Als Kabarettist ist er seit Jahrzehnten sehr erfolgreich und sein Brenner ist nicht minder kultig. Josef Hader versteht es wie kein Zweiter im deutschsprachigen Raum, lustig zu sein. Dass er auch ernste Rollen, spielen kann, hat er als Stefan Zweig in «Vor der Morgenröte» bewiesen. Aber Josef Hader kann noch mehr: Regie führen und kluge Antworten geben. Das Interview mit ihm anlässlich der Vorpremiere der «Wilden Maus» war nicht nur unterhaltsam, sondern auch sehr geistreich.
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Maximum Cinema: Vom Tempo und Humor her erinnert «Wilde Maus» an die Brenner-Filme. Wie kommt das?
Josef Hader: Ich schreibe an den Brenner-Filmen mit; die Dialoge stammen von mir. Im Brenner steckt viel von mir, zum Beispiel auch der lakonische Humor, den er in den Romanen nicht hat. Deshalb gibt es gewisse Ähnlichkeiten bei den Filmen, auch wenn in der «Wilden Maus» keine Finger abgehackt werden.
Es ist ja auch so, dass man sich zwar genau überlegt, welche Art von Film man drehen und welche Geschichte man erzählen will, aber die Art, Dialoge zu schreiben, bleibt die gleiche.
Ein Mann aus der Mittelschicht, angesehener Redaktor einer Zeitung, ist plötzlich von Abstiegssorgen bedroht. Hat dich dieses Thema interessiert?
Die Geschichte hätte auch weiter unten oder weiter oben spielen können. Meine Grundidee war es, zu zeigen, wie jemand mit Arbeitslosigkeit umgeht. Ich hielt es für am sinnvollsten, mir ein Milieu auszuwählen, in dem ich mich selber auskenne. Zudem fand ich die Idee einer Mittelstandssatire reizvoll und wollte zeigen, dass wir genau so bürgerlich geworden sind wie unsere Eltern.
Kommt deshalb die Politik im Film nur immer in den Nachrichten vor? Sie flimmert ja quasi an den Figuren vorbei.
Genau. Wir haben von uns die Idee, politisch engagiert zu sein, was wir aber gar nicht sind.
Im Film spitzen sich die Ereignisse stetig zu, die Konflikte eskalieren. Dann nimmt der Film unerwartete Wendungen und endet versöhnlich. Wieso hast du dich für ein solches Ende entschieden?
Das Ende des Films polarisiert tatsächlich. Einige Leute hätten sich den Schluss noch rosaroter gewünscht und wollten wissen, ob es eine Fortsetzung gibt. Andere waren empört, dass es kein Drama gab. Für mich kam das Ende aber gar nicht unerwartet, da der Film zuvor ja schon viele Kurven schlägt. Zudem sind Georg und seine Frau beide sehr unentschlossen. Beide wursteln immer weiter. Ich denke, der Schluss passt gut zu diesen Figuren.
Georg ist ein unmöglicher Charakter. Er ist mutlos, schwach und spielt allen etwas vor. Was fandest du an ihm so interessant?
Wahrscheinlich, dass er mit seinem Beruf so narzisstisch verbunden ist. Wenn ich nicht freischaffender Künstler wäre, würd ich vielleicht ähnlich auf eine solche Kündigung reagieren. Andrerseits war es seine unbeholfene Art, sich zu wehren, die Spass macht, drüber zu schreiben. Man kann sich stets vorstellen, wie klein und feig man selbst reagieren würde.
Was mich ebenfalls interessierte, war dieses Paar. Als Teenager zweifelte ich daran, dass es überhaupt zwischenmenschliche Beziehungen geben kann. Menschen machen einander ja ständig etwas vor und ständig kommen Missverständnisse vor. Das stimmt ja auch, wenn man einen sehr hohen Massstab ansetzt.
A propos Beziehung: Wieso spielt deine Lebenspartnerin Georgs Frau?
Wir haben ja schon zweimal zusammen gespielt. Beim Brenner-Film «Der Knochenmann» und einer TV-Produktion über einen Pathologen namens «Aufschneider». Weil ich meinen ersten Film gedreht hab, entschied ich mich für mehrere Schauspieler, die ich kenne und mit denen ich gut zusammenarbeite. Das hat die Arbeit ungemein erleichtert.
