Ein amerikanischer College-Football-Coach wird trotz fehlender Erfahrung als Fussballtrainer in der englischen Premier League angestellt. Jason Sudeikis verkörpert in der gleichnamigen Comedy-Serie von Apple TV+ den charmant naiven Ted Lasso, der in einem kitschig-schönen englischen Städtchen mit seiner optimistischen Art nicht nur positiv auffällt. So banal die Ausgangslage erscheinen mag, gewinnt Ted Lasso nach einigen Startschwierigkeiten nicht nur die Herzen der kritischen Engländer, sondern auch der Zuschauer*innen.
Der Beginn der zehnteiligen ersten Staffel von «Ted Lasso» kann durchaus als harzig bezeichnet werden. Nachdem Ted (Jason Sudeikis) und sein Assistent Beard (Brendan Hunt) von der Klubbesitzerin Rebecca (Hannah Waddingham) nach England geholt werden, um den AFC Richmond zu trainieren, müssen sie sich erst einmal in der neuen Umgebung, einem ihnen fremden Sport und einer andersartigen Fan- und Journalisten-Kultur, zurechtfinden.
Unoriginell werden in diesen ersten Episoden kulturelle, linguistische und kulinarische Unterschiede zwischen Grossbritannien und den USA verwendet, um Teds Rolle als Aussenseiter in Szene zu setzen. Ted, dessen Nachname Lasso wohl ein Verweis auf den Western sein und ihn als typischen Amerikaner etablieren soll, ist unfähig, kohlesäurigehaltiges Wasser zu trinken und begrüsst sein neues Team mit «Howdy», was mit müden Blicke quittiert wird.
Ermüdend wirkt dies auch auf das Publikum. Die Serie macht es sich zu einfach und verschwendet Zeit mit abgedroschenen Klischees wie der Missgunst gegenüber englischem Tees oder der Fremdartigkeit des Linksverkehrs, was schnell langweilig wird und einen durchaus zum Ausschalten bewegen könnten. Wären da nicht diese einzelnen Momente, welche die Vielschichtigkeit der Charaktere, die schauspielerische Brillianz und ein Drehbuch erahnen lassen, das sich offensichtlich von Klischees wegbewegen möchte.
«Der schweigsame Beard wiederum ist das wichtige Gegenstück zu Teds toxischer Positivität – er ankert Ted in der Realität und verhindert, dass dieser sich völlig in seinem Idealismus und seiner optimistischen Weltanschauung verliert, und so der Erfahrungswelt des Publikums entschwindet.»
Analog zu Ted, dem es bei der Führung der Fussballer nicht bloss um die fussballerischen Fähigkeiten, sondern auch um ihre persönliche Entwicklung geht, steht auch für die Serie nicht ausschliesslich der Sport und das Geschehen in der Liga im Fokus. So kann die Serie durchaus auch als Workplace-Comedy angesehen werden, in welcher der Humor in Szenen der professionellen Zusammenarbeit geschieht, während auch Aspekte des Privatlebens der Figuren erkundet werden.
So zeigt sich schon bald, dass hinter Teds positiver Einstellung eine schwierige familiäre Situation zu finden ist. Ted übt sich in diesen Momenten auch in Selbstreflexion, was der Figur Substanz verleiht. Der schweigsame Beard wiederum ist das wichtige Gegenstück zu Teds toxischer Positivität – er ankert Ted in der Realität und verhindert, dass dieser sich völlig in seinem Idealismus und seiner optimistischen Weltanschauung verliert, und so der Erfahrungswelt des Publikums entschwindet.
«Die Serie hat mit Keeley und der Klubbesitzerin Rebecca zwei starke und intelligente Frauenfiguren geschaffen und wagt es, die beiden nicht in Konkurrenz zueinander zu stellen, sondern eine Freundschaft auf Augenhöhe entstehen zu lassen.»
Die Serie läuft mit ihrer einfachen und unglaubwürdigen Prämisse Gefahr, die Handlung ausschliesslich mit stereotypen Figuren zu erzählen, doch es gelingt ihr, durchaus komplexe Charaktere zu entwerfen, die dank der Leistung der Schauspieler*innen selten karikaturhaft oder plump erscheinen. Besonders hervorzuheben ist dabei Juno Temple, welche Keeley Jones, die Freundin des Star-Stürmers Jamie Tartt (Phil Dunster), verkörpert und nach den ersten Szenen bereits als uninteressant und einfältig abgeschrieben werden könnte. Doch sie mutiert dank einer differenzierten Darstellung zum heimlichen Liebling der Show.
Die Serie hat mit Keeley und der Klubbesitzerin Rebecca zwei starke und intelligente Frauenfiguren geschaffen und wagt es, die beiden nicht in Konkurrenz zueinander zu stellen, sondern eine Freundschaft auf Augenhöhe entstehen zu lassen. Jason Sudeikis schafft es als Mittelpunkt des Geschehens derweil, dass Ted sowohl in seiner Positivität als auch seinen zerbrechlichen Momenten authentisch wirkt. Für seine Leistung wurde er an den diesjährigen Golden Globes mit der Auszeichnung als bester Hauptdarsteller in der Kategorie Musical oder Comedy belohnt.
«In einer politisch und gesellschaftlich angespannten Zeit bietet eine Comedy-Serie, die Menschlichkeit, Grosszügigkeit und Mitgefühl zelebriert, eine wohltuende Verschnaufpause.»
«Ted Lasso» profitiert von gutem Timing, was die Veröffentlichung angeht. In einer politisch und gesellschaftlich angespannten Zeit bietet eine Comedy-Serie, die Menschlichkeit, Grosszügigkeit und Mitgefühl zelebriert, eine wohltuende Verschnaufpause. Pointenreiche Dialoge, kultige Gags, schrullige und liebenswürdige Figuren und unerwartete Beziehungen lassen eine vielfältige Palette an Unterhaltung entstehen. Apple TV+ hat «Ted Lasso» bereits um zwei weitere Staffeln erneuert, und man darf gespannt sein, wie sich die Serie weiterentwickeln wird und ob sie ihren Charme behält, ohne repetitiv zu werden.
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Jetzt auf Apple TV+
Serienfakten: «Ted Lasso» (1. Staffel) / Creators: Bill Lawrence, Jason Sudeikis, Joe Kelly, Brendan Hunt / Mit: Jason Sudeikis, Hannah Waddingham, Jeremy Swift, Phil Dunster, Brett Goldstein, Brendan Hunt, Nick Mohammed, Juno Temple / USA / 10 Episoden à 29-33 Minuten
Bild- und Trailerquelle: © Apple TV+
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