Das 17. Zurich Film Festival steht vor der Tür – und das Programm lässt sich sehen: Die 17. Ausgabe glänzt mit einer spannenden Auswahl an Wettbewerbsfilmen und Galapremieren, Hollywoodstars, Autorenfilmer*innen, Serien und herausragenden Fokusthemen, darunter das junge tunesische Kino und die Themenreihe #letSEXplore.
164 Filme aus 53 Ländern werden über die Leinwände flimmern – inklusive «No Time to Die», das letzte James–Bond-Abenteuer mit Daniel Craig als Agent 007. Dass man in weniger als zwei Wochen nicht alle diese Filme sehen kann, versteht sich von selbst. Die Maximum-Cinema-Redaktion hat sich deshalb sieben Highlights herausgepickt, die es dieses Jahr keinesfalls zu verpassen gilt.
«Mona Lisa and the Blood Moon» von Ana Lily Amirpour
Regisseurin Ana Lily Amirpour gewann 2014 bereits mit ihrem Erstlingswerk, dem iranischen Vampirfilm «A Girl Walks Home Alone at Night», die Aufmerksamkeit der Arthouse-Szene. Im melancholischen Schwarzweiss-Vampirwestern stellte sie geschickt bekannte Muster auf den Kopf, betrachtete das sonst meist aus männlicher Perspektive erzählte Genre aus der Sicht ihrer weiblichen Vampir-Protagonistin und kreierte damit ein ganz eigenes Werk. Darauf folgte «The Bad Batch» (2016), in dem Amirpour eine brutalen Dystopie mit Rom-Com-Versatzstücken verknüpfte. Nun läuft hr neuestes Werk «Mona Lisa and the Blood Moon» am diesjährigen ZFF und erzählt die Geschichte von Mona, die Superkräfte hat und damit aus einer Psychiatrie ausbricht, um anschliessend durch New Orleans zu streifen. Was wie ein Fantasy- oder Superheld*innen-Film klingt, dürfte stattdessen erneut ein Ausbruch aus bekannten Genre-Grenzen werden. / Nicoletta Steiger
«Memoria» von Apichatpong Weerasethakul
Einer der renommiertesten internationalen Kunstfilm-Regisseure gibt sich am ZFF 2021 im Rahmen der Kategorie «Special Screenings» die Ehre. Der Thailänder Apichatpong Weerasethakul – Kosename «Joe» –, der 2010 mit «Uncle Boonmee Who Can Recall His Past Lives» die Palme d’or in Cannes gewann, steht für meditativ ruhiges «Slow Cinema», das jene, die sich darauf einlassen, mit unvergesslichen introspektiven Filmerlebnissen belohnt. Weerasethakuls neuester Wurf, der am ZFF zu sehen sein wird, ist «Memoria», die Geschichte einer Botanikerin (Tilda Swinton), die im kolumbianischen Medellín von mysteriösen Geräuschen am Schlafen gehindert wird. Hypnotisch lange Einstellungen, die unergründlichen Rätsel der menschlichen Existenz, Science-Fiction-Einschläge – «Memoria» dürfte der perfekte ZFF-Film sein, um sich für zwei Stunden in eine ganz andere Gefühlswelt entführen zu lassen. / Alan Mattli
«Lamb» von Valdimar Jóhannsson
«Lamb» mag der erste Langfilm von Regisseur Valdimar Jóhannsson sein, aber der Trailer verspricht schon viel: eine hypnotisch-verstörende Atmosphäre und eine originelle Geschichte. Ein kinderloses Paar im ländlichen Island bemerkt eines Tages, dass eines ihrer Schafe ein ungewöhnliches Lamm geboren hat, woraufhin sie das Junge als ihr Kind grossziehen. Bald muss das Paar aber feststellen, dass sich die Natur nicht so leicht verbiegen lässt. Irgendwo zwischen Drama, Horror und düsterem Märchen angesiedelt, verspricht «Lamb», ein einzigartiges Erlebnis zu werden. / Nicoletta Steiger
«Pleasure» von Ninja Thyberg