Davor hast du ja Stefan Zweig in «Vor der Morgenröte» gespielt. Eine ganz andere Rolle als die, in denen man dich sonst kennt. Was hat dich daran gereizt?
Ich wähle solche Filme ganz bewusst aus. Es sind seltene Gelegenheiten, dass ich ein Drehbuch erhalte mit einer ungewohnten Rolle, die dennoch etwas in mir zum Klingen bringt. Als ich diesen Stefan Zweig im Drehbuch gelesen habe, wollte ich ihn sofort beschützen. Das ist ein guter Impuls für einen Schauspieler.
Comedy gilt im Vergleich zu ernsten Rollen als schwieriger. War Stefan Zweig für dich einfacher zu spielen als den Brenner oder Georg?
Nein, gar nicht. Es war aber insofern anders, als ich bei «Vor der Morgenröte» weder am Drehbuch beteiligt war noch Regie geführt habe. Ich hatte nur meine Rolle als Schauspieler und war abgeschirmter vom Rest des Drehs. Das hat bei Stefan Zweig sehr gut gepasst, der war ja auch hermetisch abgeriegelt.
Wie kamst du bei der «Wilden Maus» mit der Doppelaufgabe Regisseur und Schauspieler zurecht?
Es gab sehr viel zu tun. Besonders der Dreh war fordernd. Natürlich wusste ich durch meine Erfahrung ungefähr, was auf mich zukommen würde. Doch wenn man etwas zum ersten Mal macht, fehlt einem immer die Routine.
Was bist du am liebsten: Kabarettist, Schauspieler oder Regisseur?
Die Abwechslung macht den Reiz aus. Ich kann mir Filmrollen aussuchen und meine Filmprojekte mit Leib und Seele vorantreiben. Viele Schauspieler im deutschsprachigen Raum müssen auch Rollen annehmen, die sie vielleicht nicht so toll finden. Ich empfinde das als ungeheuren Luxus, dass ich mich, wenn mich ein Projekt nicht anspricht, einfach Nein sagen kann und stattdessen Kabarett mache.
Deine Arbeit – Kabarett und Film – haben etwas sehr Österreichisches. Empfindest du das auch so?
Dazu muss ich zunächst mal sagen, dass ich persönlich Filme mit einem Zeit- und Lokalkolorit mag. Deshalb wollte ich auch eine Geschichte drehen, die nicht irgendwo und irgendwann hätte stattfinden können. Wenn vor 20 Jahren ein weisser, entlassener Mann gezeigt worden wäre, der in eine Waffenhandlung geht, wär’s ein vollkommen Verrückter gewesen. Heute könnte er um die Ecke wohnen.
Was macht denn dieses Österreichische aus?
Ich glaub, es geht um einen Blick auf das Land, wie es im deutschsprachigen Raum gern gesehen wird. Im Fussball sind wir für die Deutschen ja die kleinen Zwerge und so ist es auch in der Kultur. Sobald etwas aus Österreich kommt, bekommt es in der Perzeption etwas Puppenstubenhaftes.
Aber Haneke zum Beispiel wird überhaupt nicht so wahrgenommen.
Das ist das andere Extrem. Das Österreischiche wird gern in eine Art Kuriositätenkabinett eingeordnet. In die dunkle Ecke kommt Haneke hinein, in die andere Ecke wird Wolf Haas gesteckt. Aber es geht immer um Schrulligkeit – in ihren vielen Ausprägungen.
Ja, das hat was. Seidl funktioniert genau so.
(Überlegt) Das ist eine interessante Theorie: Seidl, Haas und Haneke lösen bei ihrem Stammpublikum genau dasselbe aus. Man sieht immer Geschichten, die einen selbst nie betreffen, in denen man sich selbst nie erkennen muss. Man kann sich andere anschauen und sagen «Ja, so sind die!». Es ist eine Art von Kunst, die den Betrachter bestätigt.
Dein Film ist da anders.
Ja, wie mir gestern (an der Vorpremiere des Films) jemand gesagt hat: «Das könnt ich auch sein.»
Planst du, einen zweiten Film zu drehen? Es heisst ja, dass dieser der schwierigste sei.
Das hab ich auch schon gehört. Notfalls muss dann den Zweiten halt machen, damit man den Dritten machen kann.
Sehen wir also eine Fortsetzung der «Wilden Maus»?
Niemals! Ich hab schon genug Rollen, die ich immer wieder spiele.
Bild- und Trailerquelle: Frenetic Films.
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