir können beobachten, wie aus Hiccup, dem Jungen, der nichts auf die Reihe kriegt, Hiccup der weise und selbstlose Anführer wird.»
Als sich der Film dann als Erfolg entpuppte, kam natürlich das Studio zu mir und fragte mich um Ideen für eine Fortsetzung. Ich war noch nie ein Fan von Fortsetzungen, denen die Dringlichkeit fehlt. Darum habe ich gesagt, wenn, dann will ich es als Drei-Akter umsetzen. Ich wollte eine echte Trilogie drehen, bei der wir beobachten können, wie aus Hiccup, dem Jungen, der nichts auf die Reihe kriegt, Hiccup der weise und selbstlose Anführer wird. Wir würden sehen, wie die Figuren erwachsen werden und sich neuen Herausforderungen und neuen Gegnern stellen. Und zum Abschluss des dritten Films würden wir erklären, was aus den Drachen geworden ist. Das war ein ambitioniertes Konzept, das uns aber auch einen ersten Eindruck davon gab, in welche Richtung wir uns bewegen wollten.
Die Inspiration dafür lieferte uns Cressida Cowell, die die Buchvorlage verfasst hat. Sie hat uns damals, als sie uns bei der Produktion des ersten Films besuchte, verraten, dass sie im letzten Band der Reihe erklären würde, was mit den Drachen geschehen ist. Und obschon die Filme und die Bücher sehr unterschiedliche Geschichten erzählen, fanden wir, dass diese Frage auch für unseren Schluss spannend wäre. Es erinnert mich an den allerersten Satz des ersten Buches, in dem Hiccup als alter Mann auf sein Leben zurückblickt und sagt «There were dragons when I was a boy» – «Als ich ein Junge war, gab es noch Drachen».
Obwohl die einzelnen Storyelemente also sehr unterschiedlich sind, bleibt so der Geist der Vorlage erhalten.
Ihr habt es gesagt, dass mit diesem Film für euch beide eine Reise endet. Für dich, Simon, sogar noch ein bisschen entscheidender: Du verlässt DreamWorks nach 21 Jahren. Was steht für euch als Nächstes an?
SO: Es ist aufregend! Wir kommen frisch von einem Projekt, auf das wir unglaublich stolz sind. Ich habe zwei Jahrzehnte bei DreamWorks gearbeitet, die letzten zwölf davon an dieser Trilogie – deshalb will ich zunächst einmal eine Pause einlegen.
Doch die boomende Industrie bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten für meine Zukunft. Ich habe in den letzten Jahren auch für Trickfilmserien gearbeitet. Das hat mir viel Spass bereitet, weshalb sich das durchaus als nächster Schritt anbieten würde. Aber im Augenblick behalte ich mir alle Optionen offen.
DDB: Simon und ich sind beide in einer ähnlichen Lage. Wir haben unsere Arbeit an der Trilogie beendet und entsprechend sind auch unsere Verträge erfüllt. Nun stehen uns alle Türen offen – es gibt so viele Möglichkeiten.
Das Gute daran, dass der Film so langsam veröffentlicht wird – in Australien etwa lief er bereits im Januar an, während er in Japan erst im August erscheinen wird –, ist, dass mir das Zeit gibt, mir meine Gedanken zu machen. Ich möchte mich gerne wieder einem Projekt widmen, das eine ganze Welt bietet, in der man sich verlieren kann, und Figuren, mit denen man sich identifizieren kann. Aber ich möchte auf alle Fälle auch ein Projekt in Angriff nehmen, das ganz anders ist als «How to Train Your Dragon».
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