Bei den US-Kongresswahlen im November 2018 erzielten die Demokraten Erfolg um Erfolg – nicht zuletzt dank progressiver Aktivist*innen und Aussenseiter-Kandidat*innen. Die Netflix-Dokumentation «Knock Down the House» von Rachel Lears erzählt vier dieser Geschichten.
Es ist schwer, während dieses inspirierenden Films nicht an eine der bekanntesten Zeilen aus dem Erfolgsmusical «Hamilton» zu denken – Lin-Manuel Mirandas mit People of Colour besetzte Rap-Nacherzählung der Staatsgründung der USA: «This is not a moment, it’s the movement», singt da Alexander Hamilton, als es darum geht, den jungen, wilden Widerstand gegen die Unterdrückung der englischen Krone zu organisieren.
Genau dieser Aspekt liegt den linken Lobbygruppen «Justice Democrats» und «Brand New Congress», in deren Alltag «Knock Down the House» streckenweise Einblick gewährt, am Herzen. Ja, Donald Trump soll so schnell wie möglich aus dem Weissen Haus entfernt werden; doch es ist nicht das Ziel, zu den Verhältnissen zurückzukehren, wie sie vor der Präsidentschaftswahl 2016 herrschten. Denn im jungen, aufgeschlossenen, multikulturellen Amerika brodelt der Zorn – und der richtet sich nicht nur gegen Trump und die Republikaner, sondern gegen das politische Establishment insgesamt: die alte Garde, die sich seit Jahrzehnten allzu kompromissbereit mit der Hochfinanz und den grossen Konzernen zeigt. Es soll eine Bewegung entstehen, welche die amerikanische Politik grundlegend verändert.
Vier dieser Reformerinnen sind Amy Vilela aus Nevada, Cori Bush aus Missouri, Paula Jean Swearengin aus West Virginia und Alexandria Ocasio-Cortez aus New York – progressive Demokratinnen ohne politische Erfahrung, die bei den demokratischen Vorausscheidungen, den sogenannten «Primaries», zu den letztjährigen Kongresswahlen etablierte Kandidaten herausforderten.
Regisseurin Rachel Lears, die dieses Filmprojekt am Tag nach Trumps Wahl in Angriff nahm, heftet sich an die Fersen dieser sehr unterschiedlichen Frauen – von der alleinerziehenden Mutter über die geweihte Pfarrerin bis zur Barkeeperin – und veranschaulicht in intimen Szenen eindrücklich, was alles zu einer modernen politischen Grassroots-Kampagne dazugehört. Es gilt, sich mit Wählergesprächen, auffälligen öffentlichen Events und geschickten Social-Media-Auftritten Gehör zu verschaffen, gegen Gegner die nicht nur über bessere Finanzierung verfügen, sondern auch die Unterstützung des demokratischen Parteiapparates im Rücken haben.
«‹Knock Down the House› macht Hoffnung – und die können wir brauchen.»
Dem Ganzen mag mitunter ein wenig die Balance fehlen – Ocasio-Cortez, die als Einzige ihre Vorwahl gewinnen konnte, ist verständlicherweise die inoffizielle Hauptfigur, dies allerdings auf Kosten von Cori Bush –, doch insgesamt schlägt der mitreissende, berührende, unverhohlen parteiische «Knock Down the House» in die gleiche ideologische und qualitative Kerbe wie der wunderbare «RBG» (2018). Zusammen mit ihren atemberaubenden Protagonistinnen bricht Lears hier eine Lanze für einen staatstragenden und normbasierten Linkspopulismus, der dem grassierenden politischen Zynismus entgegenzuwirken versucht. Das macht Hoffnung – und die können wir brauchen.
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Filmfakten: «Knock Down the House» / Regie: Rachel Lears / Mit: Alexandria Ocasio-Cortez, Paula Jean Swearengin, Amy Vilela, Cori Bush / USA / 87 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Netflix
Rachel Lears' Porträt von vier beeindruckenden Frauen, die es mit der demokratischen Partei-Maschinerie aufnehmen, ist berührend, mitreissend und inspirierend.
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