Das dänische Thrillerdrama «Shorta» um zwei Polizisten, die in einem Kopenhagener Problemviertel festsitzen, ist ein thematisch konfuser Beitrag zur anhaltenden Diskussion über Polizeigewalt und die öffentliche Reaktion darauf. Bisweilen verlieren sich die Regisseure Anders Ølholm und Frederik Louis Hviid sogar in der Geschmacklosigkeit.
«Shorta» wurde vor den Fällen George Floyd, Breonna Taylor und Jacob Blake gedreht, – bespielte aber vor deren Hintergrund 2020 diverse Festivals, unter anderem das 16. Zurich Film Festival. Wir erinnern uns: Es waren diese und weitere Beispiele gewaltsamer polizeilicher Übergriffe, die zu globalen Black-Lives-Matter-Protesten führten.
Dass die Produktion des inzwischen auf VOD verfügbaren Films diesen Protesten vorangegangen war, ist allerdings nur ein kleines Feigenblatt: Die Debatten, welche die überharten, in zwei Fällen gar tödlichen Verhaftungsversuche von Floyd, Taylor und Blake von neuem losgetreten haben, beschäftigen die Weltöffentlichkeit nicht erst seit dem Sommer 2020. Das hinderte Anders Ølholm und Frederik Louis Hviid nicht daran, einen Actionfilm mit dramatischen Untertönen zu drehen, in dem die Protagonisten, zwei dänische Polizisten, einer aufgebrachten Menge von Migranten gegenüberstehen.
Nach der schiefgelaufenen Verhaftung des jungen Afro-Dänen Talib Ben Hassi, der seither auf der Intensivstation um sein Leben kämpft, erhalten die Kopenhagener Gesetzeshüter*innen klare Anweisungen: Haltet euch zurück und geht nicht nach Svalegarden, denn gerade in diesem (fiktiven) Migrantenviertel droht die kollektive Wut überzukochen. Eine dubiose Autobeschattung später landen der hitzköpfige Mike (Jacob Lohmann) und der schweigsame Jens (Simon Sears) aber dennoch im gefürchteten Hexenkessel, wo sie obendrein auch noch den unbescholtenen Teenager Amos (Tarek Zayat) drangsalieren. Als schliesslich die Nachricht von Ben Hassis Tod die Runde macht, explodiert das Pulverfass.
«Der Anspruch, so scheint es, war eine dänische Entsprechung zu Ladj Lys oscarnominiertem ‹Les Misérables› – einem umfassenden und empathischen Porträt der komplexen Mechanismen, die in europäischen ‹Problemvierteln› herrschen.»
Es ist offensichtlich, dass das Regie-Duo nicht das Ziel hatte, einen Imagefilm für die Polizei zu drehen. Mike ist ein Musterbeispiel für einen ausfälligen, unverhohlen rassistischen «Bad Cop»; Jens’ Zurückhaltung kann als moralische Feigheit verstanden werden; und Amos’ Blickwinkel gewinnt mit laufender Filmdauer zunehmend an Wichtigkeit. Der Anspruch, so scheint es, war eine dänische Entsprechung zu Ladj Lys oscarnominiertem «Les Misérables» (2019) – einem umfassenden und empathischen Porträt der komplexen Mechanismen, die in europäischen «Problemvierteln» herrschen.
«Shorta» verbindet diesen Anspruch aber mit einer letztlich inkompatiblen Lust an kerniger Action, die sich in rasanten Montagesequenzen und heftigen Schiessereien äussert und somit weniger an Ly als an Michael Bay erinnert. Es ist schwer, einem Film das nuancierte Sozialdrama abzunehmen, wenn sein Establishing Shot der Nachbarschaft, in der vor allem Menschen mit Migrationshintergrund wohnen, zwei finster dreinblickende Frauen in Niqab und Chador zeigt.
Entsprechend unreflektiert fallen denn auch die «seriösen» Anwandlungen von Ølholm und Hviid aus. Ihr Film fusst auf der Annahme, dass die primäre öffentliche Reaktion auf einen polizeibedingten Todesfall Plünderungen und gewaltsame Unruhen sind, derweil friedliche Protestzüge und Mahnwachen als Minderheitsphänomen abgetan werden. Dieses pauschale Urteil schlägt sich auch in der Darstellung der «guten Immigrantenfamilie» von Amos nieder: Diese wird inszeniert als positive Ausnahme zu den gesichtslosen Horden von arabischstämmigen jungen Männern, die Mike und Jens mit Milchshakes, Ziegelsteinen und Molotowcocktails bewerfen.
«‹Shorta› verbindet diesen Anspruch aber mit einer letztlich inkompatiblen Lust an kerniger Action, die sich in rasanten Montagesequenzen und heftigen Schiessereien äussert und somit weniger an Ly als an Michael Bay erinnert.»
Schade eigentlich, denn Hviid und Ølholm erweisen sich in ihrem Langspielfilmerstling als durchaus kompetente Action-Regisseure. Es wäre ihnen zu wünschen, dass sie diese Fähigkeit in Zukunft nicht mehr in Drehbücher investieren, die – und sei es unbeabsichtigt – zur Dämonisierung von Menschen beitragen, die sich gegen Polizeigewalt zur Wehr setzen.
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Verfügbar auf blue TV und Apple TV
Filmfakten: «Shorta» / Regie: Anders Ølholm, Frederik Louis Hviid / Mit: Simon Sears, Jacob Lohmann, Tarek Zayat / Dänemark / 108 Minuten
Bild- und Trailerquelle: © Koch Media AG. Alle Rechte vorbehalten / Zurich Film Festival
«Shorta» verrennt sich in seiner unglücklichen Darstellung von Polizisten und Menschen mit Migrationshintergrund und ist somit ein Actionfilm mit ungeniessbar bitterem Beigeschmack.
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