Als ihm bewusst wurde, dass wohl niemand einen Film über Filmmusik drehen würde, beschloss der Journalist Matt Schrader, dass er es eben selber machen würde. «Score: A Film Music Documentary» ist eine Dokumentation über Komponisten und Soundtracks, die trotz spürbarer Leidenschaft und berührenden Szenen Einiges schuldig bleibt.
Die ehrenhafte Absicht, möglichst vielen Komponisten legendärer Filmmelodien ein Gesicht zu geben, wird für «Score: A Film Music Documentary» zum Verhängnis. Rund sechzig Künstler zerrt Matt Schrader für sein Regiedebüt vor die Kamera – da bleibt nicht viel Zeit, um auf die Arbeit von Einzelnen einzugehen oder zu zeigen, was sie umtreibt. Die Komponisten werden auf einzelne Zeilen beschränkt, kaum einer bekommt genug Zeit, um seine Gedanken zu Ende zu denken – wenn er denn nicht gerade Hans Zimmer heisst. So werden interessante Figuren wie etwa Patrick Doyle (der verdammt viel zu erzählen weiss, wenn man ihn denn lässt), auf lächerliche Kurzauftritte reduziert, die ihrer nicht würdig sind.
Andere grosse Namen fehlen komplett: John Williams ist nur in Archivmaterial zu sehen, wird aber – wie Ennio Morricone – zumindest erwähnt. Von Michael Giacchino oder dem mehrfachen Oscar-Preisträger Gustavo Santaolalla dagegen keine Spur. Vielleicht muss man sich auch die Frage stellen, ob Schrader in seinem Film nicht die falschen Musiker in den Vordergrund gerückt hat. Der immer wieder auftauchende Heitor Pereira bringt ausser «Despicable Me» nicht viel Erfahrung mit, was man seinen sehr oberflächlich bleibenden Aussagen leider anmerkt. Richtig in die Tiefe geht «Score: A Film Music Documentary» nur selten, den wirklich spannenden Fragen geht Schrader leider nicht auf den Grund. Wie passen sich die Komponisten den technischen Veränderungen an? Was bringt die Zukunft? Und: Warum gibt es noch immer so wenige weibliche KomponistInnen?
Die Komponisten nehmen uns bei der Hand
Immerhin: Matt Schrader lässt in seiner Dokumentation nicht nur Musiker zu Wort kommen, sondern auch Filmjournalisten und -Wissenschaftlerinnen, die gekonnt die Wirkung und Funktion von Filmmusik analysieren. Dieser Blick von Aussen ist eine willkommene Abwechslung zum Komponistenschaulaufen, zu dem «Score: A Film Music Documentary» zeitweise verkommt. Selbst der zunächst deplaziert wirkende James Cameron (in seiner ganzen Bescheidenheit vor einem riesigen Titanic-Modell sitzend) rechtfertigt seinen Platz im Film mit einer berührenden Erinnerung an den verstorbenen James Horner.
Faszinierend wird der Film in jenen Momenten, in denen uns die Komponisten bei der Hand nehmen und uns ihre Welt zeigen – etwa wenn uns Steve Jablonsky genau erklärt, wie die Mischung seiner wummrigen Klänge zu «Transformers: Age of Extinction» die Wirkung macht oder Brian Tyler im Kino gespannt auf die Zuschauerreaktionen zu seiner Musik für «Avengers: Age of Ultron» wartet. Dass man für Letzteren ausgerechnet jenen Film ausgesucht hat, bei dem das Studio ihm kurz vor Kinostart das Vertrauen entzog und ihm Danny Elfman vor die Nase setzte, verpasst der Szene einen etwas bitteren Beigeschmack.
Zusammenfassend lässt sich zu «Score: A Film Music Documentary» sagen, dass weniger mehr gewesen wäre. Matt Schrader wollte ursprünglich auch nur drei Komponisten bei ihrer Arbeit begleiten, entschied sich dann aber dafür, weit mehr Musiker zu porträtieren. Das Ergebnis ist ein zusammenhangsloses Potpourri, das viel Potential ungenutzt lässt und über weite Strecken nichtssagend bleibt. Daran ändern auch berührende Lichtblicke und magische Melodien wenig.
Regie: Matt Schrader / Mit: Hans Zimmer, Thomas Newman, Danny Elfman, Howard Shore, Heitor Pereira, James Cameron, uvm.
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