«Are you coming for business or pleasure?», wird die 20-jährige Linnéa (Sofia Kappel) alias Bella Cherry bei der Einreise von Schweden nach Los Angeles gefragt. Noch antwortet sie mit «pleasure», denn sie will ein Pornostar werden und ist bereit, alles dafür zu tun. Das von Männern dominierten Business, zeigt nicht nur auf, was Pornografie mit Frauen macht, sondern vor allem, was diese Branche von Frauen und Männern erwartet. «Pleasure» erschreckt, aber urteilt nicht. Denn in der Pornoindustrie sind Business und Pleasure tatsächlich schwer zu trennen. / Beate Steininger
Retrospektive: Paolo Sorrentino
Wem der Kopf vor lauter neuen Filmtiteln im Programmheft schwirrt oder sich während des Lockdowns ins Streamen von älteren Filme verliebt hat, kommt beim ZFF auch nicht zu kurz: Dieses Jahr widmet das Festival – neben der 007-Franchise – dem grossartigen italienischen Filmemacher Paolo Sorrentino eine Retrospektive und zeigt insgesamt zehn Filme des Regisseurs aus Neapel. Von seinem Debüt «L’uomo in più» (2001) bis zu seinem letzten Streich, der Serie «The New Pope» (2019), sind alle seine Werke vertreten (und dann gibt es auch noch seinen Neuesten, das Drama «È stata la mano di Dio» zu sehen). Besondere cineastische Feuerwerke werden mit dem wunderbar schwelgerischen «La grande bellezza» (2013) und der politischen Satire «Loro» (2018) auf die Leinwand gezaubert. Und wer sich nach dem ganzen Festivaltrubel alt fühlt, entspannt sich mit Harvey Keitel und Michael Caine in «Youth» (2015) im projizierten Schweizer Kurhotel. / Lola Funk
«The Card Counter» von Paul Schrader
Pünktlich zum 20. Jahrestag der 9/11-Anschläge kam in den USA «The Card Counter», das neue Psychodrama von Paul Schrader («First Reformed»), in die Kinos – ein Film, in dem Oscar Isaac («Inside Llewyn Davis», «Dune») einen Glücksspieler mit hochgradig zwielichtiger Irakkriegs-Vergangenheit spielt. Schrader, der seit seinem Drehbuch für Martin Scorseses «Taxi Driver» (1976) als Spezialist für düstere Charakterstudien über einsame Männer am Abgrund gilt, scheint einmal mehr zu zeigen, dass er nichts von seiner Schärfe eingebüsst hat. Das Gros der Kritiker*innen ist sich einig: «The Card Counter» ist eine fesselnde Auseinandersetzung mit der Frage, ob gewisse Sünden unverzeihlich sind. / Alan Mattli
«Spencer» von Pablo Larraín
Der vielseitige chilenische Regisseur Pablo Larraín befasst sich nach seinem letzten Film, dem neonfarbenen Tanzdrama «Ema», das am ZFF 2019 lief, wieder einmal mit einem historischen Frauenporträt: und zwar von der beliebten englischen Prinzessin Diana, gespielt von Kristen Stewart, die sich mit dieser Rolle mitsamt englischem Akzent und melancholischem Gesichtsausdruck zum x-ten Mal aus ihrem widerspenstigen «Twilight»-Image spielt. «Spencer» spielt während der Weihnachtstage des Jahres 1991, an welchen sich Diana entscheidet, Prinz Charles zu verlassen, sich aus dem goldenen Käfig des britischen Königshauses zu befreien und ihren Mädchennamen Spencer wieder anzunehmen. Wer Larraíns Drama «Jackie» (2016) über die trauernde Witwe von John F. Kennedy kennt, weiss, dass sich hier eine feinfühlige Innenlebenansicht auf der Leinwand entfalten wird. / Lola Funk
–––
Quellen: Titelbild aus «Memoria» Filmstill © Sandro Kopp © Kick the Machine Films, Burning, Anna Sanders Films, Match Factory Productions, ZDF-Arte and Piano / «The Card Counter» Filmstill © Universal Pictures International Switzerland. All Rights Reserved..jpg / «Mona Lisa and the Blood Moon» Cr. / Le Grisbi Productions, 141 Entertainment / Rocket Science / und «Pleasure» / Xenix Film Schweiz / Zurich Film Festival / «Spencer» DCM Films
No Comments