Seit Jahren wurde wohl kaum ein Serienfinale so sehr herbeigesehnt wie jenes von «Game of Thrones». Seit acht Staffeln und einer gefühlten Ewigkeit beschäftigt uns der Machtkampf im mittelalterlichen Westeros – was als bescheidene Buchadapation begann, nahm mit zunehmender Laufzeit immer epischere (und kostspieligere) Ausmasse an. Der Hype scheint ungebrochen – die erste Folge der achten und letzten Staffel wurde allein in den ersten Stunden über 50 Millionen mal heruntergeladen. Die «Maximum Cinema»-Redaktion blickt nun, wo der Winter endlich da ist und der HBO-Fantasyepos endgültig abgeschlossen, zurück auf die wohl erfolgreichste Serie der Neuzeit.
Wer noch nicht alle «Game of Thrones»-Folgen gesehen hat, sollte nicht weiterlesen, denn dieser Beitrag enthält massive Spoiler!
Drachen, Sex und Boobs – was will man mehr?
Am Anfang waren wir noch geschockt als der beliebte und vermeintlich unsterbliche Ned Stark das Zeitliche segnen musste. Seit diesem denkwürdigen Tag sind acht (!) Jahre vergangen und wir sind älter geworden. Inzwischen wurde Trump zum Präsidenten der USA gewählt, die Costa Concordia ist vor der italienischen Küste untergegangen, der «Dab» kam und ging und die Notre Dame ist abgebrannt. Wisst ihr noch; damals sangen Gotye «Somebody that I used to know»?
Somebody that we used to know sind nun auch die Figuren von «Game of Thrones». Und das Internet kommt nicht damit klar – es ist wütend, enttäuscht und aufmüpfig! Eine Petition verlangt sogar eine Neufassung! The internet is dark and full of hate.
Man kann vom Finale halten was man will. Fakt ist, dass es nicht ganz einfach ist eine solche umfangreiche und komplexe Geschichte zufriedenstellend zu Ende zu bringen. Klar hätte man sich gewünscht, dass sich die Schreiber etwas mehr Zeit gelassen hätten: Mitunter fühlte sich die finale Staffel sehr hastig und hölzern an, die Chemie zwischen einigen Schauspielern liess zu wünschen übrig und das CGI war nicht immer das Gelbe vom Drachenei.
Aber vergessen wir nicht was «Game of Thrones» schlussendlich war: Unterhaltung – ein guilty pleasure. Welche Serie hat zuletzt unser Bedürfnis nach Soap Opera-Intrigen und blutigen Kämpfen gestillt? «Game of Thrones» hat uns Drachen und Sex, Schwertkämpfe und Boobs beschert. Was will man denn noch mehr? Mein Hunger nach Blut und Kampf ist jedenfalls vorerst befriedigt. Der nächste Serien-Hype kann kommen. Und ich freue mich fast ebenso auf das Drama der Internetdiskussionen!
– Christine Albrecht
Ein würdiger, wenn auch etwas simpler Abschluss
Wer hätte vor acht Jahren gedacht zu welch internationalem Phänomen sich diese Fantasy-Familiengeschichte mausern würde. Zu Beginn noch etwas belächelt und als typisches Genre-Produkt abgestempelt, kann wohl niemand bestreiten, dass keine andere Serie seit dem Ende von «Breaking Bad» vor sechs Jahren so heiss diskutiert wird und auch polarisiert. Dies geht so weit, dass unzufriedene Zuschauer eine Petition lancierten, die finale Staffel nochmals neu zu schreiben. Noch bevor sie das eigentliche Ende gesehen haben, wohlgemerkt. Menschen haben mittlerweile das Gefühl, über alles verfügen zu können, was ihnen nicht passt – respektlos, und als ob es keine wichtigeren Dinge gäbe.
Während diese achte Staffel eine Handvoll Pacing- und Logik-Probleme inne hatte und vielleicht einige inhaltlich fragwürdige Entscheidungen getroffen wurden, war sie doch alles in allem ein würdiger, wenn auch etwas simpler Abschluss dieser epischen, oftmals verwirrenden, von Fans in den Himmel gehypten, aber stets unterhaltsamen Geschichte.
