Leonardo, Michelangelo, Donatello und Raphael – vier Helden, die wohl jedes Kind kennt. Auch in der neuesten Verfilmung der «Teenage Mutant Ninja Turtles» schleichen sie durch New Yorks Abwasserkanäle, mampfen Pizza und zerhauen Schurken mit ihrem Cowabunga-Kung-Fu. Doch nicht alles ist wie immer, denn die vier Turtles sind jünger, bunter, cooler und irgendwie sogar authentischer denn je.
«Wer ist dein Lieblings Ninja Turtle?» – eine Frage, die seit Jahrzehnten Kids auf der ganzen Welt beschäftigt. Vor fast 40 Jahren erschien der erste Band der «Teenage Mutant Ninja Turtles» und eroberte die Comicwelt. Aus Jux kitzelten die beiden Comicautoren Kevin Eastman und Peter Laird eine Schildkröte mit Nunchuks – eine blöde Idee, doch irgendwas war da dran, denn die erste Auflage des Comics war sofort ausverkauft. Obwohl die beiden es nie ganz ernst meinten mit ihren Mutanten, war die Originalversion der Ninja Turtles trotzdem ruchlos, aggressiv und ziemlich zynisch. Erst später wurden die Ninja Turtles zu den lustigen Raufbolden, die wir heute kennen und lieben.
Seit ihren Anfängen gab es immer wieder Interpretationen der Turtles – sieben Kinofilme, fünf TV-Serien, dutzende Comics und tonnenweise Spielzeuge. Jede Version baute den Mythos der Ninja Turtles aus und brachte etwas Neues an den Tisch, zum Beispiel ihre Persönlichkeiten, die unterschiedlichen Farben ihrer Augenbinden oder auch legendäre Ausdrücke wie «Cowabunga!». So sind die Turtles nicht ein festes Gefüge, an das man sich streng halten muss (wie zum Beispiel die Held*innen der Marvel-Comics), sondern ein kreatives Sprungbrett, von dem man in alle Richtungen fliegen kann.
«Splinter und seine vier Schösslinge lernten die Kung-Fu und Karate von YouTube.»
So kommen die vier Schildkröten in «Teenage Mutant Ninja Turtles: Mutant Mayhem» frisch und neu auf die Leinwand. Allen voran sticht der neuartige Comic-Animationsstil heraus, der stark an die «Spider-Verse»-Saga erinnert. Doch auch die Handlung kommt in neuem Gewand daher. Zum ersten Mal wirken die «Teenage» Mutant Ninja Turtles nämlich wie echte Teenager: Sie hängen am Handy rum, filmen TikTok-Videos, sprechen Gen-Z-Slang und widersetzen sich dem von Meister Splinter (Stimme: Jackie Chan) aufgebrummten Hausarrest. Dieser ist übrigens gar kein Karate-Meister mehr, sondern ein besorgter alleinerziehender Papa.
Das alles ist eine auffallend markante Abkehr von den vorherigen Versionen der Ninja Turtles, die allesamt einen mystischen, wenn nicht sogar spirituellen Bezug zur Kampfkunst hatten. Dieser fehlt bei «Teenage Mutant Ninja Turtles: Mutant Mayhem» komplett, denn Splinter und seine vier Schösslinge lernten die Kung-Fu und Karate von YouTube.
Der Fokus dieser jüngsten Auslegung des Stoffs liegt somit ganz klar auf der ungleichen Familie: Vier Schildkröten-Jungs und ihr Ratten-Papa treiben Unfug in der Kanalisation. Für die Stimmen der vier Jungs wurden mit Micah Abbey (Donatello), Shamon Brown Jr. (Michelangelo), Nicolas Cantu (Leonardo) und Brady Noon (Raphael) übrigens keine berühmten Schauspieler gewählt, sondern echte Teenager. Das war mit Abstand die beste Entscheidung der Filmemacher, denn so wirkt das Rumgezicke und -gezanke der Brüder wie eine echte Familienfeier zu Weihnachten.
