«Le daim», der neue Film des Musikers und Regisseurs Quentin «Mr. Oizo» Dupieux, ist eine staubtrockene schwarze Komödie mit bescheidenen erzählerischen Ambitionen, aus der vor allem Oscargewinner Jean Dujardin («The Artist») heraussticht.
Dass Quentin Dupieux – der Mann hinter dem mörderischen Autoreifen («Rubber») und den korrupten Polizisten in einer Welt ohne Verbrechen («Wrong Cops») – wie kein Zweiter eine einfache, dafür umso ausgefallenere Prämisse in eine unvergessliche Kuriosität zu verwandeln weiss, ist bekannt. Doch «Le daim» ist selbst für seine Verhältnisse eine simple Angelegenheit: Im Mittelpunkt des Geschehens steht Georges (Jean Dujardin), der sich irgendwo in einem verschlafenen französischen Bergdorf eine Wildlederjacke kauft und der Ansicht ist, er sehe verdammt gut darin aus. Mehr muss, oder sollte, ein Publikum nicht wissen, bevor es sich diesen Film ansieht.
Denn Dupieux verkompliziert diese Ausgangslage so gut wie gar nicht. Anders als noch im vergangenen Jahr, in der wunderbar verwinkelten Kammerspielkomödie «Au poste!», verzichtet er beinahe demonstrativ auf jegliche grössere Überraschung: An die Stelle eines klassischen Plots tritt hier so etwas wie eine lakonisch vorgetragene Eskalation des Status quo – eine Reihe von Ereignissen, teilweise beeinflusst von einer Jungfilmerin (Adèle Haenel) und einem Deckenventilator, welche Georges’ allgemeine Situation kaum verändern.
Wer also im Vorfeld zu viel Recherche betrieben hat, wird sich am Ende wahrscheinlich wünschen, dass Dupieux seine Liebe zur Absurdität hier auf abenteuerlichere Art und Weise ausgelebt hätte. Und tatsächlich wirkt «Le daim» im Vergleich zu einer Brecht’schen Tour de force wie «Au poste!» ein wenig wie eine Ideenskizze, an der noch länger hätte gefeilt werden können.
«Selbst in Skizzenform ist es eine Freude, Dupieux bei der Arbeit zuzuschauen – auch weil er das dumpfe Gefühl, einem unvollendeten Werk beizuwohnen, zu seinem Vorteil nutzt.»
Aber selbst in Skizzenform ist es eine Freude, Dupieux bei der Arbeit zuzuschauen – auch weil er das dumpfe Gefühl, einem unvollendeten Werk beizuwohnen, zu seinem Vorteil nutzt. Je näher das Ende des schlanken 77-minütigen Films rückt, desto mehr Löcher scheinen sich am Rand der Erzählung zu öffnen: Wieso kann Georges ungestört seinem Projekt frönen? Warum reagiert niemand auf die aussergewöhnlichen Dinge, die in diesem kleinen Dorf geschehen? Doch genauso gut könnte man fragen, warum die Aristokraten in Luis Buñuels surrealistischem Meisterwerk «El ángel exterminador» (1962) den offenen Raum, in dem sie sich gefangen fühlen, nicht einfach verlassen: Der genüsslich zur Schau gestellte Verfremdungseffekt gehört zum Konzept – und ist, im Fall von «Le daim», verantwortlich für zahlreiche Lacher.
«Jean Dujardin läuft hier subtil zu Hochform auf.»
Zudem befindet sich der Film in mindestens einem Punkt auf Augenhöhe mit «Au poste!»: War Letzterer das komödiantische Schauspiel-Meisterwerk des Benoît Poelvoorde, läuft hier Jean Dujardin subtil zu Hochform auf. Obwohl der preisgekrönte «The Artist»-Star in bizarrer Aufmachung und mit Rauschebart durch eine himmelschreiend abstruse Geschichte wandert, spielt er den gewissenhaften Georges mit einer Ernsthaftigkeit, die sich jeglicher Komik zu verweigern scheint. Ohne erkennbare Ironie, ohne ersichtliches Bewusstsein darüber, sich in einer Komödie zu befinden, ergänzt Dujardin Dupieuxs lapidar-lakonischen Tonfall perfekt und verdichtet den Film so zu einer anregenden Meta-Auseinandersetzung mit Charlie Chaplins altem Diktum, wonach das Leben nur für Aussenstehende eine Komödie ist.
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Kinostart Deutschschweiz: 8.8.2019
Filmfakten: «Le daim» / Regie: Quentin Dupieux / Mit: Jean Dujardin, Adèle Haenel, Albert Delpy / Frankreich / 77 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Praesens Film
Jean Dujardin ist der Höhepunkt eines witzigen, wunderbar absurden, wenn auch nicht sonderlich aufwendig konzipierten Films. Je weniger man im Vorfeld darüber weiss, desto besser.
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