Die Zeiten ändern sich – in der Schweizer Gesellschaft wie auch im Schweizer Kino. Lisa Blatters „Skizzen von Lou“ illustriert, wie Letzteres immer noch kein Rezept gefunden hat, Erstere befriedigend darzustellen.
Lou (Liliane Amuat) ist Ende 20 und liebt es, frei und ungebunden durch die Welt reisen zu können. Als sie aber einen Sommer lang in Zürich Halt macht, lernt sie Aro (Dashmir Ristemi) kennen, der sich in einer etwas baufälligen Wohnung gerade häuslich einzurichten beginnt. Während sie bereits ans Ende ihrer Wiedikon-Stippvisite denkt, nach der sie in Nepal Entwicklungshilfe leisten will, glaubt er, die grosse Liebe gefunden zu haben. Millennial-Vorstellungen von Freiheit prallen auf die Verlockungen der bürgerlichen Konvention – Konflikte sind vorprogrammiert.
Ja ja, die Liebe im Zeitalter von Smartphones, WhatsApp und Tinder… Es ist ein beliebtes Thema für nachdenkliche Filme über „die heutige Zeit“. Keine Frage, es braucht solche Beiträge, auch wenn die meisten davon sehr schnell in nostalgischen Plattitüden über Werteverlust und die angeblich entmenschlichende Technologie versinken. So weit geht „Skizzen von Lou“ zum Glück nicht. Aber leider hat Blatter dennoch nicht viel Konstruktives im Angebot. Das Drama ist kunstfertig in Szene gesetzt und gehört, als Produktion von 2:1 Film („Heimatland“, „Europe, She Loves“), zur neuen Welle des Schweizer Kinos, die sich bewusst von der Heimatromantik von Publikumslieblingen wie Michael Steiner oder Alice Schmids „Die Kinder vom Napf“ distanziert. Gezeigt wird eine urbane Schweiz, in der Alpen, Kühe und andere Nationalikonen kaum eine Rolle spielen. So weit, so gut.
Doch dieser Ansatz allein, das hat die Zürifäscht-Tragödie „Mary & Johnny“ schon gezeigt, genügt noch nicht, um der modernen Schweiz wirklich gerecht zu werden. Lou, wie schon Mary und Johnny, zeichnet sich trotz spärlicher Dialoge vor allem durch ihren penetranten Starrsinn und die selbstgefällige Inszenierung des eigenen (privilegierten) Weltschmerzes aus. Unter diesen Voraussetzungen Gefühle für ihre Beziehung mit Aro zu empfinden, ist denkbar schwierig, zumal nach jedem versöhnlichen Moment die nächste Grundsatzdiskussion nicht lange auf sich warten lässt.
So bleibt denn auch ein ähnlicher Eindruck zurück wie nach „Mary & Johnny“: Die willkommene Innovation auf der formalen und erzählerischen Ebene wird untergraben von schwer nachvollziehbaren Protagonisten, die einem als Stellvertreter für eine ganze Generation verkauft werden. Liebes Schweizer Kino, wie wäre es einmal mit einer sympathischen Millennial-Hauptfigur? Die gibt es nämlich auch.
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Kinostart Deutschschweiz: 2.2.2017
Filmfakten: „Skizzen von Lou“ / Regie: Lisa Blatter / Mit: Liliane Amuat, Dashmir Ristemi, Noëmi Steffen, Hans-Jakob Mühlethaler / Schweiz / 82 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Zürich Film Festival
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