Über zweieinhalb Stunden lässt uns Martin Scorsese in «Silence», mitleiden – und manchmal auch selbst etwas leiden. Denn sein neuster Film über die letzten Jesuiten in Japan besticht zwar durch seine Bildgewalt, doch Handlung und Hauptfigur sind etwas blass.
Wer am Schreibtisch sitzt oder vor dem Altar steht, für den ist es leicht, eine feste Überzeugung zu haben. Nicht so für den, der mit der Welt genau so hadert wie mit sich selbst. Verdient ein Glaube nur dann seinen Namen wenn er absolut ist? Oder gelten moralische Überlegungen auch dann, wenn sie opportunistisch sind?
Ein portugiesisches Kloster im Jahr 1638. Die beiden jungen Jesuiten Rodrigues und Garrpe erreicht die Kunde, dass ihr Mentor Ferreira vom Glauben abgefallen sei. Da Christen verfolgt werden, stand er offenbar vor der Frage zwischen Bekehrung und Tod.
Ungläubig bezüglich der Kunde machen sich die beiden auf den langen Weg nach Japan. Unterwegs lernen sie den dem Alkohol verfallenen Kichijiro (eindringlich: Yosuke Kubozuka, der an Toshiro Mifune erinnert) kennen, der verspricht, sie nach Japan zu schmuggeln. Das Land hatte kurz zuvor Ausländern verboten, seinen Boden zu betreten, aus Angst, dass das Christentum sonst Fuss fassen könne.
Während Rodrigues (Andrew Garfield) prinzipientreu und stark ist, fängt Garrpe (hervorragend und mit einer zu kleinen Rolle bedacht: Adam Driver) bald an zu zweifeln, an Gott genau so wie an sich und der Welt. Die Bewohner des Dorfs, in dem sie strandeten, sind im Untergrund lebende Christen. Dennoch kommt ihnen der Inquisitor (wunderbar böse: Issey Ogata) auf die Schliche. Ein auswegloses Katz- und Mausspiel beginnt.
Judas, Jesus und das Herz der Finsternis
Rodrigues wird auf die Probe gestellt – besonders als sich ein vermeintlicher Freund nicht ganz unvorhersehbar als Verräter entpuppt. Mehrmals inszeniert Scorsese den Einzug nach Jerusalem – was den weiteren Verlauf des Films mehr als andeutet. Der Jesuit muss schier unerträgliches Leid mitansehen und sich mit seinem Glauben und seiner Vergangenheit auseinandersetzen. Nicht nur die weite, bisweilen paradiesische Landschaft Japans ist voll der titelgebenden Stille, Gott ist es genau so.
Doch so redlich sich Andrew Garfield bemüht, so sehr scheitert er als quasireligiöser Superman. Zu sehr Fassade ist seine Messiasfigur, um das schwere Kreuz zu tragen und zu jugendlich-unbekümmert, um den Zwiespalt glaubhaft zu verkörpern.
Auch die Geschichte überzeugt nicht ganz. In ihren Grundzügen erinnert sie an Joseph Conrads brillante Erzählung «Heart of Darkness» (welches später die Vorlage für Francis Ford Coppolas «Apocalypse Now» wurde), ohne jedoch auch nur annähernd dessen Sog zu entwickeln. Die Mischung aus Brutalität und Moral, Zivilisation und Barbarei sowie das Aufeinanderprallen zweier Kulturen ist hier gleichzeitig zu schwer (in den Gewaltszenen) und zu leer (in den Dialogen über Glaube und Moral). Dass der Schluss dann doch einige Fragen offen lässt, stimmt versöhnlich.
Kinostart: 2. März 2017 / Regie: Martin Scorsese / Mit: Andrew Garfield, Adam Driver, Tadanobu Asano, Ciarán Hinds, Liam Neeson / 161 Minuten
Trailer- und Bildquelle: Ascot Elite
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