125 KünstlerInnen aus der ganzen Welt erwecken in nahezu 70’000 einzelne Ölgemälden das Schaffen von Vincent van Gogh zum Leben. «Loving Vincent» ist nicht nur visuell ein eindrückliches Werk, sondern auch eine berührende Ode an einen Zeit seines Lebens unterschätzten Maler.
Der semibiografische Animationsfilm von Dorota Kobiela & Hugh Welchman befasst sich mit den bis heute ungeklärten Umständen von Vincent van Goghs Tod. Hat sich der melancholische Maler tatsächlich selbst gerichtet, oder wurde er etwa Opfer eines Verbrechens?
«Loving Vincent» setzt ein Jahr nach dem Tod von Vincent van Gogh ein und erzählt die Geschichte von Armand Roulin, der im Auftrag seines Vaters einen Brief von Vincent an dessen Bruder überbringen soll. Dabei stösst er auf Ungereimtheiten in Bezug auf den Tod des Malers, denen er auf den Grund zu gehen versucht. Dass Kobiela und Welchman nicht Vincent selber zum Protagonisten der Geschichte machen, ist ein geschickter Kniff, der der Erzählung Schwung verleiht. In bester «Whodunit»-Manier sind wir auf die Gerüchte und Meinungen der Bekanntschaften von Vincent angewiesen – und lassen uns in unserem Bild des Malers auch davon beeinflussen. Es wäre zwar etwas vollmundig, «Loving Vincent» deswegen als Krimi zu bezeichnen – aber eine ordentliche Prise Spannung ist auf jeden Fall vorhanden.
Obschon «Loving Vincent» ein Animationsfilm ist, sind hier «echte» Schauspieler am Werk. Der Grund dafür ist wie schon bei «Tehran Taboo» die Technik der Rotoskopie, wo echte Filmaufnahmen in Einzelbilder zerlegt werden und Bild für Bild nachgezeichnet werden. In der Branche ist diese Technik ein bisschen verpönt und wird gar als «Animation für Faule» verschrien. Angesichts des ohnehin schon beträchtlichen Aufwands durch die fast 70’000 einzeln angefertigten Ölgemälde kann man den Machern von «Loving Vincent» aber eindeutig keinen Vorwurf machen, wenn sie sich die Arbeit zumindest ein bisschen erleichtern wollen. Mit Douglas Booth, Chris O’Dowd, Jerome Flynn, Saoirse Ronan, Helen McCrory und Aidan Turner haben sie zudem einen soliden Cast versammelt, der diese Figuren eindrücklich zum Leben erweckt und ohne die eindeutig etwas fehlen würde.
Von der Leinwand auf die Leinwand
Was die visuellen Aspekte betrifft, so geht die Rechnung des Regieduos auf. Die Übertragung der Gemälde des Malers in eine filmische Form gelingt bestens und führt immer wieder zu sehr schönen Bildideen. Dass die Machart nicht verheimlicht, sondern zelebriert wird, zeichnet «Loving Vincent» aus. Kobiela und Welchman erwecken die Bilder von van Gogh mit ihrer Umsetzung eindrücklich zum Leben und lassen den Zuschauer in diese bunten und gleichzeitig tristen Bildwelten eintauchen. Etwas enttäuschend ist der fehlende Mut zur Abstraktion, den van Goghs Arbeiten so prägt. Die rotoskopierten Figuren sehen dann eben doch sehr menschlich aus, was vermutlich den teuren Schauspielern geschuldet ist. Speziell in den schwarzweiss gehaltenen Rückblenden verliert der Film so immer wieder seinen Bezug zum Werk von Vincent van Gogh. Da wäre etwas mehr Mut sicher nicht verkehrt gewesen.
Nichtsdestotrotz vermag «Loving Vincent» zu überzeugen. Hugh Welchman und Dorota Kobielas Regiedebüt lebt von seinen prächtigen Bildwelten und der differenzierten Figurenzeichnung. Dazu noch Clint Mansells berührende, awardverdächtigen Klänge und fertig ist einer der interessantesten Animationsfilme der letzten Jahre.
Regie: Hugh Welchman & Dorota Kobiela / Darsteller: Douglas Booth, Chris O’Dowd, Jerome Flynn, Saoirse Ronan, Helen McCrory, Aidan Turner.
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