– Aurel Graf
Schade, ist das Lied von Eis und Feuer nun zu Ende
«Game of Thrones» ist Geschichte! Und damit gehen viele Stunden bester Unterhaltung zu Ende. Oder aber sie fangen erst an, falls sich jemand noch nicht dazu durchgerungen hat, die Serie zu schauen. Als Zuschauer kommt man auf jeden Fall auf seine Kosten, auch wenn es vielleicht doch ein wenig Zuneigung fürs Fantasygenre braucht. Trotz der Vorliebe fürs Unnatürliche und Magische wurden unzählige Elemente des guten Storytellings angesprochen, wie Rache, Inzest, Brudermord, verschmähte Liebe und auch die ein oder andere Familienfehde. Alles was auch in jeder anderen guten Serie für beste Unterhaltung sorgt, eben.
Was «Game of Thrones» besonders machte, ist dass die Serie visuell zu überzeugen wusste und einzelne Folgen auf Kinofilmniveau inszeniert wurden: Wunderschöne Bilder, viel Bewegung, reichlich Action und auch räumliche Abwechslung, die dem statischen Eindruck anderer TV-Serien entgegenstand. Soviele Protagonisten, deren Werdegang man mitverfolgen und sich mit ihrem Leid, ihrem Zorn oder ihrer Leidenschaft identifizieren konnte. Auch die Charaktere zeigten viele Facetten, wodurch man als Zuschauer zwischen Zu- und Abneigung hin- und hergerissen war, was den Unterhaltungswert zusätzlich verstärkte.
Vielleicht mag die letzte Staffel nicht mehr an die Grandiosität der vorhergehenden heranreichen, doch das ist in Anbetracht der unglaublich großen Erwartung an den Schluss auch kaum zu bewerkstelligen. Und vielleicht hätten es ein, zwei Folgen mehr sein können, damit gewisse Beweggründe der Figuren nachvollziehbar gewesen wären. Die Dosis zwischen Folgen, in denen wenig passiert und solchen, in denen sich die Ereignisse fast überschlagen, hätte in den letzten Staffeln etwas ausgeglichener sein können.
Aber alles in allem sorgte die eine oder andere überraschende Wendung und vor allem die überwältigende Bildsprache für Gänsehautmomente und Tränenfluss, wie man es sich von der Serie gewohnt war. Eine so schöne Ode an die Geschichten, die uns bewegen und Bilder, die uns träumen und erschaudern lassen, bekommt man selten in einer geballten Ladung von ganzen acht Staffeln mit insgesamt dreiundsiebzig Folgen. Schade, ist das Lied von Eis und Feuer nun zu Ende und die Alltagsflucht muss sich wieder ein anderes Objekt der Begierde suchen.
– Franziska Merz
Überragendes und ambitioniertes Fernsehen – trotz Allem
George R.R. Martin mag ein chaotischer und unglaublich langsamer Autor sein, aber die Welt, die er mit seinen Büchern geschaffen hat, ist einzigartig. Und man muss an dieser Stelle unbedingt festhalten: An die Buchvorlage reichte «Game of Thrones» zu keinem Zeitpunkt heran. Zeitweise war die TV-Adaptation von David Benioff & D.B. Weiss aber verdammt nah dran, dem Original gerecht zu werden – speziell in den ersten Staffeln, als es den Machern gelang, die etwas verzettelte Vorlage von George R.R. Martin ohne grosse Verluste zu straffen.
Die Serie lebte nicht nur von den Wendungen und Wirrungen, sondern auch von ihrem charismatischem Cast, den ikonischen Locations und einem – fürs Fernsehen überraschend eingängigen – Soundtrack. Doch spätestens seit die Serie vor einigen Jahren die Bücher hinter sich gelassen hat, hat «Game of Thrones» abgegeben. Zu Beginn noch eher unmerklich – wohl auch, weil die besten Ideen (Hodors unerwartete Backstory oder Cerseis unerbittlicher Racheakt in der sechsten Staffel) noch immer aus der Feder von George R.R. Martin stammen dürften.
Das heisst nicht, dass die Serie ohne Vorlage nicht mehr zu unterhalten weiss – nach acht Staffeln verstehen es die Showrunner, packende und überraschende Action zu inszenieren und das erst noch auf einem für TV-Verhältnisse hohem Niveau. Dass sie dabei die Story sträflich vernachlässigen, scheint sie aber nicht wirklich zu stören – oder vielleicht ist das der Preis, den sie bereit sind zu zahlen, um die Serie endlich abschliessen zu können. Da geht dann mal eben die ein oder andere Charakterentwicklung der letzten Staffel flöten.
