9 Gründe, weswegen das «Twin Peaks»-Revival schon jetzt ins Kultseriennirvana aufgestiegen ist
„I’ll see you again in 25 years“
Verschmitzter Blick, blonde Wallemähne, ein Fingerschnippsen – und fertig war die zweite Staffel von David Lynchs Kult-Serie «Twin Peaks». Der König des surrealistischen Filmens hat sein Wort aber gehalten und lässt -wegen Produktionsschwierigkeiten- nun 26 Jahre später die Kultserie wieder aufleben. Gestern Nacht wurde die zweistündige Pilotsendung ausgestrahlt – Fans und Internet gehen crazy, Kritiker wissen nicht so genau, was sie da eigentlich gesehen haben und noch weniger, was darüber geschrieben werden sollte und Lynch lacht sich wohl ins Fäustchen. Grund genug, die kultige Serie aus den 90ern und seiner Erfolgsgeschichte eine kleine Hommage in Nostalgie zu widmen, bevor es vor die Flimmerkiste geht.

Laura Palmer in «Twin Peaks»
25 Jahre sind eine lange Zeit, darum für alle, die sich nicht mehr so ganz an die Geschehnisse in Twin Peaks erinnern können oder wie ich erst viel später auf die Welt kamen und an einem verregneten Nachmittag in den Bann der Serie gezogen wurden, ein kleiner Disclaimer vorneweg: Als die allseits beliebte Schülerin Laura Palmer (Sheryl Lee) tot aufgefunden wird, reist FBI Special Agent Dale Cooper (Kyle McLachnan) in das verwunschene Twin Peaks, um den Mord an der Homecoming Queen aufzulösen. Geblendet vom Charme der nur anscheinend unschuldigen Einwohner deckt er mit seinen ganz eigenen Methoden, die Traumdeutung und Übersinnliches miteinbeziehen, immer mehr Geheimnisse über das dreckige Doppelleben der Laura Palmer auf, bis er sich selbst tief im Twin Peaks-Mystik aus Affären, Drogen, Lügen, Gewalt und unerklärlicher Surrealität eingesogen wird.
1. Die Wiederkehr des unwiderstehlichen Mix aus Krimi, Mystery und Horror
Nichts und ist, wie es scheint – Nach diesem Motto funktioniert „Twin Peaks“. Special Agent Dale Cooper kommt eigentlich nach Twin Peaks, um den Mord an Laura Palmer aufzuklären, doch in dem 51’201 Seelen-Städtchen hat jede Figur seine eigenen dreckigen Geheimnisse, die irgendwie immer auf Laura Palmer zurückführen. Dies macht die Spannung in der Kultserie aus, doch nicht nur das alleine ist nicht für den Zauber von „Twin Peaks“ verantwortlich. Die Figuren, deren Leben sich in ein dichtes Netz verweben, sind vom Guten motiviert. Zarte Romanzen blühen auf, aufrichtige Nettigkeit und Nächstenliebe lebt in den Charakteren inne, sodass sich der Zuschauer unterstrichen durch den verträumten Soundtrack durch die Augen von Neuankömmling Dale Cooper sofort in das fiktive Städtchen verliebt. Diese Dualität aus Gut und Böse, Liebe und Hass, gepaart mit klugem Slapstick und lynchiger Weirdness macht den unwiderstehlichen Sog von „Twin Peaks“ aus, der die Zuschauer in jeder Folge mitfiebern liess und selbst mich, 25 Jahre nach dem Erscheinen der Serie, gebannt vor dem Laptop fesselte – und auch in den neuen 18 Folgen zum kollektiven Binge Watching einlädt.

