Anlässlich des nationalen Frauenstreiktags vom 14. Juni 2019 stellt die Maximum-Cinema-Redaktion ihre Lieblingsfilme zum Thema Frauenrechte vor.
Am 14. Juni 2019 findet nach 1991 der zweite nationale Frauenstreik statt. Die streikenden Frauen fordern gleichen Lohn für gleiche Arbeit, eine bessere Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familienleben sowie bessere Entlöhnung und mehr Anerkennung für Care-Arbeit, die hauptsächlich von Frauen geleistet wird. Das haben wir zum Anlass genommen, unsere Lieblingsfilme zum Thema Frauenrechte vorzustellen.
«Die göttliche Ordnung» von Petra Volpe
Das Frauenstimmrecht wurde in der Schweiz erst 1971 eingeführt – eigentlich kein Grund zum Lachen. Mit Petra Volpes «Die göttliche Ordnung» (2017), einem der erfolgreichsten Schweizer Filme der letzten Jahre, ist es doch möglich: Kein Sich-Lustigmachen über unsere achso-rückständigen Vorväter und -mütter – vielmehr merkt man immer wieder, wie man auch über sich und seine Vorurteile lacht. Besonders schön ist, dass das Schubladendenken ausgehebelt wird. Dass Männer mehr Rechte haben als Frauen, so zeigt der Film eindrücklich, davon profitieren auch Frauen und darunter leiden auch Männer. Anhand einer kleinen Gemeinde wird gezeigt, wie eng Politik und Privatleben verwoben sind, wie vielschichtig und kompliziert die Emanzipation war – und ist. / Karla Koller / Zur ausführlichen Kritik
«Female Pleasure» von Barbara Miller
Wo Frauenrechte thematisiert werden, muss (leider) immer auch über Gewalt an Frauen und Sexismus gesprochen werden. «Female Pleasure» (2018) hat einen Beitrag zur im letzten Jahr entbrannten #MeToo-Debatte geleistet, allerdings ohne spezifische Verbrechen und Täter in den Vordergrund zu stellen. Gezeigt werden fünf sehr unterschiedliche Frauen aus unterschiedlichen Kulturkreisen, die alle gegen die Tabuisierung, Diskriminierung und Unterdrückung von weiblicher Sexualität kämpfen. Was den Film ausmacht: Auf einen einordnenden Kommentar wird verzichtet, vielmehr kommen einfach – aber wo passiert das in der Regel einfach so? – die fünf Frauen und ihre Mitstreiterinnen zu Wort. Entstanden ist ein Film, der aufrüttelt, vor allem aber auch Mut macht. / Karla Koller
«RBG» von Julie Cohen und Betsy West
«RBG» (2018) ist eine Hommage an Ruth Bader Ginsburg, die als zweite Frau als Richterin an den US-amerikanischen Supreme Court berufen wurde. Ihre Geschichte zeigt, wie sich nicht nur auf den Strassen demonstrierend, sondern auch mit Aktenkundigkeit, präziser juristischer Wortwahl und ruhiger Beharrlichkeit für Frauenrechte kämpfen lässt. Ausgehend von der Rede, die sie anlässlich ihrer Berufung hielt, zeichnen die Regisseurinnen Julie Cohen und Betsy West den Werdegang der Richterin nach, die derzeit der Regierung Trumps die Stirn bietet. Besonders gelungen ist die Rekapitulation ihrer wichtigsten Fälle, in denen sie sich für Gleichberechtigung von Frauen und Männern einsetzte – im Schulwesen, der Arbeitswelt und dem ehelichen Zusammenleben. / Karla Koller
Eine ausführliche Besprechung von Alan Mattli findet ihr hier. Wem eine Biografie à la Hollywood lieber wäre, kann sich den Spielfilm «On the Basis of Sex» (2018, Regie: Mimi Leder, mit Felicity Jones) anschauen. Eine ausführliche Besprechung von Sharon Kesper gibt es hier.