«Seth Rogen trommelte für das Herzensprojekt gleich eine ganze Entourage von berühmten Comedians zusammen.»
Damit kennt sich Regisseur Jeff Rowe übrigens bestens aus. Schon bei «The Mitchells vs. the Machines» (2021) zeigte er als Co-Regisseur und Drehbuchautor sein Händchen für witzige und actionreiche Familienabenteuer. Zusammen mit Seth Rogen und Evan Goldberg («Superbad») als Drehbuchautoren und Produzenten kreierte er nun die neuen Ninja Turtles. Rogen trommelte für das Herzensprojekt gleich eine ganze Entourage von berühmten Comedians zusammen, die den schrillen Mutanten ihre Stimme liehen: Hannibal Buress («Tag») als Ghengis Frog, John Cena («The Suicide Squad») als Rocksteady, Paul Rudd («Ant-Man and the Wasp: Quantumania») als Mondo Gecko und Ice Cube («21 Jump Street») als Super-Bösewicht Superfly – die Liste ginge noch weiter. Rogen selbst lässt es sich denn auch nicht nehmen, den Fan-Liebling Bebop gleich selber einzusprechen.
Auch wenn man spürt, wie viel Liebe und Leidenschaft in das Projekt floss, wirkt die Story des Films aber leider ziemlich flach. Die vier Jungs leben im Untergrund und wünschen sich nichts mehr, als an die Oberfläche zu gehen und das echte New York zu geniessen. Das geht aber nicht auf, da die vier Mutanten von der Menschheit einfach nicht akzeptiert werden. So geht es auch der bösen Mutanten-Gang um Superfly: Auch sie fühlen sich diskriminiert von New York und wollen sich deshalb an der ganzen Menschheit rächen. Entsprechend liegt es an den vier Turtles, die Bösewichte aufzuhalten und ihre City zu retten. Es ist eine simple – böse Zungen würden sogar sagen, eine dümmliche – Geschichte in einem sonst vor Kreativität sprühenden Film.
«Der Score von Trent Reznor und Atticus Ross ist eine herausragende Mischung aus Old-School Rap und 8-Bit-Elektro-Punk.»
Das ist schade, denn sonst macht «Teenage Mutant Ninja Turtles: Mutant Mayhem» sehr viel richtig. Die Dynamik der Jungs wirkt frisch und lebhaft, der Artstyle ist cool und edgy, die Action ist überraschend. Herausragend ist zudem der Score – eine Mischung aus Old-School-Rap und 8-Bit-Elektro-Punk, komponiert von Trent Reznor und Atticus Ross («The Social Network», «Empire of Light»).
Für die Augen und Ohren ist also gesorgt, aber leider nicht fürs Hirn. Viel zu plump sind die Witze, viel zu trivial die Konflikte, viel zu banal die Story. Wer sich auf diese Übung in «style over substance» trotzdem einlassen kann, darf sich auf buntes Popcornkino freuen. Wer aber etwas Sinnstiftenderes sucht, sollte lieber nochmals ins «Spider-Verse» eintauchen.
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Kinostart Deutschschweiz: 3.8.2023
Filmfakten: «Teenage Mutant Ninja Turtles: Mutant Mayhem» / Regie: Jeff Rowe / Mit: Micah Abbey, Shamon Brown Jr., Nicolas Cantu, Brady Noon, Jackie Chan, Ayo Edebiri, Maya Rudolph, John Cena, Seth Rogen, Rose Byrne, Natasia Demetriou, Giancarlo Esposito, Ice Cube, Paul Rudd, Hannibal Buress / USA / 100 Minuten
Bild- und Trailerquelle: © 2023 Paramount Pictures. All Rights Reserved.
«Teenage Mutant Ninja Turtles: Mutant Mayhem» von Jeff Rowe ist eine bunte und laute Gen-Z-Version der «Ninja Turtles», die inhaltlich leider zu wenig Fleisch am Knochen hat.
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