Halb Biopic, halb Thriller und doch nichts so wirklich: Benedict Andrews‘ «Seberg» über die titelgebende Sechzigerjahre-Ikone ist stark besetzt, vermag diese Stärke aber nur halb auszuspielen.
Blonder Kurzhaarschnitt, verschmitztes Lächeln, ein Hauch Europa, ach was, die Nouvelle Vague in Hollywood – all das verkörperte Jean Seberg. Wer sich ein wenig mit Filmgeschichte auseinandersetzt, kommt an der amerikanischen Schauspielerin nicht vorbei. In den Sechzigern sowohl in Europa als auch in Hollywood gefeiert, hätte aus ihr eigentlich die Schauspielikone schlechthin werden müssen, die sie für die Nouvelle Vague nach «À bout de souffle» (1960) bereits war. Doch dazu kam es nicht. Nicht wegen ihres Schauspieltalents, nein, sondern wegen ihres Engagements für die amerikanische Bürgerrechtsbewegung.
«Seberg» nimmt die Zuschauer*innen mit ins Amerika zwischen 1968 und 1971. Jean Seberg (stark gespielt von Kristen Stewart) pendelt zwischen Paris, wo Mann und Sohn leben, und Los Angeles hin und her. Eine Begegnung mit Hakim Jamal (Anthony Mackie), Bürgerrechtler und Aktivist der Black-Panther-Bewegung, bleibt nicht ohne Folgen. Jamal wird vom FBI im Rahmen der illegalen COINTELPRO-Operation überwacht. Seberg sympathisiert offen mit den Bürgerrechtlern und spendet an soziale Projekte. Als sie eine Affäre mit Jamal beginnt, bleibt dies dem FBI nicht verborgen, und sie gerät ins Fadenkreuz des Geheimdienstes. Sie wird abgehört, diskreditiert, die Affäre an die Öffentlichkeit gezerrt und damit ihre Ehe und ihre Psyche ruiniert. Der junge Agent Jack Solomon (Jack O’Connell), der auf Seberg angesetzt ist, ist zunächst Feuer und Flamme, wird aber, je länger er in das Leben von Jean eindringt, skeptischer, ob dies wirklich noch mit seinem Gewissen vereinbar ist.
Der Film versucht viel, schafft aber leider nicht alles, und das zulasten des auf dem Papier gut besetzten Casts.
Der Film versucht viel, schafft aber leider nicht alles, und das zulasten des auf dem Papier gut besetzten Casts. Neben Kristen Stewart als Jean Seberg sind die Nebendarsteller – vor allem Anthony Mackie als Jamal, aber auch Jack O’Connell als pflichtbewusster FBI-Mann – ungewöhnlich schablonenhaft. Die einzigen anderen weiblichen Nebenrollen, verkörpert von Margaret Qualley («Once Upon a Time in Hollywood») und Zazie Beetz («Joker»), sind so schemenhaft skizziert, dass es fast wehtut. Dabei wären sie – wie auch der reumütige FBI-Agent, der nicht weiss, wie lange er noch den Regeln folgen soll – durchaus interessant, und viele gerade auch heute aktuelle Fragen könnten mit ihnen verhandelt werden. Letztlich bleibt ein fader Nachgeschmack, wenn krampfhaft versucht wird, dennoch ein versöhnliches Ende herbeizuführen.
Denn das versöhnliche Ende, das gab es nicht. Nicht für Jean Seberg und auch nicht für das Amerika der Bürgerrechtsbewegungen und Abhörskandale. Zu viel ging und geht immer noch kaputt, nur weil ein kleiner machtgieriger Teil der Gesellschaft versucht, über alle anderen zu herrschen.
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Kinostart Deutschschweiz: 17.9.2020
Filmfakten: «Seberg» / Regie: Benedict Andrews / Mit: Kristen Stewart, Anthony Mackie, Jack O’Connell, Zazie Beetz, Margaret Qualley, Vince Vaughn / USA, Grossbritannien / 102 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Frenetic Films AG
Ohne Frage: Jean Sebergs Geschichte ist spannend und glücklicherweise ist es auch das Schauspiel von Kristen Stewart. Immerhin zwei Faktoren, die für das Biopic sprechen.
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