Hochstapler Tom Ripley tingelt in der Neuinterpretation der Romanvorlage von Patricia Highsmith durch ein winterliches und regnerisches Italien. Die Miniserie, die auf Netflix zu sehen ist, setzt auf Neo-Noir-Atmosphäre und eine langsame Erzählung. Sobald man sich an das gedrosselte Tempo gewöhnt hat, wird man belohnt mit einer fesselnden Darstellung und kristalliner Fotografie.
Der Serienmörder Tom Ripley ist keine unbekannte Figur in der Filmwelt. Ursprünglich eine Kreation der Schriftstellerin Patricia Highsmith («Carol»), wurde er einer breiteren Masse doch eher durch die Verfilmungen der Romane bekannt. «The Talented Mr. Ripley», der erste der Ripley-Romane, wurde 1955 veröffentlicht; und über die Jahrzehnte hinweg konnte man die verschiedensten Versionen der Titelfigur über die Leinwand flanieren sehen.
Nun hat sich Steven Zaillian («The Night of») des Stoffs angenommen. Zaillian, der vor allem durch seine Arbeit als Drehbuchautor («Schindler’s List», «The Girl with the Dragon Tattoo», «The Irishman») internationale Anerkennung gewonnen hat, wagt mit seiner Adaption der Highsmith-Vorlage nun etwas Neues: Er erzählt in knapp acht Stunden, was in Anthony Minghellas «The Talented Mr. Ripley» von 1999 in 139 Minuten Platz fand. Die Miniserie mag sich anfänglich entsprechend etwas zäh anfühlen, entwickelt sich dann aber immer mehr zu einem regelrechten Slow-Burn, der einen gebannt an den Bildschirm fesselt.

Andrew Scott in «Ripley» / NETFLIX © 2024
Tom Ripley (Andrew Scott) schlägt sich im New York der Sechzigerjahre mit diversen Betrügereien durch, als er eines Tages vom Reederei-Mogul Herbert Greenleaf (Kenneth Lonergan) beauftragt wird, dessen Sohn in die USA zurückzuholen. Sohn Dickie (Johnny Flynn) fläzt sich nämlich in der italienischen Sonne südlich von Neapel und verprasst ziellos das Familienvermögen. So gehört sich das nicht.
Ripley soll also dafür sorgen, dass Dickie endlich in die Fussstapfen seines Vaters tritt. Doch der Nachwuchs hat sich ganz komfortabel eingerichtet an der italienischen Riviera, malt schlechte Gemälde, trinkt (hoffentlich) bessere Martinis und vertreibt sich die Zeit mit Freundin Marge (Dakota Fanning) und ähnlich hedonistischen Gestalten, darunter Freddie Miles (Eliot Sumner).
«Ripley soll also dafür sorgen, dass Dickie endlich in die Fussstapfen seines Vaters tritt. Doch der Nachwuchs hat sich ganz komfortabel eingerichtet an der italienischen Riviera, malt schlechte Gemälde, trinkt (hoffentlich) bessere Martinis und vertreibt sich die Zeit mit Freundin Marge.»
Das Vorhaben ist von Anfang an kolossal zum Scheitern verurteilt, was jedoch weder Tom noch Dickie zu stören scheint. Es beginnt eine Art Freundschaft zwischen den zwei Männern, die subtil homoerotisch gefärbt ist. So ist denn auch Marge dem Fremden Ripley gegenüber skeptisch. Und dieser wiederum erkennt in ihr sehr schnell die Gegenspielerin, die sie später werden soll.
Auf einer Reise von Tom und Dickie nach San Remo überschlagen sich schliesslich die Ereignisse: Keiner der beiden kehrt nach Atrani zurück. Bald darauf vermietet in Rom Signora Buffi (Margherita Buy) eine Wohnung an einen gewissen Richard Greenleaf – und dieser sieht verdächtig aus wie Tom Ripley.

