Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha erzählen in «My Favourite Cake», ihrem dritten gemeinsamen Spielfilm, eine universelle Geschichte über Einsamkeit und die Suche nach Liebe. Für die darin verwobene Kritik an der staatlichen Repression im Iran wurden sie vom Regime mit einem Ausreiseverbot bestraft.
Die 70-jährige Mahin (Lily Farhadpour) lebt allein in einer schönen Wohnung in Teheran. Ihr Ehemann ist schon vor 30 Jahren verstorben, und Mahins Sozialleben ist seither immer weiter verkümmert. Ihre Kinder sind ins Ausland gezogen und auch ihre Freundinnen sieht sie nur noch selten. Altersbeschwerden und die schwierige wirtschaftliche Lage erschweren die soziale Teilhabe umso mehr.
Doch eines Tages rafft sich Mahin auf und trifft die Entscheidung, sich aus ihrer Einsamkeit zu befreien. Nach einigen unbeholfenen Anläufen begegnet sie in einem Restaurant für Pensionierte dem alleinstehenden Taxifahrer Faramarz (Esmail Mehrabi) und lädt ihn zu sich nach Hause ein. Nicht zuletzt dank des Weinvorrats, den Mahin seit Jahren versteckt hält, nähern sich die beiden behutsam einander an, und geben sich dem freudvollen Gefühl gegenseitiger Geborgenheit immer mehr hin.
Seine Geschichte erzählt «My Favourite Cake» auf angenehm entschleunigte, unaufgeregte Art und Weise. Das Regieduo Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha («Ballad of a White Cow») verzichtet auf unnötige Klischees und übertriebene Emotionalisierung. Mit präzisen Beobachtungen gelingt es den beiden, das Publikum an Mahins Einsamkeit und ihrer Sehnsucht nach zwischenmenschlicher Nähe ebenso teilhaben zu lassen wie an ihrem Bestreben, ihre Isolation zu überwinden.
Lily Farhadpour verkörpert ihre Heldin dabei ohne viel Pathos als eine Frau, der das Ausbrechen aus der Isolation zwar viel Kraft abverlangt, die dann aber mit umso mehr Mut auf der Suche nach ihrem persönlichen Glück voranschreitet. Im Zusammenspiel mit Esmail Mehrabi, der den alten Taxifahrer Faramarz sympathisch-kauzig und von leiser Melancholie umspielt darstellt, entfaltet sich eine verspielte, herzergreifende Dynamik.
«Ihre universelle Geschichte von Einsamkeit und der Suche nach Liebe verweben Moghaddam und Sanaeeha mit subtiler, aber nicht minder scharfer Kritik am gegenwärtigen iranischen Regime.»
Ihre universelle Geschichte von Einsamkeit und der Suche nach Liebe verweben Moghaddam und Sanaeeha mit subtiler, aber nicht minder scharfer Kritik am gegenwärtigen iranischen Regime, sei es, wenn sich Mahin das Leben vor der Islamischen Revolution in Erinnerung ruft oder wenn sie – aus Angst, bei den Behörden angeschwärzt zu werden – Faramarz an den neugierigen Blicken ihrer Nachbarin vorbei in die Wohnung schleust. So wird Mahins Suche nach ihrem persönlichen Glück eben auch zum Versuch, aus der Unterdrückung eines Regimes auszubrechen, dessen repressive Methoden nicht nur im öffentlichen Raum wirken, sondern bis tief hinein in die eigenen vier Wände und das persönliche Intimleben reichen. Ein Regime, so stellt der Film klar, das zwar seine Bürgerinnen und Bürger unterdrückt, es dabei aber nicht fertigbringt, für wirtschaftliche Stabilität und Sicherheit zu sorgen.
«‹My Favourite Cake› gelingt es, universelles Erzählkino und politisches Kino auf kunstvolle und raffinierte Weise zu vereinen.»
Diese Kritik ist wohl auch den iranischen Sittenwächtern nicht entgangen, haben sie Moghaddam und Sanaeeha doch mit einem Ausreiseverbot belegt, womit sie die beiden daran hinderten, an der Weltpremiere ihres Films an der diesjährigen Berlinale teilzunehmen. Vielleicht ist dies auch als Beweis dafür zu verstehen, wie gut es «My Favourite Cake» gelingt, universelles Erzählkino und politisches Kino auf kunstvolle und raffinierte Weise zu vereinen.
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Kinostart Deutschschweiz: 24.10.2024.
Filmfakten: «My Favourite Cake» («کیک محبوب من», «Keyk-e mahbub-e man») / Regie: Maryam Moghaddam, Behtash Sanaeeha / Mit: Lily Farhadpour, Esmail Mehrabi / Iran, Frankreich, Schweden, Deutschland / 97 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Cineworx GmbH
Gekonnt verwebt «My Favourite Cake» universelles Erzählkino mit subtiler, aber nicht minder scharfer Kritik am iranischen Regime und an der Unterdrückung seiner Bürgerinnen und Bürger.
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