Jeder stellt sich doch mal die Frage, wie das Leben aussehen würde, wenn man ein kleines bisschen besser wäre. Nicht wie jemand anders, sondern einfach eine bessere Version seiner selbst, ein optimiertes Ich sozusagen, das weniger prokrastiniert, Chancen konsequent ergreift und ausnahmslos präsent ist. Mit dieser Frage beschäftigt sich die Comedy-Serie «Living with Yourself» von Emmy-Gewinner Timothy Greenberg mit dem bezaubernden Paul Rudd in der Hauptrolle.
Die allererste Szene der Serie zeigt wie sich ein Mann (Paul Rudd), in Plastik gepackt, in einem Wald aus der Erde gräbt und sichtlich verwirrt, verzweifelt und nur mit einer Windel bekleidet umherirrt. Durch Flashbacks wird die Prämisse der acht Episoden der Netflix-Serie erklärt: Der Mann aus dem Grab heisst Miles Elliot, er fühlt sich im Trott des Alltags gefangen und hat offenbar depressive Tendenzen. Exemplarisch dafür ist eine Situation im Büro, wo Miles eine Fliege erschlägt und diese Handlung lakonisch mit der Aussage «You’re welcome» quittiert.
Miles ist sichtlich unzufrieden und erfolglos in seinem Job und die Beziehung zu seiner Frau Kate (Aisling Bea) läuft auch nicht besser. Er geht deshalb auf Anraten eines Arbeitskollegen in einen Spa. Dort erwarten ihn jedoch keine Massagen und Wickel – vielmehr wird seine DNA dazu verwendet, einen genetisch verbesserten Klon seiner selbst herzustellen. Miles der Klon wacht nach der «Behandlung» im Spa auf, im Glauben, der echte Miles zu sein, während der originale Miles, totgeglaubt, im Wald verscharrt wird. Nachdem sich Letzterer befreien kann und halbnackt seinen Weg nach Hause findet, treffen die beiden Miles aufeinander.
«‹Living with Yourself› ist eine Serie mit Tiefgang, die einem teilweise auf unangenehme Weise den Spiegel vorhält, jedoch seinen Charakteren mit so viel Empathie begegnet, dass auch beim Zuschauer ein versöhnlicher Effekt bleibt.»
Nun gibt es also zwei Miles, jedoch nur ein Leben, ein Haus, einen Job – und eine Ehefrau. Die beiden stehen fortan in jedem Lebensbereich in Konkurrenz miteinander und, zumindest zu Beginn, ist es für das Publikum höchst befriedigend mitanzusehen, wie Klon-Miles mit seiner Zielstrebigkeit und Produktivität das Leben von Original-Miles auf Vordermann bringt. Bei blosser Unterhaltung bleibt es jedoch nicht: «Living with Yourself» ist eine Serie mit Tiefgang, die einem teilweise auf unangenehme Weise den Spiegel vorhält, jedoch seinen Charakteren mit so viel Empathie begegnet, dass das auch beim Zuschauer versöhnliche Gefühle auslöst.
«Die Absurdität der Geschichte bietet viel Spielraum für humorvolle Szenen, in denen Paul Rudd seine Stärken zeigen kann.»
Es geschieht viel innerhalb der acht halbstündigen Folgen, und trotz der Komplexität der Charakterbeziehungen, der vielen Flashbacks in der Erzählung und der surrealen Prämisse, sorgen die Performances von Rudd und Bea dafür, dass man weiterschauen möchte. Die persönliche Storyline ist dabei ganz klar stärker als ein Subplot um Miles‘ grosses Job-Projekt. Die Absurdität der Geschichte bietet zudem viel Spielraum für humorvolle Szenen, in denen Paul Rudd seine Stärken zeigen kann. Es gelingt ihm, die beiden Miles als unterschiedliche Charaktere auszufüllen, und er erzeugt sowohl als mitleidserweckender Loser als auch als charismatischer Strahlemann Lacher.
«Indessen wirkt das Ende der letzten Folge zwar überraschend, doch selbst in dieser surrealen fiktiven Welt sehr unglaubwürdig.»
Zu erwähnen ist an dieser Stelle auch die makellose Technik, die es ermöglicht, den doppelten Rudd glaubwürdig in derselben Szene zu zeigen. Die Skurrilität und der Humor der Serie wird ausserdem wunderbar durch den Soundtrack untermalt. Indessen wirkt das Ende der letzten Folge zwar überraschend, doch selbst in dieser surrealen fiktiven Welt sehr unglaubwürdig. Es scheint erzähltechnisch nur dem Zweck zu dienen, die Basis für eine zweite Staffel zu legen – ein unnötiger Abschluss für eine ansonsten originelle und unterhaltsame Serie.
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Bild- und Trailerquelle: Netflix
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