Mit seiner Netflixserie «Mindhunter» springt David Fincher gekonnt auf den True Crime-Trend auf. Und schliesst zugleich an eigene Klassiker wie «Zodiac» oder «Se7en» an.
Das True Crime-Genre geniesst zurzeit ein Revival: Seit dem überragenden Erfolg von Podcasts wie «Serial» oder Fernsehserien wie «Making a Murderer» ist die Faszination mit wahren Verbrechen längst im Mainstream angekommen. Mit der Krimiserie «Mindhunter» schliesst Regisseur David Fincher an diesen Trend an. Denn sie erzählt die wahre Geschichte hinter dem Aufbau der Profiling-Abteilung des FBI, die „Serial Crimes Unit“, in den Siebzigerjahren. So begegnen True Crime-LiebhaberInnen denn auch einige bekannte Gesichter: Serienmörder wie Ed Kemper, Richard Speck, oder Dennis Rader alias der BTK-Killer. Mit der Hilfe der Psychologieprofessorin Wendy Carr (Anna Torv) bauen die beiden FBI-Agenten Holden Fort (Jonathan Groff) und Bill Tench (Holt McCallany) eine völlig neue Art der kriminologischen Untersuchung auf. Mithilfe von Interviews mit gefassten Serienmördern (nicht einmal diesen Begriff existierte davor) erhoffen sich Fort und Co. Einblicke in die Psychologie hinter deren Gräueltaten um – so die Hoffnung – in Zukunft Verbrechen dieser Art besser und schneller aufzuklären. Ein Unterfangen das in den immer noch konservativen Siebzigerjahren auf wenig Verständnis, geschweige denn Wohlwollen stösst.
Was macht einen Menschen zum Monster?
Im Gegensatz zu herkömmlichen Krimiserien dreht sich «Mindhunter» also nicht um das klassische Whodunit; hier geht es um die viel tiefgreifendere Fragen nach den Ursachen des Bösen: Was macht einen Menschen zum Monster? Wie kann jemand anderen Menschen solch undenkbare Gewalttaten antun? Und wie gehen wir als Gesellschaft mit dem Bösen in unserer Mitte um? Anstelle eines rasanten Katz-und-Maus-Spiels zwischen Ermittler und Mörder, zeigt «Mindhunter» auf langsame und ruhige Weise, welche Folgen eine Auseinandersetzung mit dem Bösen haben kann. Die Interviews mit den Serienkillern über ihre Verbrechen hinterlassen denn auch ihre Spuren an den beiden FBI-Agenten Fort und Tench. Zwischen Faszination und Abscheu gleiten die beiden immer tiefer in die Abgründe der kriminellen Psyche. Besonders gekonnt verkörpert diese Spannung Jonathan Groff, der seine Figur Holden Fort mit einer unheimlichen Kombination von spiessiger Naivität und fast schon perversen Neugier für die Mörder spielt. Erwähnenswert ist nicht zuletzt auch die schauspielerische Leistung von Cameron Britton als Serienmörder Ed Kemper schauerhaft gekonnt die Banalität des Bösen verkörpert.
Die kalt-graue Ästhetik der Bilder, für welche David Fincher bekannt ist, prägt dabei nicht nur die beiden ersten, von Fincher gedrehten Episoden, sondern zieht sich durch die ganze Staffel. Sie steht paradigmatisch für das zunehmende Gefühl der Beklommenheit durch die Konfrontation mit dem Bösen das sich immer mehr auch bei den Zuschauern einstellt. Die Bedrohung, so die Erkenntnis des FBI-Teams, ist stets unter uns. Diese Botschaft unterstreicht «Mindhunter» nicht nur in der visuellen Gestaltung, sondern auf allen Sinnesebenen. So sind etwa die Szenen rund ums FBI-Hauptquartier Quantico diskret mit dem Geräusch ferner Gewehrschüsse untermalt – eine auditive Erinnerung, dass die Gewalt in «Mindhunter» stets mitschwingt.
Die erste Staffel von «Mindhunter» ist auf Netflix zu sehen, eine zweite wurde bereits angekündigt.
Bild- und Trailerquelle: Netflix
Regie/Produzent: David Fincher u.a. / DarstellerInnen: Jonathan Groff, Holt McCanally, Hannah Gross, Anna Torv, Cameron Britton uvm.
No Comments