Netflix‘ fantastischer, morbider und nicht immer jugendfreier Animations-Trip geht in die zweite Runde: Acht Kurzfilme von Filmschaffenden aus aller Welt erzählen von mörderischen Robotern, gruseligen Weihnachtsmännern und dystopischen Zukunftsvisionen. Die zweite Staffel der Anthologienserie «Love, Death & Robots» macht einiges besser als der erste Durchgang, ist aber insgesamt dennoch eher uninspiriert geraten.
Man kann Netflix einiges vorwerfen, aber zumindest in Bezug auf Animation gibt der Streamingdienst ordentlich Gas. Seit Jahren investiert Netflix viel Geld in Animationsprojekte, die bei grossen Studios keinen Platz finden, weil sie etwa zu experimentell («Klaus»), zu absurd («The Willoughbys») oder nicht familientauglich («BoJack Horseman») sind. Für viele Filmschaffende, welche die Grenzen der Technik ausloten möchten, ohne auf ein breites Publikum zu verzichten, ist Netflix somit zu einem wichtigen Player im Trickfilmbusiness geworden.
Das merkten auch David Fincher («Fight Club», «Mank») und Tim Miller («Deadpool»), die mit ihrer Idee einer animierten Science-Fiction-Anthologie bei Netflix auf offene Ohren stiessen. Und so erschienen im Frühling 2019 unter der Federführung von Miller gleich 18 animierte Kurzfilme von verschiedenen Regisseuren, die neben ihrer Form eines gemein hatten: Was hier gezeigt wurde, war definitiv nichts für kleine Kinder. Der erste Durchgang von «Love, Death & Robots» sparte nicht an brutalen Szenen und Splatter, Grusel und Science-Fiction, und leider auch nicht an Mysogynie. Viele der 18 ausschliesslich von Männern umgesetzten kurzen Filme machten Frauen zu Opfern und Objekten: Vergewaltigung als Plot-Point, weibliche Nacktheit als Stilmittel – eine Male-Gaze-Anthologie, quasi.
«Der erste Durchgang von ‹Love, Death & Robots› sparte nicht an brutalen Szenen und Splatter, Grusel und Science-Fiction, und leider auch nicht an Mysogynie.»
Die Kritik war entsprechend laut, und es scheint, als hätte Miller sie tatsächlich gehört. Und auch teilweise umgesetzt. In der zweiten, nur noch acht Folgen umfassenden Staffel fehlen Erzählungen, die Frauen unnötig objektivieren, wie «The Witness» aus Staffel 1 gänzlich. Ein schwacher Trost, angesichts der Tatsache, dass sich die Geschichten auch diesmal immer noch fast ausschliesslich um Männer drehen. Und um Frauen, die sie begehren. Mit Jennifer Yuh Nelson («Kung Fu Panda 2») ist in der zweiten Staffel zwar eine der vielversprechendsten Erzählerinnen der Animationsindustrie als Co-Showrunnerin und Regisseurin an Bord – dass sie bei acht Kurzfilmen die einzige Frau ist, ist indes bitter.
Erst recht, weil sie mit «Pop Squad» einen der besseren Filme dieser zweiten Staffel kreiert hat: einen Film, der ein ambitioniertes Konzept über futuristische Parallelgesellschaften gekonnt in knappe 18 Minuten packt und uns dabei eindrücklich in die Seele des Protagonisten blicken lässt. Yuhs kurzer Film mag inhaltlich überzeugen; optisch ist der allzu stark an dystopische Visionen à la «Blade Runner» (1982) angelehnte Film ambitioniert, aber stinklangweilig. Dazu kommt der unangenehm klinische und bemüht fotorealistische Look, den sich «Pop Squad» mit zahlreichen Beiträgen von «Love, Death & Robots» teilt. Statt der angestrebten Echthheit schafft diese Ästhetik stets eine künstliche Distanz zu den Figuren.
Auch «Snow in the Desert» von Léon Bérelle, Dominique Boidin, Rémi Kozyra und Maxime Luère, ein «Mad Max»–«Star Wars»-Hybrid über einen übermenschlichen Einzelgänger, der von fiesen Kopfgeldjäger*innen gejagt wird, setzt auf diesen seelenlosen Hyperrealismus. In Kombination mit seiner langfädigen und vorhersehbaren Erzählung geht dieser Kurzfilm rasch vergessen. Immerhin: Die Franzosen, in der ersten Staffel noch für die misslungenste Sexszene in «Beyond the Aquila Rift» zuständig, haben sich diesmal etwas besser im Griff. Immerhin.