The Log Lady
2. Das Wiedersehen der wohl quierkigsten Charaktere der Fernsehgeschichte
Eine verwirrte Frau im besten Alter, die ein sprechendes Stückchen Holz wie ihr Baby mit sich trägt, ein exzentrischer Therapeut mit Vorliebe für Kokosnüsse, Hawaiihemden und 3D-Brillen, und nicht zu vergessen der rückwärtssprechende Zwerg, der Dale Cooper in seinen Träumen immer wieder besucht. Twin Peaks ist dank seiner quirky Charaktere mit ihren einzigartigen Spleens unverkennbar. Und David Lynch konnte einen Grossteil des Originalcasts für das Revival wieder aufbieten – 25 Jahre weiser mit einigen Falten und grauen Haaren mehr. Mit dabei sind unter anderem Sheryl Lee (Laura Palmer), Sherilyn Fenn (Audrey Horne), James Marshall (James Hurley), David Lynch himself und natürlich Kyle McLachnan (Dale Cooper). Einige andere Gesichter werden dafür nicht zu sehen sein: So ist beispielsweise Frank Silva, der den bösen Dämon Bob verkörperte, bereits verstorben. Dafür glänzt der Cast mit vielen neuen Neuzugänglern. So sind beispielsweise Amanda Seyfried, Naomi Watts, Monica Belucci und Megaschnüggel Eddie Vedder mit von der Partie. Eine Mischung aus ursprünglichem Cast mit frischem Neuzugang – das verspricht nostalgische Spannung gepaart mit frischen Elementen.
3. Die bahnbrechende Fernsehrevolution, die Twin Peaks in den 90ern auslöste
Explizite Darstellung von Gewalt und Mord, eine Serie, die aufgebaut ist wie ein niemals endender Film -so etwas gab’s vor Twin Peaks noch nie. Die Serie gilt heute als Wegweiser vieler anderer populärer Fernsehserien. So finden sich Erzählweisen von Twin Peaks in „The X Files“ (irgendwie naheliegend) oder auch „Desperate Housewives“. „Twin Peaks“ war somit ein Vorreiter seiner Zeit, der die Fernsehlandschaft bereichert hat. Ähnliches wird jetzt wieder erwartet: Kann der visionäre Querdenker David Lynch im Zeitalter von Netflix eine neue Erzählform im Serien-Genre ins Fernsehen bringen? Die Erwartungen liegen hoch, Cast und Crew schrauben sie mit geheimnisvollen Ansagen und noch höher.

Welcome to «Twin Peaks»
4. Die Frage nach der Zeitlosigkeit der Serie
Der Mord an Laura Palmer ist zwar im Jahr 1990 datiert, dennoch schwebt in „Twin Peaks“ eine gewisse Zeitlosigkeit mit, die die Serie auch noch heute aktuell macht. Twin Peaks lebt von Lucys verpeilt-herzigen Funkausrufen im Sheriffs Department, den Briefen von geheimnisvollen Absendern und von plötzlich verschwindenden Figuren, die damals natürlich noch kein Smartphone mit GPS mit sich trugen. Im Jahr 2017 sieht das alles etwas anders aus – in unserer Gesellschaft sind 24/7-Erreichbarkeit durch Smartphone, Social Media und notfalls auch durch das altbackene Mail ganz normal. Ob Dale Cooper in der neuen Staffel durch einen Facebook-Post allen seinen Freunden mitteilen wird, dass er in der Black Lodge wohlauf ist? Ich hoffe es zumindest nicht, denn die analoge Welt von Twin Peaks ist um einiges spannender.
5. Die mysteriösen Teaser, die eigentlich gar nichts verraten
Und was passiert eigentlich in der dritten Staffel? Die Teaser, die von Showcast ab Januar veröffentlicht wurden, versprühen den eerie Charme der Kleinstadt, verraten aber ansonsten praktisch nichts über den Inhalt des Twin Peaks-Revivals. Lynch ist kein Fan von Trailern, die den Inhalt des eigentlichen Werkes verraten und will gezielt so viel wie möglich von seinem neuen Wurf geheim halten, wenn nicht gar Verwirrung schaffen – was nicht nur einen riesigen Hype auslöst, sondern auch voll meta ist, da Twin Peaks selbst von seinem Mysterium und den vielen Fragezeichen, die meist leer im Raum stehen bleiben, lebt.
6. Die rasante Produktionsgeschichte
Als die beiden Schöpfer David Lynch und Mark Frost an «Twin Peaks» schrieben, war ihnen klar, dass sie den Mord an Laura Palmer nie aufdecken wollten. Vom Sender ABC dazu gezwungen, den Mörder in der Mitte der zweiten Staffel zu entlarven, verlor die Serie massgeblich an Zuschauern, da nun nur noch die Nebenstränge der Erzählung weitergeführt werden konnten. Aufgrund der beständigen Qualität der Serie und den fundierten Charakteren, die mit ihrer Tiefe und Einzigartigkeit immer noch viel hergaben, hat das auch wunderbar funktioniert. Dennoch wurde die Serie nach der zweiten Staffel wurde die Serie abgesetzt. Lynch selbst war aber von Twin Peaks-Magie gefangen und wollte das fiktive Städtchen nicht sterben lassen, weswegen er das düstere Horror-Prequel «Fire Walk With Me» drehte, in dem die letzten Tage von Laura Palmer offenbart werden. Aus dem gestrichenen Material wurde dann «The Missing Pieces» zusammengeschnitten, der erst 2014 Premiere in Cannes feierte. David Lynch bewies sich als Querdenker, der die ganze surreale Mystik um die Black Lodge und den bösen Geist Bob nie aufklären wollte – Ein Konzept, das sich nun seit 25 Jahren bewährt – und nicht enttäuschen wird.
7. Die zahlreichen Cliffhanger, die das Warten fast unerträglich machen
Was ist mit Audrey Horne passiert, nachdem die Bank in die Luft gegangen ist? Was passierte mit Leo Johnson? Und wie zur Hölle geht es mit Dale Cooper weiter, nachdem er in der Black Lodge vom ultimativ Bösen besessen wurde? David Lynch hat in den letzten beiden Episoden zahlreiche Cliffhanger gesetzt, nachdem bekannt wurde, dass er die Serie vorerst begraben musste. Dass in der dritten Staffel alle diese Cliffhanger und Geheimnisse aufgelöst werden, bezweifle ich aber. Lynch weiss, dass „Twin Peaks“ von ungeklärtem Unerklärlichem lebt. Bereits mit „Fire Walk With Me“ begab sich der Filmsurrealist von seiner gewohnten Bahn, da beim Film der ganze Mord an Laura zu sehen war. Spannung lebt aber von der Imagination eines jeden Zuschauers und die wird durch grafische Darstellung immer ein wenig ruiniert. Zudem könnte man laut Lynch die neuen Folgen auch schauen, ohne jemals eine der alten gesehen zu haben. Aber trotzdem gehören die Staffeln zusammen, ein Remake ist es ja auch nicht. Frischer Wind im altbackenen «Twin Peaks» – sounds solid.