Schade ist es alleweil, denn dieses gehetzte Ende ist dieser eindrücklichen Serie leider nicht würdig – und erst Recht nicht der Buchvorlage, die hoffentlich dereinst ein gelungeneres Ende findet und gewisse von der Serie ignorierten Storylines fertigspinnt (Lady Stoneheart oder den dritten Targaryen). Nichtsdestotrotz wird «Game of Thrones» auch in Jahren noch als Beispiel für überragendes und ambitioniertes Fernsehen bestehen bleiben. Daran ändert sich auch nach acht Staffeln, 73 Episoden und sechs König*innen nichts.
– Owley Samter
Bis dann, ihr grossartigen Frauen von Westeros!
Die einzigartige achtjährige Reise, die nun zu Ende ging, war episch und visuell berauschend, überwiegend gut geschrieben und sorgte für zahlreiche atemberaubende Plottwists. Und doch blieb unterwegs immer wieder ein etwas unangenehmer Nachgeschmack: Die Gender-Politik der Serie sorgte durch alle Staffeln hindurch für hitzige Diskussionen.
Zwischen all den objektifizierenden Sex- und Vergewaltigungsszenen, die sich oft ganz beiläufig abspielten, und der sehr genderspezifischen Gewalt, die den Frauen in Westeros regelmässig widerfuhr, schien es beinahe unwirklich, dass die Serie eben auch anders konnte: Cersei, Sansa, Arya, Margaery, Olenna, Brienne und nicht zuletzt Daenerys wurden als Aushängeschilder des Pop-Feminismus bejubelt.
Vieles wurde bereits über den gehetzten Plot der letzten Staffeln geschrieben, der die Charaktere ihrer Tiefe und ihrer Motivation beraubte. Bei jeder liebgewonnenen Figur war das frustrierend (etwa bei Jaime Lannister, dessen Weg zur Besserung in einen sinnlosen Abgrund führte) – doch nirgends schmerzte es so sehr wie bei den weiblichen Charakteren, die sich Staffel für Staffel tapfer gegen den gewaltsamen Sexismus behauptet hatten.
Cersei, einst allen einen Schritt voraus und gehasst und gefeiert als Superbösewichtin, stand in den letzten Folgen meist schweigend am Fenster des Palastes und nippte ungewohnt apathisch an ihrem Wein. Ihre letzten Momente verbrachte sie – so gar nicht ihrem Charakter entsprechend – weinend und flehend. Exit: Cersei – schlicht, einfach und langweilig von einer einstürzenden Decke zerquetscht.
Am meisten Ärger holten sich die Serienmacher allerdings für ihren Plot-Twist um Daenerys: Dass die einst gefeierte «Mother of Dragons» den Pfad zum zerstörerischen Grössenwahn einschlagen könnte, war vielen Fans schon lange klar. Die Art und Weise, wie es geschah, sorgte allerdings für Kopfschütteln: Die unbeugsame Drachenreiterin musste, Plot sei Dank, plötzlich dem Wahnsinn verfallen – um einem Thronsaal voller pragmatischer Männer Platz zu machen, die heiter über Bordelle plaudern. Brienne durfte auch nochmal dabei sein – immerhin nutzte sie brav ihre gefühlt 2 Sekunden lautloser Screentime, um Jaimes Grossartigkeit für die Nachwelt festzuhalten.
Bis dann, ihr grossartigen Frauen von Westeros: Ihr wart toll, gerissen, knallhart, leidenschaftlich, klug, intrigant und bitterböse und habt alles, was euch angetan wurde – innerhalb der Serie und ausserhalb – nicht verdient.
– Sara Bucher
Vielschichtig bis zum Schluss
Die letzte Staffel von Game of Thrones hat, durchaus zurecht, nicht die besten Noten von Fans und KritikerInnen erhalten. Was aber bis am Schluss blieb, ist die Hingabe zu vielschichtigen Beziehungen. So quasi als «Fifty Shades of Grey» mit weniger Spielzeugen zelebrierte die Serie die Liebe zu Grautönen richtiggehend. Diese Tendenz entstammte zu einem grossen Teil der Feder George R.R. Martins, setzte sich aber auch über die Buchvorlage hinaus durch.
Verzeiht man den Produzenten das Verzichten auf eine der grossartigsten Figuren aus den Romanen überhaupt, Lady Stoneheart, bleiben trotzdem noch viele weitere Charaktere, die bis am Schluss nicht leicht einzuordnen sind. Auch wenn gewisse Entwicklungen gegen Ende arg oberflächlich wirkten, so sind doch Figuren wie Jaime Lannister, Stannis Baratheon oder Margaery Tyrell nie einfach nur gut oder böse. Im Wettbewerb um den Eisernen Thron gibt es schliesslich keine reinen Westen.
– Selina Wolfisberg
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Titelbild: © HBO
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