«Normal People» ist eine auf den ersten Blick simple Liebesgeschichte über zwei normale (get it?) junge Menschen, die sich ineinander verlieben, sich entlieben, wieder zusammenfinden und so weiter. Ihre On/Off-Beziehung begleitet die beiden von der Schule bis zur Universität und illustriert behutsam und authentisch eine leidenschaftliche Liebe zwischen zwei Menschen, die nebenbei erwachsen werden.
Wir befinden uns in einem kleinen Kaff in Irland, wo der sportliche, zugängliche und beliebte Connell (Paul Mescal) und die kühle, distanzierte, nicht ganz so beliebte Marianne (Daisy Edgar-Jones) zueinanderfinden. Das ungleiche Paar trifft sich vorerst im Geheimen, da Connell den Spott seiner Freunde fürchtet. Man muss also keine Hellseherin sein, um zu ahnen, dass diese Beziehung zerbrechlicher ist als das Porzellan von Mariannes reicher Familie. Und doch ist es der Beginn einer so intensiven wie komplizierten On/Off-Beziehung.
Auch nach der obligatorischen Schulzeit, als beide an der Universität in Dublin Literatur studieren, verlieren sie sich nicht aus den Augen. Nun ist es aber Marianne, die, weit weg von ihrem toxischen Zuhause, regelrecht aufblüht, Freunde um sich schart und sich grosser Beliebtheit erfreut. Connell dagegen kämpft mit der Einsamkeit und Anonymität der Grossstadt.
«Während Connell und Marianne studieren, erwachsen werden, andere Leute kennenlernen und grundsätzlich ihren Platz in der Welt suchen, kreuzen sich ihre Wege immer wieder, wie zwei Asteroiden, die durchs grosse leeren Universum trudeln, nur um sich unweigerlich immer wieder anzuziehen.»
Man könnte meinen, diese Geschichte von zwei Liebenden schon (zu) häufig gesehen, gelesen oder gehört zu haben. Doch «Normal People» schafft es geschickt, jegliche soapigen und abgenutzten Klischees zu umschiffen. Vielmehr gelingt es der Miniserie, aus dem klassischen (und oft gesehenen) «Will they, won’t they?»-Topos ein authentisches und faszinierendes Bild einer tiefen Freundschaft zweier junger Menschen zu zeichnen.
Dies hat unter anderem mit den Leistungen der beiden Hauptdarsteller zu tun: Paul Mescal und Daisy Edgar-Jones spielen so subtil und unprätentiös, dass man nicht anders kann, als den beiden oft etwas unbeholfenen Menschen bei ihrem Annähern und Distanzieren zuzusehen und händeringend auf ein Happy End zu hoffen.
Auch die wunderbar behutsame Inszenierung von den Regisseuren Lenny Abrahamson («Room») und Hettie Macdonald («Doctor Who») schafft es, eine so authentische wie berührende Nähe zwischen Marianne und Connell zu vermitteln. Allen voran sind es die (ziemlich häufigen) Sexszenen, die herausstechen. Die oft in Nahaufnahmen gehaltenen Szenen sind ehrlich, intim, natürlich – und vor allem reif. Fragen wie «Is that okay? Is that good?» sind selbstverständliche Bestandteile ihren gemeinsamen sexuellen Erfahrung. «Normal People» beweist in diesen Momenten, dass sich Konsens und Erotik nicht kategorisch ausschliessen. Wohl nicht zuletzt, weil bei den Dreharbeiten mit der namhaften Intimitätskoordinatorin Ita O’Brien gearbeitet wurde, die eine sichere und einvernehmliche Umgebung für die Darstellenden sicherstellte. Ein schönes – und wichtiges – Statement in einer Zeit, in der endlich öffentlich über Konsens gesprochen wird.
«Schöner gelitten wurde schon lange nicht mehr – von den Figuren und dem Publikum.»
«Normal People» schafft es also, zugleich romantisch und sexy zu sein und dabei die aufregende und überwältigende Einzigartigkeit der ersten grossen Liebe auf dem Bildschirm zu vermitteln: «It’s not like this with other people» sagt Connell einmal zu Marianne – und man glaubt es ihm sofort. Man hat selten mit zwei verliebten Menschen so sehr mitgelacht, mitgeweint, mitgeliebt und mitgefiebert wie für Connell und Marianne. «Normal People» ist herzerwärmend und melancholisch, schön und traurig zugleich, und darum auch eine der besten Serien von 2020: Schöner gelitten wurde schon lange nicht mehr – von den Figuren und dem Publikum.
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Jetzt auf Starzplay und Sky Show
Serienfakten: «Normal People» / Regie: Lenny Abrahamson, Hettie Macdonald / Drehbuch: Sally Rooney, Alice Birch, Mark O’Rowe / Mit: Daisy Edgar-Jones, Paul Mescal, Sarah Green, Aislín McGuckin, Eanna Hardwicke, Frank Blake, Eliot Salt / Irland / 12 Episoden à 23–34 Minuten
Bild- und Trailerquelle: © Enda Bowe/BBC/Element Pictures/Hulu
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