Ein Clown, eine Bande von Losern und jede Menge rote Luftballons: Andy Muschiettis fast dreistündiges Horror-Spektakel „It: Chapter Two“ setzt 27 Jahre nach dem ersten Teil ein, als Pennywise der Möderclown noch einmal Schrecken in der amerikanischen Kleinstadt Derry verbreitet. Dank seines Urtextes hat der Film viel über Kindheit und Trauma zu sagen – übt sich aber leider über weite Strecken in thematischer, szenischer und visueller Wiederholung.
Andy Muschiettis «It» (2017) – basierend auf der dem gleichnamigen Roman Stephen Kings, des wohl einflussreichsten Horror-Autors der Postmoderne – wurde vor zwei Jahren zum rekordbrechenden Kassenschlager. In Scharen strömte das Publikum in die Kinosäle und erlebte mit, wie der «Losers‘ Club», eine Bande von unbeliebten Teenagern, im Maine der Achtzigerjahre dem mörderischen Clown Pennywise (Bill Skarsgård) die Stirn bot und sich den Ängsten und Problemen des Erwachsenwerdens stellte. Die ausgewogene Mischung aus Humor, Drama und Horror im Stil von «Stand by Me» (1986) oder «Stranger Things» (2016– ) funktionierte in diesem ersten Teil ausgezeichnet und mündete in einem trügerischen Happy End: Bill (Jaeden Martell), Beverly (Sophia Lillis), Richie (Finn Wolfhard), Stan (Wyatt Oleff), Mike (Chosen Jacobs), Eddie (Jack Dylan Grazer) und Ben (Jeremy Ray Taylor) zwangen das Monster in einem heroischen Kampf in die Knie und schworen sich in friedlichem Sonnenschein ewige Freundschaft.
Doch wie Pennywise bereits im ersten Trailer zu «It: Chapter Two» ankündigte: «No one who dies here ever really dies» – ein Zitat, das nicht nur auf das zyklische Wiederkehren von Monstern in der Kleinstadt Derry hinweist, sondern auch darauf, dass die eigene Kindheit einen ein Leben lang verfolgt. Und so geht es nicht lange, bis die inzwischen erwachsenen «Loser» (nun gespielt von James McAvoy, Jessica Chastain, Bill Hader, Andy Bean, Isaiah Mustafa, James Ransone und Jay Ryan) im zweiten Teil ihrem Versprechen aus Kindertagen folgen und sich wieder in Derry versammeln, um sich ihrer Kindheit zu stellen und dem Clown ein für alle Mal den Garaus zu machen.
Der erste Teil bildete eine mehr als solide Basis für alles Kommende, und die Fortsetzung profitiert von dessen Stärken: Auch die erwachsenen «Loser» sind tiefsympathische Charaktere, deren Schicksale mitreissen und ergreifen. Dass es überrascht, dass die Erwachsenen ebenso gut spielen wie die Kinder, muss als Kompliment für das immense Talent der jugendlichen Schauspieler*innen verstanden werden und zeugt davon, dass das ganze Ensemble ungewöhnlich gut besetzt ist. Besonders hervorzuheben ist hier das Zusammenspiel der beiden grossmäuligen Richies – Finn Wolfhard und Bill Hader –, die dem Charakter im zweiten Teil einiges an Feingefühl und Tiefe einhauchen und gleichzeitig für die amüsantesten Momente des Films sorgen.
Verwunderlich scheint jedoch, dass der Film mit seiner fast dreistündigen Laufzeit einerseits zu viele Motive auf einmal angehen will, sich aber gleichzeitig auch in langwierigen Repetitionen und narrativer Inkohärenz verfängt. Vieles scheint unausgegoren, etwa die Mythologie des Monsters, die sich vage auf veraltete, problematische Bilder von indigener Magie beruft, welche 2019 im Kino nichts mehr verloren haben. Dazu gesellen sich zahlreiche Erzählelemente, die der Film löblich verfolgen möchte, schlussendlich aber leider aus den Augen verliert: Besonders spannend wäre hier eine ausführlichere Behandlung der menschlichen Schrecken Derrys gewesen, die sich unter anderem durch gewaltsame Homophobie äussern und einem Loser ganz besonders zu schaffen machen. Die Ansätze sind da, finden aber keinen Platz, um sich tiefgründig zu entfalten.
«Hier vermisst man die subtilere, psychologischere Art des schleichenden Horrors, die der erste Teil mit grösserer Sorgfalt aufbaute.»
Zudem wird der Film gerade in seinem Mittelteil strukturell und visuell sehr repetitiv, und die endlosen Jumpscares werden irgendwann vorhersehbar und wirkungslos, wenn nicht sogar ermüdend. Hier vermisst man die subtilere, psychologischere Art des schleichenden Horrors, die der erste Teil mit grösserer Sorgfalt aufbaute: Die Monster und Schrecken – einst Reflektion personalisierter, unterbewusster Ängste – verwandeln sich in laut knallende Schockmomente, die das Publikum zwar zusammenzucken lassen, im nächsten Moment aber bereits vergessen sind.
«It: Chapter Two» versucht die anspruchsvolle Gratwanderung zwischen ambitioniertem Horrorkino und lautem Blockbuster. Gelungen ist sie ihm teilweise. In Erinnerung bleiben werden vor allem die Charaktere, die grossartigen schauspielerischen Darbietungen – und Pennywise, das ikonische Monster mit dem Clowngesicht, das, Remakes sei Dank, bestimmt auch 2019 nicht für immer gestorben ist.
–––
Kinostart Deutschschweiz: 5.9.2019
Filmfakten: «It: Chapter Two» / Regie: Andy Muschietti / Mit: James McAvoy, Jessica Chastain, Bill Hader, Andy Bean, Isaiah Mustafa, James Ransone, Jay Ryan, Jaeden Martell, Sophia Lillis, Finn Wolfhard, Wyatt Oleff, Chosen Jacobs, Jack Dylan Grazer, Jeremy Ray Taylor / USA / 169 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Warner Bros. Schweiz
Pennywise der Mörderclown ist zurück: «It: Chapter Two» schickt einen grossartigen Cast auf die Spuren von Monstern und der eigenen Kindheit - und verfängt sich in repetitiven Szenen.
No Comments