Der Cliffhanger schlechthin – Dale Cooper ist nach seiner Rückkehr aus der Black Lodge vom Dämon Bob besessen.
8. Die mega Fangemeinde, die für sich selbst spricht
Als «Twin Peaks» in den frühen 90ern ins Fernsehen kam, saugte er tausende von Zuschauern jede vor ihre Flimmerkiste, um alles über die langsame Geheimnisse in «Twin Peaks» zu erfahren und diese dann am Montag mit Arbeitskollegen und Freunden breit auszudiskutieren. Internet und Streamingdienste gab’s damals noch nicht, weswegen Twin Peaks zum Kollektiverlebnis der Fangemeinde wurde. Und diese wuchs stetig an, ähnlich dem Riesenhype um Zauberlehrling Harry Potter oder der Fantasyfans von Star Wars. Jährlich finden „Twin Peaks“-Festivals statt, auf der eigenen „Twin Peaks“-Wiki kann jedes Detail nachgelesen werden. Deswegen riecht die neue Staffel nach fröhlich-mysteriösen Get-Togethers mit endlos viel „goddamn fine coffee“ und anschliessenden Cherry Pie-Schlachten, so wie es das Filmpodium am 20..52017 mit dem Screening der beiden „Twin Peaks“-Filme getan hat. Hier gehts zu den Impressionen.
9. Und zu guter letzt: Dale Cooper <3
Gibt es einen charmanteren oder gutherzigeren FBI-Agenten als Dale Cooper? Unter uns, ich glaube nicht. Ich gebe es zu, he’s the man, und wenn ich eine Figur aus Film und Fernsehen heiraten könnte, wäre es ganz bestimmt Coop. Darum: Setzt den „damn fine coffee“ auf, schnappt euch einen Donut und los geht’s, ich warte derweilen darauf, dass mir Dale Cooper mit seinem „Thumbs up!“ in meinen Träumen alle Geheimnisse von „Twin Peaks“ ins Ohr flüstert.

Twin Peaks
In der Schweiz können Teleclub-Abonnenten die neuen Folgen ab 25. Mai um 20.15 Uhr auf dem Kanal «Sky Atlantic HD» sehen.
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