«The Hangover» trifft auf «The Farewell»: «Joy Ride» – die Debüt-Komödie der «Crazy Rich Asians»-Drehbuchautorin Adele Lim – ist eine ungehobelt-überdrehte Mischung von Witz und Anspruch, die zu weiten Teilen nicht zusammenpassen will.
Die besten Freundinnen Audrey Sullivan (Ashley Park) und Lolo Chen (Sherry Cola) könnten unterschiedlicher nicht sein: Während die stets korrekte Audrey als Anwältin die Karriereleiter erklimmt, ist Lolo die mittellose Schöpferin sexuell expliziter Kunstwerke. Was sie zusammenschweisst, ist vor allem die gemeinsam verbrachte Kindheit, in der sie als Asian Americans stets Aussenseiterinnenstatus genossen – auch wenn Lolo wiederholt darauf hinweist, dass Audrey sich als Adoptivtochter eines weissen US-Elternpaares selbst sehr «weiss» verhält. Als Audrey von ihrer Anwaltskanzlei für einen Geschäftsabschluss nach China geschickt wird, besteht Lolo darauf, als Übersetzerin mitzukommen. Von da an geht in Komödien-Manier selbstverständlich alles schief, was nur schiefgehen kann. Unterstützt vom non-binären K-Pop-Superfan Deadeye (Sabrina Wu) und Seifenopernstar Kat (Stephanie Hsu) begeben sich die Freundinnen auf eine rasante Reise durch China und Korea.
Wie viel Spass die Zuschauerin an «Joy Ride» haben wird, hängt in erster Linie von ihrem Humor ab: Mag sie die Witze von Mitproduzent Seth Rogen und lacht über die sexuell expliziten Kalauer von Filmen wie «The Hangover» (2009) und «Girls Trip» (2017), ist sie bei «Joy Ride» an der richtigen Adresse. Von Koks bis Kotze – der Film will anecken, und die Protagonistinnen sind ungehobelt, laut und sehen Sex als Quelle von Humor, Befriedigung und Selbstbestimmung. Wilder feministischer Befreiungsschlag oder ermüdende Flegelei in neuem Gewand? Das liegt im Auge des Publikums.
Die sensibleren Ansprüche des Films überzeugen aber viel mehr in der Komik, die nicht nur auf Ekel und Körperlichkeit fusst. Denn hinter dem hyperaktiven Klamauk steht ein Skript (verfasst von Cherry Chevapravatdumrong und Teresa Hsiao), das durchaus Interessantes über die kulturelle Identität von Asian Americans zu sagen hat. So offenbaren sich etwa Audreys verinnerlichte Vorurteile in einer grossartig getakteten Sequenz im Zug von Peking in die chinesische Provinz: Auf der Suche nach freien Sitzplätzen wählt sie automatisch das Abteil einer blonden US-Amerikanerin. Der Rest der Truppe kann Audreys voreingenommene Scheuklappen nicht fassen – immerhin handelt es sich bei der Frau ganz offensichtlich um eine Drogendealerin.
«Die Mischung beider Modi will nie ganz gelingen – vor allem gegen Ende hin nicht, als der Film vehement auf die Tränendrüse drücken will.»
In diesen Momenten von kultureller Spezifität und humoristisch freigelegten Befangenheiten offenbaren sich die Stärken des Films, die über die Kopie eines Seth Rogen, einer Melissa McCarthy oder einer Amy Schumer hinausgehen und «Asien» nicht nur als einen neonbeleuchteten Hintergrund für altbewährte Drogen-Sexkapaden nutzen, sondern als einen Ort, an dem die Figuren humorvoll mit den grossen Fragen der Existenz ringen.
Nur will die Mischung beider Modi nie ganz gelingen – vor allem gegen Ende hin nicht, als der Film vehement auf die Tränendrüse drücken will. Dass die Sentimentalität nicht gänzlich unverdient daherkommt und stellenweise tatsächlich berührt, liegt schliesslich einzig am Charisma des Schauspiel-Quartetts – allen voran Komikerin Sherry Cola, deren krawallig-treue Lolo zum Herzstück des Films wird.
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Kinostart Deutschschweiz: 24.8.2023
Filmfakten: «Joy Ride» / Regie: Adele Lim / Mit: Ashley Park, Sherry Cola, Stephanie Hsu, Sabrina Wu, Ronnie Chieng, Meredith Hagner, David Denman, Annie Mumolo, Daniel Dae Kim / USA / 95 Minuten
Bild- und Trailerquelle: © 2023 Ascot Elite Entertainment. All Rights Reserved.
Rüpeliger Klamauk oder intersektionaler Kampfschrei – das ist wohl eine Frage des Humors. Die Mischung von Witz und Anspruch will in «Joy Ride» allerdings nicht aufgehen.
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