«Summer of Soul (…Or, When the Revolution Could Not Be Televised)» von Ahmir «Questlove» Thompson
Nach dem Erfolg auf dem Sundance Film Festival dieses Jahres ist es jetzt auch auf Disney+ zu sehen: Ahmir «Questlove» Thompsons preisgekröntes Regiedebüt «Summer of Soul» erzählt in grandiosen Bildern von einem weitgehend in Vergessenheit geratenen Kapitel afroamerikanischer Geschichte – dem Harlem Cultural Festival von 1969. Eine mitreissende Dokumentation, die für musikalischen Hochgenuss sorgt.
Der Vietnamkrieg, die erste bemannte Mondlandung, das Woodstock-Festival – das Jahr 1969 war von starken gesellschaftlichen Umbrüchen geprägt. Ein Ereignis von historischer Tragweite ist allerdings zu Unrecht aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden: Das Harlem Cultural Festival mit seinem einzigartigen Programm war nicht nur ein Meilenstein der Musikgeschichte, sondern brachte auch ein neues Schwarzes Bewusstsein mit sich.
«Ein Ereignis von historischer Tragweite ist zu Unrecht aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden: Das Harlem Cultural Festival mit seinem einzigartigen Programm war nicht nur ein Meilenstein der Musikgeschichte, sondern brachte auch ein neues Schwarzes Bewusstsein mit sich.»
Dem Roots-Schlagzeuger und frisch gebackenen Filmemacher Questlove ist es zu verdanken, dass diese legendäre Veranstaltung nun erstmals grosse internationale Bekanntheit erlangt. Die damalige Berichterstattung nahm primär Woodstock in den Fokus, womit dessen souliges Pendant überschattet wurde – obwohl hier die Crème de la Crème aus den Bereichen Jazz, Blues, Gospel und Schwarzer Kultur zusammenkam: Neben musikalischen Ikonen wie B. B. King, Stevie Wonder und Gladys Knight bot das Festival auch Stars wie der Comedy-Legende Moms Mabley oder dem Bürgerrechtler Jesse Jackson eine Plattform.
Jahrzehntealtes Zeitdokument tritt endlich ans Licht
Der Dokumentarfilm «Summer of Soul» beleuchtet die Entstehungsgeschichte und die Hintergründe des Festivals. Zugleich streift er die gesellschaftlich-politischen Umwälzungen jener Zeit, darunter die Attentate auf Martin Luther King und Malcolm X oder die Heroinkrise. Vor diesem Hintergrund wird auch die Notwendigkeit der Zusammenkunft und Förderung Schwarzer Kultur deutlich. Mithilfe unveröffentlichten Archivmaterials entwickelt der Film ein komplexes Bild eines kulturellen Ereignisses, das sich auf diverse Lebensbereiche wie Politik, Mode und nicht zuletzt auf die Musik auswirkte.
«Der Dokumentarfilm ‹Summer of Soul› beleuchtet die Entstehungsgeschichte und die Hintergründe des Festivals. Zugleich streift er die gesellschaftlich-politischen Umwälzungen jener Zeit, darunter die Attentate auf Martin Luther King und Malcolm X oder die Heroinkrise.»
Die während des Festivals entstandenen Filmaufnahmen – die seither 50 Jahre lang im Keller vor sich hin staubten – werden mittels zahlreicher Interviews und umfangreichen Zusatz-Bildmaterials wie Fotografien und Zeitungsberichten eingeordnet. Neben damaligen Besucher*innen und Performer*innen kommen auch zeitgenössische Berühmtheiten und Fachleute zu Wort.
Formal wird mit übersättigten Farben, wechselnden Bildformaten und einer rhythmischen Montage gespielt. Unterlegt sind die Bilder mit Aussagen der verschiedenen Gesprächspartner*innen sowie einem phänomenalen Soundtrack. Dabei ergänzen sich die Äusserungen und Musikstücke hervorragend und erläutern gleichzeitig die soziokulturellen Zusammenhänge des afroamerikanischen Zeitgeists. Durch das originelle Zusammenspiel von Bild, Ton und Musik wird der Dokumentarfilm zur unterhaltsamen Bildungsreise.
Musik als Bildungsinstrument
Über die hervorragende musikalische Unterhaltung hinaus bietet «Summer of Soul» einen vielschichtigen Einblick in ein Kapitel afroamerikanischer Geschichte, das den meisten Zuschauer*innen unbekannt sein dürfte. Indem er die damals prekären Lebensumstände von Harlems Bevölkerung thematisiert, zeigt der Film, wie erschreckend zahlreich die Parallelen zur Aktualität sind: Auch heute herrschen in den USA andauernde Proteste, eine schwere Opioid-Epidemie und der Wahn vom Weltraumreisen.
Der Wunsch nach grundlegenden gesellschaftlichen Änderungen kommt vor allem in den Liedern der auftretenden Musiker*innen zum Ausdruck. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang insbesondere Nina Simones Darbietung des Gedichts «Are You Ready, Black People?» sowie das Duett von Sängerin Mavis Staples mit ihrem Idol, der Gospel-Koryphäe Mahalia Jackson. Zu Ehren von Martin Luther King singen Staples und Jackson aus vollem Hals und mit tiefer Wehmut dessen Lieblingslied «Precious Lord, Take My Hand» und verleihen dem Festival damit eine spirituelle Komponente. Ihr atemberaubender Auftritt kommt so einer Katharsis gleich. Die Performances zeugen von der heilenden Kraft, die der Musik innewohnt.
«‹Summer of Soul› ist eine Hommage an die afroamerikanische Kultur und nicht nur ein Muss für Musikliebhaber*innen. Mit ihrem Bezug zur Gegenwart ist die aufschlussreiche Musikdoku auch für ein breites Publikum geeignet.»
«Summer of Soul» ist eine Hommage an die afroamerikanische Kultur und nicht nur ein Muss für Musikliebhaber*innen. Mit ihrem Bezug zur Gegenwart ist die aufschlussreiche Musikdoku auch für ein breites Publikum geeignet. Denn die Frage nach der Anerkennung von Schwarzen Menschen ist heute noch so aktuell wie vor 50 Jahren.
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Jetzt auf Disney+
Filmfakten: «Summer of Soul (…Or, When the Revolution Could Not Be Televised)» / Regie: Ahmir «Questlove»Thompson / USA / 117 Minuten
Bild- und Trailerquelle: © 2021 20th Century Studios All Rights Reserved / Disney+
Die Doku «Summer of Soul» über das Harlem Cultural Festival begibt sich auf eine mitreissende Zeitreise und leistet dabei einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung afroamerikanischer Geschichte.
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