Seit dem 7. November 2020 ist sie da: «Play Suisse», die neue Streaming-Plattform der SRG. Darauf kann man sich kostenlos Filme, Serien und Dokumentationen aus der ganzen Schweiz ansehen – alles in Originalsprache und untertitelt. Wir haben uns das Angebot genauer angesehen und präsentieren euch unsere zehn Highlights von Play Suisse.
«Seitentriebe» von Güzin Kar, Markus Welter und Cosima Frei
«Es gibt Gründe, weshalb Liebegeschichten immer damit beginnen, dass zwei sich kennen lernen und aufhören, wenn sie zusammenkommen. Was gibt es danach auch noch zu erzählen?» Eine ganze Menge – und zwar mit einer grossen Portion scharfzüngiger Dialoge von Co-Regisseurin und Drehbuchautorin Güzin Kar («Alles bleibt anders»). Drei unterschiedliche Paare finden sich im Alltagstrott des Paarlebens wieder und machen sich auf die Suche nach Neuem – oder zumindest einer Auffrischung des Alten. Kar, Markus Welter und Cosima Frei finden dabei eine wunderbare Balance zwischen Humor und Ernsthaftigkeit und machen damit «Seitentriebe» zu viel mehr als nur seichtem Beziehungsklamauk. In 24 kurzweiligen Minuten pro Folge gibt es Szenen aus dem Paaralltag, frisch inszeniert und präzise mit viel Witz und Feingefühl seziert. / Nicoletta Steiger
«Les dames» von Véronique Reymond und Stéphanie Chuat
Der Dokumentarfilm von Véronique Reymond und Stéphanie Chuat («Schwesterlein») macht ein Tabu zum Thema: die Einsamkeit im Alter und das Bedürfnis nach Nähe im sogenannten «Herbst des Lebens». Die Protagonistinnen gehören einer patriarchalen Generation an, beweisen jedoch, dass es nie zu spät ist für die Emanzipation. Manchmal enden die Geschichten heiter, manchmal melancholisch und zuweilen auch gänzlich unspektakulär. Aber in «Les dames» (2018) wird allen Protagonistinnen wird eine Stimme gegeben – nur schon deswegen ein inspirierendes Sehvergnügen. / Mirjam Schilliger
«Usgrächnet Gähwilers» von Martin Guggisberg
Die Berner Komödie «Usgrächnet Gähwilers» (2017) erzählt die Geschichte des bürgerlichen Ehepaars Ralph und Therese Gähwiler und dessen Tortur mit dem ungebetenen afrikanischen Gast Ngundu. Dieser droht die Wahl des bürgerlichen Lokalpolitikers in den Gemeinderat zu gefährden und muss deshalb mit allen Mitteln «kaltgestellt» werden. «Usgrächnet Gähwilers» ist eine nett daherkommende Schweizer Komödie mit einem spannenden Ensemble, schwarzem Humor und einer Prise Sozialkritik. / Joel Singh
«War Photographer» von Christian Frei
Der Dokfim «War Photographer» war 2001 eine Sensation und der grosse Durchbruch für Christian Frei («The Giant Buddhas», «Genesis 2.0») als Filmemacher. Die Dokumentation ging um die Welt und erzielte neben vielen Auszeichnungen und Preisen eine Nomination für einen Emmy und einen Oscar. Im eindringlichen Portrait begleiten die Filmemacher den Kriegsfotografen James Nachtwey zwei Jahre lang bei seiner Arbeit in Krisenregionen dieser Erde. Die Spezialkameras, die an Nachtweys Fotokamera angebracht waren, vermitteln im Film dabei eine vorher nie gezeigte Unmittelbarkeit des Geschehens. Ein wichtiger und spannender Film über einen ganz grossen Kriegsfotografen unserer Zeit.
