Nach Jacqueline Kennedy und Diana Spencer wendet sich Pablo Larraín nun Maria Callas zu – mit mässigem Erfolg: «Maria» ist simpel gestricktes Künstelkino ohne Tiefgang.
Schon zum dritten Mal heftet sich der chilenische Filmemacher Pablo Larraín («Ema», «El Conde») an die Fersen einer berühmten Frau in einer Ausnahmesituation. In «Jackie» (2016) liess er die Titelfigur, Jacqueline «Jackie» Kennedy (Natalie Portman), um ihren kürzlich ermordeten Eheman, US-Präsident John F. Kennedy, trauern – und einen ausladenden Trauerzug für ihn vorbereiten, um ihn für immer im amerikanischen Bewusstsein zu verankern. In «Spencer» (2021) war Diana, Princess of Wales (Kristen Stewart), an der Reihe, die beim weihnachtlichen Aufeinandertreffen der englischen Königsfamilie an den Rande des Nervenzusammenbruchs getrieben wird.
Und jetzt also Maria Callas, die 1977 im Alter von 53 Jahren verstorbene Operndiva schlechthin. Verkörpert wird sie in «Maria», geschrieben von «Spencer»-Drehbuchautor Steven Knight, von Angelina Jolie («Girl, Interrupted», «Mr. & Mrs. Smith»); und die Krise, die sie durchleben muss, ist die der letzten Woche in ihrem Leben.

Angelina Jolie in «Maria» / © Pathé Films AG
Öffentlich gesungen hat «La Callas», wie sie von ihren Bewunderern genannt wird, seit Jahren nicht mehr. Ihre Tage verbringt sie in einem durch Tablettensucht induzierten Dämmerzustand, verloren in Erinnerungen an ihren einstigen, inzwischen verstorbenen Partner, den Milliardär Aristoteles Onassis (Haluk Bilginer) – notabene der zweite Ehemann von Jackie Kennedy –, in Halluzinationen eines sie über ihr Leben ausfragenden Fernsehreporters (Kodi Smit-McPhee), im Traum, noch einmal zu alter Gesangsstärke zurückzufinden. Ihre einzigen wahren Bezugspersonen sind ihre Haushälterin Bruna (Alba Rohrwacher) und ihr Butler Ferruccio (Pierfrancesco Favino), die sich bemühen, Marias Medikamentenkonsum einigermassen unter Kontrolle zu halten und sie dazu zu bringen, ihre Arzttermine wahrzunehmen.
«‹Maria› bleibt bis zuletzt die Erklärung schuldig, was genau Larraín und Knight mit ihrer luft- und blutleeren Callas-Elegie zu bezwecken gedenken.»
Wie schon «Jackie» und «Spencer» ist auch «Maria» ein hermetisch versiegelter filmischer Sarkophag: ein wunderschönes, opulent ausgestattetes Objekt – von Kameramann Edward Lachman («The Virgin Suicides», «Carol») mit allerlei Farb-, Filmmaterial- und Linsenspielereien auf maximalen Fünfziger-, Sechziger- und Siebzigerjahre-Retro-Chic getrimmt –, das seine psychisch und physisch ausgelaugte Protagonistin in ihrem luxuriösen Umfeld einpfercht und langsam erstickt.
Doch während «Jackie» in diesem Rahmen sowohl die Grenzen des Biopic-Genres ausreizte als auch einen anregenden Kommentar über die Mechanismen des modernen amerikanischen Polittheaters vorlegte, und «Spencer» dank Kristen Stewarts Performance immerhin eine etwas andere Diana als üblich präsentierte, bleibt «Maria» bis zuletzt die Erklärung schuldig, was genau Larraín und Knight mit ihrer luft- und blutleeren Callas-Elegie zu bezwecken gedenken.

