Hitler als trotteliger imaginärer Vaterersatz, ein Hitlerjugendkind, das es nicht über sich bringt, einem Hasen das Genick zu brechen, und extravagante Naziuniformen: Regisseur Taika Waititi hat mit «Jojo Rabbit» eine selbsternannte «Anti-fuckface satire» geschaffen, in welcher der zehnjährige Möchtegern-Nazi Jojo allen zeigen will, dass er eben kein Angsthase sei. Seine fanatischen Überzeugungen werden aber plötzlich auf die Probe gestellt, als er entdeckt, dass seine Mutter ein jüdisches Mädchen versteckt. Und die ist so gar nicht so, wie sich Jojo die gehörnten, dämonischen Juden vorgestellt hat.
Taika Waititi ist nicht der Erste, der mit Satire und Humor gegen den Schrecken des Zweiten Weltkriegs vorgehen will. Wie seine Vorgänger – allen voran Charlie Chaplin mit «The Great Dictator» (1940) und Roberto Benigni mit «La vita è bella» (1997) – ist sich Waititi nicht zu schade, Nazis zu verhöhnen: «This film is going to piss off a lot of racists and that makes me very happy», meinte Waititi vor dem Start der Dreharbeiten auf den sozialen Netzwerken. Schön gesagt!
«This film is going to piss off a lot of racists and that makes me very happy» – Taika Waititi
«Jojo Rabbit» erzählt die Geschichte von Jojo (Roman Griffin Davis), der es im Hitlerjugend-Drillcamp nicht über sich bringt, einen Hase abzumurksen. Ist er zu weich, um ein richtiger Nazi zu sein? Viele Freunde hat er nicht, einer davon ist aber eine imaginäre Form seines Idols Adolf Hitler (Taika Waititi), der zwar ziemlich dusselig daherkommt, aber als idealisierter Vaterersatz hinhält. Eines Tages werden Jojos nationalistische Überzeugungen aber ziemlich durcheinandergerüttelt, als er ein jüdisches Mädchen (Thomasin McKenzie) in seinem eigenen Zuhause entdeckt.
Wer Waititis bisherige Filme kennt, weiss Bescheid über seinen tiefschwarzen und trockenen Humor, der aber nie Herzlichkeit und Ernsthaftigkeit ausschliesst. Komik und Tragik sind immer nah beieinander und oft nicht voneinander zu trennen. In der Vergangenheit hat er sein Erzähltalent mit seinen ebenso einfühlsamen wie witzigen Filmen wie «Boy» (2010) und «Hunt for the Wilderpeople» (2016) bewiesen. Auch hat er es mit «Thor: Ragnarok» (2017) geschafft, einen der erfrischendsten modernen Superheldenfilme zu drehen und dabei der Merchandisemaschinerie Marvel seine eigene Handschrift zu verpassen.
Leider ist diese Rechnung in «Jojo Rabbit» nicht ganz aufgegangen. Zu poliert, zu amerikanisch, ja, zu wenig gewagt fühlt sich der Film an. Gerne hätte der Film bissiger sein dürfen – abgefahrener und durchgedrehter. Waititis Hitler beispielsweise wirkt halbherzig und ziellos, obwohl die Idee eines satirischen, «utopischen» Adolf als wortwörtliche Verkörperung eines Vaterkomplexes vielversprechend wäre. Vor allem, wenn er von einem Maori mit jüdischen Wurzeln gespielt wird, dessen komödiantisches Talent unbestritten ist. Es scheint, als hätten falsche Bescheidenheit und Übervorsicht die Produktion des Films beherrscht.
Zu poliert, zu amerikanisch, ja, zu wenig gewagt fühlt sich der Film an. Gerne hätte der Film bissiger sein dürfen – abgefahrener und durchgedrehter
«What better way to insult Hitler than having him portrayed by a Polynesian Jew?» – Taika Waititi, Maori mit jüdischen Wurzeln
Dennoch kann man als Zuschauer fast nicht anders, als grosse Sympathien für den Film zu hegen. Zu verdanken ist das allen voran den beiden Jungschauspielern Roman Griffin Davis und Thomasin McKenzie. Die beiden rührenden Performances – er als Jojo, sie als Jüdin im Versteck – tragen den Film und sorgen dafür, dass der immerhin sechsfach oscarnominierte «Jojo Rabbit» im Grossen und Ganzen herzerwärmend wirkt. Und Rassisten und Nazis durch den Dreck zu ziehen, ist immer willkommen und mitunter einer der effizientesten Wege, dem Hass und seinen Anhängern den Wind aus den Segeln zu nehmen – auch und gerade im Jahr 2020. In dem Sinne gilt also: Film schauen, über Nazis lachen und Rassismus kübeln!
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Kinostart Deutschschweiz: 23.1.2020
Filmfakten: «Jojo Rabbit» / Regie: Taika Waititi / Mit: Roman Griffin Davis, Scarlett Johansson, Taika Waititi, Rebel Wilson, Sam Rockwell, Thomasin McKenzie, Alfie Allen, Stephen Merchent / USA / 108 Minuten
Bild- und Trailerquelle: 2019 Twentieth Century Fox Film Corporation
Waititis Hitler wirkt halbherzig, der Film zu zahm: «Jojo Rabbit» hätte bissiger sein dürfen. Aber über Nazis zu lachen, ist immer gut.
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