Das Leinwanddebüt des Videospiel-Igels Sonic stand seit dem grauenerregenden ersten Trailer unter einem schlechten Stern. Insofern grenzt das Fazit, dass «Sonic the Hedgehog» allzu konventionell geraten ist, fast schon an ein Kompliment.
Seit der Veröffentlichung des ersten Trailers für «Sonic the Hedgehog» am 30. April 2019 fechten die Verantwortlichen einen schier aussichtslosen Kampf um das Wohlwollen des Publikums aus. Denn was darin zu sehen war, war wohl nach «Cats» das grösste CGI-Desaster des Jahres: Sonic (Ben Schwartz), der pfeilschnelle blaue Igel aus den Spielen des einstigen Game-Giganten Sega, irritierte mit viel zu kleinen Augen, menschlichen Zähnen und allerlei anderen Vergehen gegen den guten Geschmack. Gita Jackson brachte es poetisch auf den Punkt: «The ‹Sonic the Hedgehog› movie is a blight upon this weary earth.» Es folgte eine massive Designüberarbeitung, die den Kinostart um drei Monate verzögerte und deren Resultate nach einem zweiten Trailer im Allgemeinen auf positives Echo stiessen. Doch das Narrativ war unumstösslich: «Sonic» war der Film mit dem unheimlichen Menschenigel, der erst noch beweisen musste, dass er es nicht verdient, im gleichen Atemzug mit «Cats» genannt zu werden.

Tika Sumpter, James Marsden und Sonic (Ben Schwartz) in «Sonic the Hedgehog»
Nach diesem ausgesprochen niedrigen Messwert kann das Regiedebüt des Animators Jeff Fowler als Erfolg bezeichnet werden. Immerhin schafft er es, anders als Tom Hooper, in einer nachvollziehbaren Bildsprache eine Geschichte zu erzählen, die über das Nennen von Eigennamen hinausgeht. Doch auch Sonic stellt sich vor: Der vorwitzige Überschall-Sprinter musste vor einigen Jahren seinen Heimatplaneten mithilfe eines Teleport-Rings verlassen und landete auf der Erde, wo er sich in einem beschaulichen Dorf im pazifischen Nordwesten der USA niederliess. Im Geheimen beobachtet er den Alltag der Menschen, insbesondere den des Polizisten Tom (James Marsden), der davon träumt, im grossen San Francisco auf Streife gehen zu können. Gestört wird dieses Idyll, als Sonic einen weitläufigen Stromausfall verursacht, der das grössenwahnsinnige Genie Dr. Robotnik (Jim Carrey) auf den Plan ruft.
Daraus spinnen die Autoren Pat Casey und Josh Miller einen nachgerade anheimelnd altmodischen Kinderfilm: Der aufgedrehte Sonic und der widerwillige Tom müssen als komödiantisches Duo einen Roadtrip meistern, während ihnen Robotnik und seine ausgefallenen Maschinen hinterherjagen. Ein bisschen Flachwitz-Situationskomik hier, ein paar Explosionen da – fertig ist das familienfreundliche Abenteuer, mit dem man sich mit Kind und Kegel den Samstagmorgen vertreiben kann.
«Ein bisschen Flachwitz-Situationskomik hier, ein paar Explosionen da – fertig ist das familienfreundliche Abenteuer, mit dem man sich mit Kind und Kegel den Samstagmorgen vertreiben kann.»
Dafür muss sich ein Film aus dem notorisch unterirdischen Kanon der Game-Adaptionen sicherlich nicht schämen. Es kann ja nicht jede dieser Produktionen ein abstruser Neo-Noir wie der wunderbare «Detective Pikachu» (2019) sein. Zugleich ist es aber auch schwer, allzu viel Begeisterung für einen Film aufzubringen, dessen prominentestes Merkmal der Verzicht auf jegliche Aussergewöhnlichkeit ist.

Jim Carrey in «Sonic the Hedgehog»
«Man hätte diesem Film mehr Mut zum Experiment gewünscht.»
Ein Grund dafür ist auch, dass die stärksten Elemente von «Sonic the Hedgehog» von seinen schwächsten aufgewogen werden. Ben Schwartz – grossartig als trottelige Nervensäge Jean-Ralphio in der Sitcom «Parks and Recreation» (2009–2015) – mag die ideale Besetzung für einen hyperaktiven Igel sein, bekommt aber schlicht zu wenig lustiges Material, um volles Kapital daraus zu schlagen. Das ist ein kleineres Problem für Jim Carrey, der bekanntlich ein begnadeter Bewegungskomiker ist und selbst in seinen schlechtesten Filmen für den einen oder anderen Slapstick-Lacher gut ist. Tatsächlich erinnert er hier – schnaubend, feixend, sich verrenkend – streckenweise an seine grandiose Darbietung in «Lemony Snicket’s A Series of Unfortunate Events» (2004). Doch weil die Handlung verlangt, dass er sich in diesem ersten Teil einer geplanten Franchise in Sachen Überdrehtheit noch zurückhält, bleibt auch sein Potenzial unerfüllt. Es mag angesichts des entsetzlichen Sonic-Originaldesigns riskant sein, das Schicksal derart herauszufordern, aber: Man hätte diesem Film mehr Mut zum Experiment gewünscht.
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Kinostart Deutschschweiz: 13.2.2020
Filmfakten: «Sonic the Hedgehog» / Regie: Jeff Fowler / Mit: Ben Schwartz, James Marsden, Jim Carrey, Tika Sumpter, Natasha Rothwell, Lee Majdoub, Adam Pally / USA, Japan / 99 Minuten
Bild- und Trailerquelle: The Walt Disney Company (Switzerland) GmbH
Wer sich von «Sonic the Hedgehog» kultigen Trash versprach, wird enttäuscht werden. Wer auf eine kreative Gameverfilmung à la «Detective Pikachu» hoffte, auch. Der Film ist harmloses Mittelmass.
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[…] | Alan Mattli @ Maximum Cinema […]