Angelina Jolie und Haluk Bilginer in «Maria» / © Pathé Films AG
Vom schwerfälligen Prolog, in dem die Kamera bedeutungsschwanger ins Zimmer linst, in dem Callas‘ Leiche liegt, und in welchem dem Publikum eine Clipshow von Angelina Jolie in klassischen Callas-Rollen vorgesetzt wird, über die vielen umständlichen Szenen, in denen die Protagonistin nachdrücklich tragisch, aber weitgehend unspezifisch vor sich hinleidet, bis hin zum etwas willkürlich wirkenden Schlussbild: Es scheint, als hätte «Maria» nichts Handfestes über seine illustre Hauptfigur zu sagen.
Marias Evolution von der schüchternen jungen Frau, die im Griechenland des Zweiten Weltkriegs SS-Soldaten «vergnügen» muss, damit sich ihre Mutter einige hundert Drachmen dazuverdienen kann, zur Weltenbürgerin in den innersten Kreisen der Nachkriegs-Hautevolee, bevor sie zum Opfer des zeitgenössischen Celebrity-Kults wird, wäre eine in allen Belangen faszinierende Geschichte. Doch Larraín und Knight zeigen herzlich wenig Interesse daran, diese emotionalen Tiefen ernsthaft auszuloten: Folgenschwere Episoden aus Marias Leben werden in Rückblenden angedeutet, hallen in der erzählerischen Gegenwart des Films aber kaum wider. Sei es die traumatische Kindheit, der frühe Durchbruch oder der Tod von Onassis: Alle Wege führen letztlich wieder zu Angelina Jolie, die in ästhetisch-starren Kompositionen gefangen gehalten wird und die immer gleiche Mischung aus mysteriöser Melancholie und sprunghafter Verschrobenheit ausstrahlt.
«Alle Wege führen letztlich wieder zu Angelina Jolie, die in ästhetisch-starren Kompositionen gefangen gehalten wird und die immer gleiche Mischung aus mysteriöser Melancholie und sprunghafter Verschrobenheit ausstrahlt.»
Auch die symbolische Strahlkraft von Callas‘ Leben wird von dieser allzu simplen Vision ins Belanglose reduziert. Zwischen den Zeilen von «Maria» lässt sich herauslesen, dass «La Callas» eine Marke ist, ein Emblem für das Wiedererstarken der europäischen Kultur nach dem Horror der Vierzigerjahre – kuratiert von einer Frau, die früh lernen musste, dass dies ihr grösster Trumpf in einer männerdominierten Kunstwelt ist. Die dramatischen Prioritäten des Films liegen aber anderswo: bei Steven Knights plumpen, bisweilen peinlichen Versuchen, über Kunst zu philosophieren («A song should never be perfect»), bei Marias romantischen Verstrickungen – man erkennt die Männerhandschrift bei der Charakterisierung –, bei der selbstlosen Hingabe ihrer Bediensteten, bei der bildgewaltig sterbenden Exzentrikerin.

Angelina Jolie in «Maria» / © Pathé Films AG
«Ein zähes, emotional frustrierend rudimentär gestricktes Stück Protzkino.»
In «Jackie» und «Spencer» liess sich wenigstens noch argumentieren, dass das Ausblenden jedweden Kontexts es Larraín erlaubte, einer ikonischen Persönlichkeit auf Augenhöhe zu begegnen und sie abseits der sie umgebenden popkulturellen Narrative kennenzulernen. In «Maria» geht diese Gleichung aber nicht mehr auf, will der Film doch intime Momentaufnahme und umfassende Biografie zugleich sein. Das Resultat ist ein zähes, emotional frustrierend rudimentär gestricktes Stück Protzkino, das ausser hübschen Bildern und tiefenloser Künstlichkeit sehr wenig zu bieten hat.
Über «Maria» wird auch in Folge 82 des Maximum Cinema Filmpodcasts diskutiert.
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Kinostart Deutschschweiz: 6.2.2025
Filmfakten: «Maria» / Regie: Pablo Larraín / Mit: Angelina Jolie, Pierfrancesco Favino, Alba Rohrwacher, Haluk Bilginer, Kodi Smit-McPhee, Stephen Ashfield, Valeria Golino / Italien, Deutschland, USA / 124 Minuten
Bild- und Trailerquelle: © Pathé Films AG
Ästhetische Bildfolgen und prunkvolle Ausstattung machen noch keinen guten Film. Pablo Larraíns zähes, emotional oberflächliches Maria-Callas-Porträt «Maria» ist das beste Beispiel dafür.
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