«Der Goalie bin ig» von Sabine Boss
Nach dem gleichnamigen Roman von Pedro Lenz erzählt der Film «Der Goalie bin ig» (2014) die Geschichte des Lebenskünstlers Ernst (Marcus Signer), der von allen nur «Goalie» genannt wird. Nach einem Jahr im Gefängnis kehrt er zurück nach Schummertal, dem Provinzort im Kanton Bern, in dem er aufgewachsen ist. Hier will er neu anfangen, doch seine Vergangenheit holt in genau dort ein, wo er es am wenigsten erwartet. Der preisgekrönte Film von Sabine Boss ist traurig, hoffnungsvoll, stark und schön zugleich. Er brilliert durch seine wortgewaltigen Dialoge und wird durch den Züri–West-Titelsong «Goalie» abgerundet. Ein Juwel unter den Schweizer Filmen – «cheibe guet!» / Dafina Abazi
«Frieden» von Michael Schaerer
In seiner bis dato teuersten Serienproduktion beleuchtet das Schweizer Fernsehen die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Basierend auf einer Idee und einem Drehbuch von Petra Volpe («Die göttliche Ordnung»), erzählt die sechsteilige Miniserie «Frieden» (2020) die Geschichte einer kriegsversehrten Schweiz, die sich zwischen Ideologie und Pragmatismus im zerrütteten Europa neu erfinden muss. Die von Zodiac Pictures im Auftrag des Schweizer Fernsehens (SRF) und Arte produzierte Serie ist der Startschuss für den stärkeren Serienfokus des Schweizer Fernsehens, das nun jährlich mehrere Millionen in die Serienproduktion investieren möchte. Die ambitionierte Miniserie überzeugt auf der ganzen Linie – was nicht zuletzt den drei starken Hauptdarsteller*innen zu verdanken ist. / Olivier Samter
«Die Buchenwald-Kinder» von Hansjürg Zumstein
Die 50-minütige Doku «Die Buchenwald-Kinder» (2020) beleuchtet die historischen Hintergründe der SRF-Miniserie «Frieden» und fungiert so auch als eine Art Making-of. Gleichzeitig beleuchtet die Geschichte von jüdischen Flüchtlingskindern ein wenig ruhmvolles Kapitel Schweizer Geschichte, dem bisher nur wenig mediale Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Nebst informativen Hintergründen erklärt Autorin Petra Volpe in der Doku aber auch, dass es ihr bei «Frieden» vor allem darum ging, am etablierten Bild der Schweiz zu rütteln und die Perspektive zu verschieben. Sie macht klar: Für eine Aufarbeitung braucht es die Empathie, welche zur damaligen Zeit oft fehlte. / Mirjam Schilliger
«Flitzer» von Peter Luisi
Beat Schlatter ist aus dem Schweizer Film nicht mehr wegzudenken. Geradezu inflationär spielt der Zürcher in beinahe jeder nationalen Produktion mit. Mit «Flitzer» (2017) brachte sein ganz eigenes Baby ins Kino und verwirklichte mit Regisseur Peter Luisi ein spritziges Filmprojekt über eine neue Trendsportart, welches das Publikum zum Schmunzeln bringt. / Lola Funk
«Ma vie de Courgette» von Claude Barras
Nur knapp eine Stunde dauert der international gefeierte und oscarnominierte Schweizer Animationsfilm «Ma vie de Courgette» (2016) – doch das reicht Regisseur Claude Barras und Drehbuchautorin Céline Sciamma («Portrait de la jeune fille en feu»), um eine berührende Aussenseitergeschichte auf den Spuren von François Truffaut zu erzählen. Wie Truffauts Antoine-Doinel-Filme propagiert «Ma vie de Courgette» Empathie und feiert auf leise, bescheidene Art die Schönheit der selbst erwählten Familie. Es ist ein nachdenklicher, bald melancholischer, bald tröstlicher Film für unsichere Zeiten. / Alan Mattli
«Das Boot ist voll» von Markus Imhoof
Unaufgeregt erzählt «Das Boot ist voll» (1981) die Geschichte von einer zusammengewürfelten Gruppe jüdischer Flüchtlinge und einem desertierten Nazi. Gleichzeitig wirft sie einen kritischen Blick auf die Schweizer Scheuklappen-Mentalität. Ein absoluter Klassiker der Schweizer Filmgeschichte mit einem rührenden Mathias Gnädinger in der Hauptrolle. Der Film hat nichts an Aktualität eingebüsst und regt auch heute noch zur Reflexion an. / Mirjam Schilliger
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Titelbild aus: «Seitentriebe» / Copyright: SRF/Samuel Schalch
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