«The Watermelon Woman» von Cheryl Dunye
Als Cheryl Dunye 1993 Nachforschungen zu schwarzen Schauspielerinnen im frühen Hollywood anstellte, sah sie sich mit einer bedauerlichen Tatsache konfrontiert: Waren Afroamerikanerinnen in den Zwanziger- bis Vierzigerjahren auf einer Mainstream-Leinwand zu sehen – meistens in der Rolle von Sklavinnen –, wurden ihre Namen im Abspann nicht aufgeführt. Aus dieser Erfahrung ist «The Watermelon Woman» (1996) enstanden – eine spielerische Mischung aus Mockumentary und Liebeskomödie, in der Dunye über Identität, Privilegien und Repräsentierung nachdenkt und fragt, wem überhaupt erlaubt wird, (Film-)Geschichte zu schreiben. Nicht zuletzt deshalb ist «The Watermelon Woman» – der erste Spielfilm von einer lesbischen Afroamerikanerin (soweit wir wissen) – ein Schlüsselwerk des intersektionalen Feminismus, das ebenso eindrücklich wie humorvoll aufzeigt, wie die Geschichte des Kinos mit der gesellschaftlichen Unterdrückung von Frauen, People of Colour und queeren Menschen zusammenhängt. / Alan Mattli
Mehr zum Film erfahrt ihr in diesem Video von Kyle Kallgren und Jourdain Searles.
«Cold Sweat» von Soheil Beiraghi
Sport ist immer auch Politik (man denke an die niederknienden Footballspieler in den USA) – und Frauenfussball die Sportart der Wahl, um Frauenrechte zu diskutieren. «Cold Sweat» («Araghe Sard», 2018) erzählt die wahre Geschichte einer iranischen Futsal-Spielerin nach. Auf dem Weg zu einem Turnier wird Afrooz am Flughafen die Ausreise verweigert – ihr Mann hat ihr die für Ehefrauen notwendige Reisegenehmigung entzogen. Soll Afrooz seinem verletzten Ego schmeicheln und sich selbst erniedrigen, um ihrer grossen Leidenschaft, dem Fussball, frönen zu können? Geltendes Recht, das zeigt der Film, ist keine Nebensächlichkeit, sondern bestimmt das eigene Wohlergehen wesentlich – auch dann, wenn man sich selbst als fortschrittliches, weltoffenes Paar sieht. / Karla Koller
«Sonita» von Rokhsareh Ghaemmaghami
Rap ist nichts für Mädchen. Selbst in Europa und den USA sind Frauen im Rap-Business die Ausnahme, im Iran, wo die Titelheldin von «Sonita» (2015) als afghanische Flüchtige lebt, ist ihr Interesse für das Genre nicht nur kurios, sondern anstössig. Der jungen Künstlerin bietet die Musik die Möglichkeit, ihre Wut über die Einschränkungen, die sie als Frau erlebt, zu äussern. Im Laufe der Dreharbeiten wird aus kindlichem Enthusiuasmus allerdings bitterer Ernst: Sonita soll zwangsverheiratet und so zum Schweigen gebracht werden. In der Folge muss sich auch die Regisseurin Rokhsareh Ghaemmaghami mit dem von ihr gewählten Genre des Dokumentarfilms auseinandersetzen: Soll sie den Dingen ihren Lauf lassen und diese als Aussenstehende weiter beobachten? Oder doch eingreifen und versuchen, Sonita ein anderes Leben zu ermöglichen? Damit reflektiert der Film die politische Kraft von Kunst gleich auf zwei Ebenen. / Karla Koller
«God Exists, Her Name Is Petrunya» von Teona Strugar Mitevska
Die 31-jährige, alleinstehende Petrunya (Zorica Nusheva) fischt am Dreikönigstag das Holzkreuz aus dem Fluss, welches kurz davor vom Priester in den Fluss geworfen wurde. Eigentlich ausschliesslich für Männer bestimmt, soll das Kreuz dem Finder ein Jahr lang Glück bringen. Nun hält aber eine Frau die Trophäe in der Hand und in die Fernsehkameras. Ein Skandal, den nicht nur den Priester, sondern auch ihre Familie, die Männer des Dorfes und die Polizei nicht kalt lässt. Die Komödie «God Exists, Her Name is Petrunya» (2019) zeichnet auf unterhaltsame Weise das Bild eines Staates, der – um die Reporterin im Film zu zitieren – im Bezug auf Gleichberechtigung «im Mittelalter steckengeblieben ist». / Lola Funk
Und die starken Frauen im Filmbusiness? Da kennen wir auch ein paar! Hier weiterlesen: Starke Frauen im Filmgeschäft.
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