Olivier Assayas Film «Personal Shopper» mit Kristen Stewart in der Hauptrolle, erweist sich nach einem ersten Blick als ungenaues und unfertiges Kino, das einem unvorbereitet zu früh aus einem unverständlichen Grusel-Selbstfindungs-Märchen zurücklässt. Ein zweiter Blick lohnt sich aber. Assayas Film ist nämlich viel mehr als das und lädt ein zur Reflexion über Wahrnehmung, Konsum und Kino.
Die Amerikanerin Maureen (geisterhaft präzis und raffiniert kalt: Kristen Stewart) hat ein Flair für Mode und einen ungewöhnlichen Job: Sie ist persönliche Einkäuferin für eine arrogante Society-Lady. Eigentlich mag sie ihre Arbeit nicht, doch diese ermöglicht es ihr, in Paris zu sein. Denn Maureen, die sich als Medium versteht, hofft, hier ein Zeichen ihres verstorbenen Zwillingsbruders Lewis zu empfangen.
Tatsächlich erhält sie plötzlich Textnachrichten von einer unbekannten Nummer – und gerät in einen Strudel mysteriöser Ereignisse.
Eine Art Wahrnehmungs-Neu-Konfiguration
Oliver Assayas schafft es mit seinem transzendent anmutenden Film, viele Fragen offen zu lassen. Dies mag im ersten Moment als arrogantes und intellektuell verkorktes Spiel rüberkommen. Assayas provoziert gern und auch dieses Mal schlägt er den Zuschauer bewusst vor den Kopf. Er sieht den Film als Kunstform und nutzt seine Genre-spezifischen Elemente, um mehr als nur eine Geschichte zu erzählen. Vielmehr vermag er mit «Personal Shopper» und seinen „übernatürlichen“ Elementen eine Art „Wahrnehmungs-Neu-Konfiguration“ des Zuschauers zu erwirken, indem er geisterhafte Wesen aus einer anderen Dimension erscheinen lässt, die physisch und psychisch auf die Shopping Assistentin Einfluss nehmen.
Assayas zeigt mit seiner Hauptfigur, die durch Kristen Stewart perfekt besetzt ist, eine Frau in einer konsumgeilen Welt, in der alle Menschen auf ihre Zwecke reduziert werden. So irrt sie völlig leblos, als Geist, in einer Welt umher, in welcher die materiellen Dinge, die Sicht vor dem „wahren“ Leben versperren. Losgelöst von Heimat, Trauer oder Liebe in einer Realität, mit der sie nicht klarkommt, flüchtet sich Maureen in eine weitere Realität, die man mit dem Reich der Toten umschreiben kann.
Wo Michelangelo Antonioni (sein Film «Blow-Up» inspirierte Assayas vor den Dreharbeiten) die Von-Innen-Nach-Aussen Verdinglichung seiner Protagonisten durch die Architektur («La Notte») oder die Photographie («Blow-up») erlangt, meistert Assayas den Weg über die transzendenten Elemente seiner Erzählung in Form von Geistern und ihren Eigenarten. Ob diese nun echt oder nur in der Wahrnehmung der jungen Frau vorkommen, soll jeder für sich selbst entscheiden. Den Zweck, irgendjemanden zu erschrecken, haben sie sicherlich nicht.
Fazit:
Der Film «Personal Shopper» von Assayas schlägt einem vor den Kopf. Und das ist gut so. Er lässt uns reflektieren, was das Medium Film mit unserer Wahrnehmung machen kann. Und er lässt uns nachdenken über eine Zeit, in welcher es wichtiger scheint, mit Mode-Accessoires den inhaltsleeren Körper zu bekleiden, als die eigene Seele mit Farbe zu bepinseln. Gucci, Prada oder Boss sind die Geister, die wir riefen.
Kinostart: 19.1.2016 / Regie: Olivier Assayas / Mit: Mit Kristen Stewart, Lars Eidinger, Nora von Waldstätten
Trailer- und Filmquelle: Filmcoopi
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