Was wäre, wenn man sich seine Familie selbst aussuchen könnte? Wäre die Bindung grösser als bei einer Blutsverwandtschaft? Der neue Film des Japaners Hirokazu Kore-eda, «Shoplifters» (Deutsch: Familienbande), stellt diese Fragen in den Raum, ohne aber zu versuchen, sie zu beantworten. Vielmehr bringt er sanft und unaufdringlich Argumente, die dafür oder dagegen sprechen.
Osamu (Lily Franky) und sein Sohn Shota (Jyo Kairi) gehen zusammen auf Diebestour in Lebensmittelgeschäften. Dass sie das nicht zum ersten Mal machen, wird schnell deutlich: Mit Handzeichen und geübten Griffen klauen sie das Essen aus den Regalen, ohne dass sie dabei erwischt werden. Auf dem Heimweg entdecken sie das halbverfrorene, verlassene Mädchen Yuri (Sasaki Miyu) und nehmen es mit nach Hause. Dort wird es von den anderen Familienmitgliedern – Mutter, Tante und Grossmutter – aufgenommen, erst zögernd, dann immer herzlicher. Das Mädchen wird mit Essen und Kleidern versorgt, obwohl die Familie selbst am Existenzminimum lebt. Ausserdem pflegt die Oma seine vielen Wunden. Schnell wird klar: Yuri wurde zuhause schlecht behandelt und soll nicht dorthin zurück.
Von nun an leben die sechs also gemeinsam in ihrem sehr bescheidenen Zuhause und der Zuschauer darf eine warmherzige und liebevoll erzählte Familiengeschichte geniessen. Doch nicht alles – eigentlich sogar fast nichts – ist so, wie es anfangs schien und nach und nach kommt die wahre Familienkonstellation ans Licht. Damit geht zwangsläufig die Frage einher, was eigentlich eine Familie ausmacht.
Ein verzaubertes Publikum
Die Familie wächst einem richtig ans Herz und die süsse Yuri verzaubert die Zuschauer von der ersten Sekunde an. Die Geschichte wird langsam und behutsam erzählt. Das gibt dem Publikum Zeit, Details zu erkennen, die Figuren näher kennenzulernen und zu versuchen, aufkommende Fragen zu beantworten. Wie zum Beispiel: Was braucht es, bis einem das Wort «Papa» über die Lippen geht? Und als der junge Shota plötzlich nicht mehr sicher ist, ob seine Diebstähle ethisch in Ordnung sind, bleibt dem Zuschauer nicht viel anderes übrig, als Sympathie für diese kindliche Naivität zu empfinden.
Die bezaubernden Figuren und der zärtliche Umgang untereinander werden für warme Herzen sorgen.
«Shoplifters» hat dieses Jahr an den Filmfestspielen in Cannes die Goldene Palme gewonnen und wird wohl auch in der Schweiz viele Menschen begeistern. Die bezaubernden Figuren und der zärtliche Umgang untereinander werden für warme Herzen sorgen – nicht nur, weil der Film kurz vor Weihnachten in die Kinos kommt.
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Kinostart Deutschschweiz: 13.12.2018
Filmfakten: «Shoplifters» / Regie: Hirokazu Kore-eda / Mit: Lily Franky, Ando Sakura, Matsuoka Mayu, Kiki Kilin, Jyo Kairi, Sasaki Miyu / Japan / 121 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Cineworx GmbH
Ein einfühlsam erzähltes Familiendrama, das die Zuschauer verzaubert
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