Dakota Fanning und Johnny Flynn in «Ripley» / Cr. Philippe Antonello/NETFLIX © 2024
Das Spiel mit den verschiedenen Identitäten gelingt dem Verwandlungskünstler anfänglich mit einer mühelosen Eleganz. Als jedoch Freddie Miles plötzlich in der Römer Wohnung auftaucht, geraten die Dinge langsam ausser Kontrolle, und die Schlinge um Toms Hals scheint sich immer mehr zuzuziehen.
Was beim Schauen von «Ripley» Vergnügen bereitet, ist folglich dieses doppelte Spiel mit Identitäten. Andrew Scott («Sherlock», «All of Us Strangers») ist eine Art Antiheld, dem es gelingt, den Ripley mit einer grossartigen Ambivalenz zu geben. Man ist sich nicht sicher, ob es eine existenzielle Ennui, Eifersucht oder Narzissmus ist, die Ripley zum Verbrecher macht. Vielleicht nichts von alledem oder von allem ein wenig. Er bleibt ein Enigma. Doch Scotts Darstellung ist so fein und vielschichtig, dass sie einen immer wieder neugierig macht.
«Andrew Scott ist eine Art Antiheld, dem es gelingt, den Ripley mit einer grossartigen Ambivalenz zu geben. Man ist sich nicht sicher, ob es eine existenzielle Ennui, Eifersucht oder Narzissmus ist, die Ripley zum Verbrecher macht.»
Die Performances von Dakota Fanning («The Alienist», «Once Upon a Time in Hollywood») als Marge Sherwood und Maurizio Lombardi («All the Money in the World») als Inspettore Ravini machen sie wiederum zu zwei würdigen Gegenspieler*innen. Auf der anderen Seite fallen leider sowohl Johnny Flynn («The Dig») als auch Eliot Sumner qualitativ ab. Flynns Dickie ist schwerfällig und ohne Komplexität, Sumners Freddie eine nervige Karikatur – erst recht wenn man sie mit der Interpretation von Philipp Seymour Hoffman in Minghellas Film vergleicht.

Eliot Sumner in «Ripley» / NETFLIX © 2024
Über die vereinzelt schwächelnden Darstellungen kann man aber grosszügig hinwegsehen. Denn letztlich werden die acht Episoden auch durch ein starkes ästhetisches Konzept zusammengehalten. Die Kamera von Robert Elswit («Magnolia», «There Will Be Blood») bedient sich geschickt beim Repertoire des klassischen Film Noirs und übersetzt diesen in eine modernere Sprache. Die Bildsprache ist auch für ein modernes Netflix-Publikum zugänglich und verständlich – weder zu nostalgisch noch zu banal. Ebenfalls fühlt es sich stimmig an, die Geschichte in Schwarzweiss zu erleben – eine Entscheidung, die das Italien der Sechzigerjahre in düsterer Eleganz erscheinen lässt.
«Die Kamera von Robert Elswit bedient sich geschickt beim Repertoire des klassischen Film Noirs und übersetzt diesen in eine modernere Sprache.»
Es mag nicht alles funktionieren, doch Steven Zaillians Netflix-«Ripley» ist eine mutige Neuinterpretation der Geschichte und Figur Tom Ripleys. Patricia Highsmith, die selber oft als launisch und unberechenbar beschrieben wurde, wäre davon vielleicht sogar ganz angetan gewesen.
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Serienfakten: «Ripley» / Creator: Steven Zaillian / Mit: Andrew Scott, Johnny Flynn, Dakota Fanning, Eliot Sumner, Margherita Buy, Maurizio Lombardi, Kenneth Lonergan, John Malkovich / USA / 8 Episoden à 44–76 Minuten
Bild- und Trailerquelle: NETFLIX © 2024
Steven Zaillians «Ripley» zieht eine bekannte Geschichte in eine Länge von acht Stunden. Dank toller Machart und einer fesselnder Performance von Andrew Scott gelingt dies erstaunlich gut.
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