Spoilers zur Hitserie «Stranger Things» findet man im Internet genug, dieser Artikel beschränkt sich auf ein Minimum zur Handlung, denn die Serie ist so sorgfältig und liebevoll konzipiert, dass die narrativen Ereignisse je länger je mehr am wenigsten der Rede wert sind.
Sommer 1985: Der Freundeskreis rund um die telekinetisch begabte Eleven (Millie Bobby Brown) geniesst die heissen Sommertage im Städtchen Hawkins. Doch schon bald häufen sich die dubiosen Ereignisse und schnell wird klar, dass ein alter Feind zurück ist – oder womöglich gar nie weg war. Dazu kommen neu die kommunistischen Russen, die ebenfalls ihr Unwesen in Hawkins treiben.
So stereotyp es klingt, ist es auch. Und die klischeehafte Darstellung der russischen Truppen ist nur der Anfang. Im Gegensatz dazu wird nämlich der amerikanische Kapitalismus visuell richtig abgefeiert. Das Setting ist in dieser Staffel mehrheitlich die Mall, die als Konsumparadies sogar die bisher eher bodenständige Eleven in ihren Bann zieht. Zwischen den Neonlichtern von Burger-King- und Coca-Cola-Anzeigen werden immer wieder stimmige Bilder konzipiert, welche die Handlung teilweise schon fast in den Hintergrund rücken lassen.
Das gilt auch für die Szenen auf dem Volksfest zum amerikanischen Nationalfeiertag am 4. Juli (wenig überraschend, dass Netflix die neue Staffel ebenfalls an diesem Tag veröffentlichte). Neben dem tatsächlichen Feuerwerk sind diese Sequenzen ein ästhetisches Feuerwerk an knalligen Lichtern mit viel rot-weiss-blau. Diese sorgfältig ausgearbeitete Ästhetik zieht sich konsequent durch die Staffel und lässt mit ihrem Eindruck auch die krasse Russland-Stereotypisierung und den USA-Hype verzeihen.
Ausserdem weiss «Stranger Things», dass es sich selbst nicht allzu ernst nehmen soll, und vermag so eine allzu verherrlichende Darstellung à la «Make America Great Again» zu vermeiden. Durch die fundierten Charakterzeichnungen kann man mit jeder einzelnen Figur sympathisieren. Besonders gelungen ist hier die Inszenierung der Beziehung zwischen Polizist Hopper (David Harbour) und Wahltochter Eleven, die in den acht Episoden zwischen humorvoll und herzzerreissend das ganze Spektrum an Emotionen bedient. Sowieso schaut sich die neue Staffel wie eine Achterbahn: Die Episoden schwanken von amüsant über gruselig bis ekelerregend, sodass man spätestens jetzt auf Snacks beim Binge-Watching verzichten sollte.
«Die neue Staffel schaut sich wie eine Achterbahn: Die Episoden schwanken von amüsant über gruselig bis ekelerregend, sodass man spätestens jetzt auf Snacks beim Binge-Watching verzichten sollte.»
Nach den enttäuschenden Fortsetzungen der Netflix-Produktionen «Black Mirror» und «Dark» werden wenigstens die neuen Episoden von «Stranger Things» ihren Vorgängern gerecht. Die neue Staffel ist zwar inhaltlich kein Geniestreich, dafür bietet sie eine Reise in ein harmonisches 80er-Setting wie sie nur wenige Produktionen hinkriegen und ein visuelles Feuerwerk, wie am 4. Juli.
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Jetzt auf Netflix Schweiz
Serienfakten: «Stranger Things» (3. Staffel) / Creators: Matt Duffer, Ross Duffer / Mit: Millie Bobby Brown, Finn Wolfhard, Winona Ryder, David Harbour, Gaten Matarazzo, Noah Schnapp, Caleb McLaughlin, Sadie Sink, Natalia Dyer / USA / 8 Episoden à 49–76 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Netflix
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