Für die Produktion von «Red Notice» griff Netflix tief ins Portemonnaie. Das Budget des Films rund um Dwayne Johnson, Ryan Reynolds und Gal Gadot hätte man sinnvoller nutzen können.
Ausbruch aus einem Hochsicherheitsgefängnis in Russland, das Austricksen eines nahezu perfekten Sicherheitssystems und die Suche nach einem verborgenen Nazibunker im Regenwald. Ja, «Red Notice» von Rawson Marshall Thurber wirkt, kurz zusammengefasst, wie ein solider, unterhaltsamer Film. Darin schliesst sich der FBI-Profiler John Hartley (Dwayne Johnson) mit dem berüchtigten Meisterdieb Nolan Booth (Ryan Reynolds) zusammen, um die verschollenen Schmuck-Eier der Kleopatra, die sich irgendwo auf der Erde befinden, aufzuspüren und zu klauen. Wichtig dabei: Sie müssen um jeden Preis schneller sein als die von Gal Gadot verkörperte Über-Meisterdiebin.
«‹Red Notice› hätte mit seiner Meisterdieb-Geschichte tatsächlich Potenzial. Nur versprüht der Film keine Sekunde den Charme eines Abenteuer- oder Heistfilms.»
«Red Notice» hätte mit seiner Meisterdieb-Geschichte tatsächlich Potenzial. Nur versprüht der Film keine Sekunde den Charme eines Abenteuer- oder Heistfilms. Stattdessen präsentiert Netflix den gefühlt tausendsten Actionfilm mit einfallslosen Witzen, der nach Schema F funktioniert – oder eben funktionieren sollte.

Gal Gadot / Cr. Frank Masi/Netflix © 2021
Werbung wäre für die neueste Produktion aus dem Hause Netflix bestimmt nicht nötig gewesen: Die Tatsache, dass dies der bis dato teuerste Film des Streaming-Giganten ist, gewährte ihm eine aussergewöhnliche Medienpräsenz. Selbst in der zweiten Woche hält er sich noch unangetastet an der Spitze der globalen Netflix-Charts. Ganze 200 Millionen Dollar kostete der Spass, wobei etwa ein Viertel davon für die Gagen der A-Lister in den Hauptrollen eingeplant wurde. Dem Endprodukt hätte es besser getan, Netflix hätte einen weiteren Viertel in Drehbuchautorinnen und Drehbuchautoren investiert.
«Red Notice» versucht, alle abzuholen. Und so besitzen die Hauptfiguren weder Ecken noch Kanten. Alle sollen supercool und nahezu perfekt sein; nur kann der Film diese Attribute nicht für sich in Anspruch nehmen. Gerade weil den Figuren alles gelingt, gibt es bestenfalls den Versuch einer emotionalen Charakterentwicklung. Zusätzlich macht das Nichtvorhandensein schwer zu lösender Aufgaben das Mitfiebern quasi unmöglich. Da man immer weiss, was in den kommenden 20 Sekunden passieren wird, gibt es im Drehbuch keine Überraschungsmomente, dafür massenhafte schlechte Witze, die das letzte Flämmchen Spannung und Ernsthaftigkeit des Abenteuers auslöscht.
«Da man immer weiss, was in den kommenden 20 Sekunden passieren wird, gibt es im Drehbuch keine Überraschungsmomente, dafür massenhafte schlechte Witze, die das letzte Flämmchen Spannung und Ernsthaftigkeit des Abenteuers auslöscht.»

Cr: Frank Masi/NETFLIX © 2021
Der aalglatte und unfehlbare Johnson und der sarkastische, aber gutherzige Reynolds hätten vielleicht besser gemeinsam harmoniert, wenn ihnen halbwegs authentische Dialoge in die Münder gelegt worden wären. Dies ist aber nicht der Fall, und einmal mehr wird einem klar, dass die beiden Top-Verdiener schon länger an der Johnny–Depp-Krankheit leiden und nur noch für die gleiche Rolle gecastet werden. Es gibt zweifelsfrei Filme, in denen das funktioniert – dieser gehört aber nicht dazu.
So fühlt sich das Endprodukt wie austauschbare Massenware an. Dass diese 200 Millionen Dollar verschluckt hat, fühlt man hingegen kaum. So besucht das Duo während den zwei Stunden Spielzeit zwar Länder wie Argentinien, Italien oder Ägypten, dem Publikum muss dies aber mithilfe von Texttafeln zu Beginn der Szene erklärt werden, da die meisten Aufnahmen sowieso drinnen spielen, und wenn nicht, dann stehen die Protagonist*innen meist vor einem unansehnlichen Green-Screen. Auch die Actionsequenzen fallen eher durch ungeniessbare Hektik als durch originelle Einfälle auf. Wüsste man nicht um die Grösse des Budgets, so fühlte es sich eher so an, als hätte die Verantwortlichen an allen Ecken und Enden gespart. Netflix kann das aber egal sein, da «Red Notice» jetzt schon so erfolgreich ist, dass die Produzent*innen wohl ihre Drohung aus den letzten Sätzen des Films wahr machen und uns eine Fortsetzung bescheren.
Über «Red Notice» wird auch in Folge 37 des Maximum Cinema Filmpodcasts diskutiert.
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Jetzt auf Netflix Schweiz
Filmfakten: «Red Notice» / Regie: Rawson Marshall Thurber / Mit: Dwayne Johnson, Ryan Reynolds, Gal Gadot, Chris Diamantopoulos, Ritu Arya / USA / 118 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Frank Masi / Netflix © 2021
Der teuerste Netflix-Film aller Zeiten spart mit originellen Einfällen und guten Witzen. Obwohl die Zahlen etwas anderes behaupten, wirkt es so, als hätte man auch bei den Schauspielern gegeizt.
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