«Dass es auch ohne schlechten CG-Sex geht, beweist Simon Otto, der mit ‹The Tall Grass› einen überzeugenden Grusler schafft, der von einem im Nirgendwo gestrandeten Zug und dessen Passagier erzählt.»
Dass es auch ohne schlechten CG-Sex geht, beweist Simon Otto, der mit «The Tall Grass» einen überzeugenden Grusler schafft, der von einem im Nirgendwo gestrandeten Zug und dessen Passagier erzählt. Der Schweizer, der bisher vor allem als Charakterdesigner für DreamWorks‘ «How to Train Your Dragon» in Erscheinung getreten ist, setzt auf einen groben, reduzierten Stil, der, passend zur Geschichte, viel erahnen lässt, aber längst nicht alles verrät. Nach über 20 Jahren bei DreamWorks empfiehlt sich Otto mit diesem Film nun endgültig für grössere Regiearbeiten.
Wenn es um visuelle Verspieltheit geht, dann kann aber auch diesmal niemand Robert Valley das Wasser reichen. Der Regie-Veteran («Tron: Uprising») kehrt nach dem grossartig philosophischen «Zima Blue» auch für die zweite Staffel zurück und schickt in «Ice» eine Schar Jugendlicher auf die Suche nach einem Adrenalinkick. Mit seinen harten Schatten und seinen überdrehten Perspektiven ist das visuell so beeindruckend, dass man dem Film seine grauenhafte erzählerische Plumpheit beinahe verzeihen würde.
Aber damit ist Valley in bester Gesellschaft. Generell wirkt die zweite Staffel von «Love, Death & Robots» unfertig. Daran krankte schon die erste Staffel – dort fiel es aber im Verhältnis weniger stark auf. Diesmal fehlen die grossen Ausreisser, die darüber hinwegtäuschen, dass ein Grossteil der kurzen Filme wirkt, als wüssten die zuständigen Personen selber nicht so genau, was sie erzählen wollten.
So etwa Tim Millers eigener Beitrag «The Drowned Giant», der angenehm philosophisch die Anwesenheit einer übergrossen Leiche am Strand erörtert, letztlich aber zu lange braucht, um nicht auf den Punkt zu kommen. Dasselbe Problem plagt auch «Automated Customer Service» des Kollektivs Meat Dept., in dem ein wild gewordener Staubsauger alte Menschen jagt. Angedacht als Satire auf unsere Tech-Abhängigkeit und den Abbau des persönlichen Kundendienstes, hört dieser Kurzfilm viel zu früh auf, lustig zu sein.
«Diese zweite Staffel von ‹Love, Death & Robots› ist weder visuell noch erzählerisch so spannend, wie das eine animierte Science-Fiction-Anthologie sein könnte – nein, müsste.»
Diese zweite Staffel von «Love, Death & Robots» ist bestenfalls eine durchzogene Angelegenheit. Tim Millers Serie ist weder visuell noch erzählerisch so spannend, wie das eine animierte Science-Fiction-Anthologie sein könnte – nein, müsste. Obschon auch in der zweiten Staffel zahlreiche spannende Ideen vorhanden sind, hapert es bei der Umsetzung derselben. Es sind letztlich die beiden DreamWorks-Veteran*innen Jennifer Yuh Nelson und Simon Otto, die dafür sorgen, dass der zweite Durchgang von «Love, Death & Robots» keine komplette Bauchlandung ist. So oder so ist man als Zuschauer*in versucht, von Glück zu reden, dass die zweite Staffel so viel kürzer ausgefallen ist als die erste.
Über «Love, Death & Robots» wird auch in Folge 27 des Maximum Cinema Filmpodcasts diskutiert.
Die gleiche Folge enthält ein Interview mit Simon Otto, dem Regisseur der «Love, Death & Robots»-Episode «The Tall Grass».
–––
Jetzt auf Netflix Schweiz
Serienfakten: «Love, Death & Robots» (2. Staffel) / Creator: Tim Miller / USA / 8 Episoden à 7–18 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Netflix
Der zweiten Staffel von «Love, Death & Robots» fehlt es an Lockerheit: Wirre, unfertige Geschichten und ein fader, immer gleicher Look sorgen hier für Ernüchterung.
No Comments