Die spektakuläre tragikomische Koch-Serie «The Bear» bleibt ihrem Grundton treu: Es geht um die Hektik, den Stress und die endlosen Herausforderungen, die das Leben in einer Profiküche mit sich bringt. Doch in der dritten Staffel wird klar, dass es um weit mehr geht als nur um kulinarische Perfektion.
Als 2022 die erste Staffel von «The Bear» auf Disney+ ausgestrahlt wurde, wusste wohl noch niemand, dass man hier einen veritablen Hit an der Angel hat. Doch schnell hat sich rumgesprochen, dass FX seinen Zuschauer*innen hier einen richtigen Leckerbissen serviert. Dank eines Höllentempos, messerscharfer Dialoge (die nicht mit «Fuck yous» geizen), grossartiger Schauspielleistungen und einer nahtlos an die hohe Qualität anknüpfenden zweiten Staffel, hat «The Bear» ihren Status als aussergewöhnliche Must-See-Serie längst zementiert – und das ganz ohne Drachen, Superkräfte oder Cartoon-Vorlage. Auch eine klassische Liebesgeschichte, die ein einfaches Mittel wäre, um das Drama weiter hochkochen zu lassen, sucht man grösstenteils vergebens.
Die dritte Staffel von «The Bear» setzt dort an, wo die vorherige endete, und liefert erneut ein intensives, packendes Drama, das sich diesmal noch tiefer in die Psyche seiner Figuren gräbt. Die innere Zerrissenheit von Carmy Berzatto (Jeremy Allen White), die in den vorangegangenen Staffeln schon angedeutet wurde, tritt jetzt in den Vordergrund. Seine Ängste und Zweifel erreichen neue Höhen, und die Spannungen mit Cousin Richie (Ebon Moss-Bachrach) eskalieren weiter, was die ohnehin angespannte Atmosphäre im neu eröffneten Fine-Dining-Restaurant «The Bear» noch unerträglicher macht.
Gut, gibt es noch Sydney (Ayo Edebiri), das Herz der Küche, der ruhende Pol inmitten des Chaos. Sie bringt eine wohltuende Tiefe und Authentizität in die Serie, und ihre Fähigkeit, die Fäden zusammenzuhalten, während sie selbst unter immensem Druck steht, macht sie unverzichtbar in dieser Geschichte. Dass Carmy das kaum mehr zu schätzen weiss, da er zu sehr in sich selbst versunken ist, wird ihn möglicherweise noch hart treffen.
Diese Staffel nimmt sich viel mehr Zeit, um die inneren Konflikte und Träume einzelner Figuren auszuleuchten, was der Serie eine neue Dimension verleiht. Gleich die erste Episode ist eine fast wortlose Meditation über Carmys Seelenleben. Erst in der zweiten Episode bricht die Küchenhölle wieder los. Die Entschleunigung geht allerdings auch auf Kosten des schon zum Markenzeichen gewordenen Tempos; der Plot kommt teilweise kaum voran.
«Diese Staffel nimmt sich viel mehr Zeit, um die inneren Konflikte und Träume einzelner Figuren auszuleuchten, was der Serie eine neue Dimension verleiht.»
Dafür belohnt die Serie ihr Publikum – wie schon in Staffel eins mit «Review» und Staffel zwei mit «Fishes» – mit einigen herausragenden Departure-Episodes. Sowohl «Napkins», die ganz der sympathischen Tina (Liza Colón-Zayas) gewidmet ist, und «Ice Chips», in der die schwangere Sugar (Abby Elliott) ihr Kind bekommt, und eher unfreiwillig auf die Hilfe ihrer Mutter (wieder gewaltig: Jamie Lee Curtis) angewiesen ist, sind emotionale Höhepunkte der Staffel. Christopher Storer kredenzt uns hier wieder einmal einige der intensivsten Momente der jüngeren TV-Geschichte.
«‹The Bear› bleibt eine der besten zeitgenössischen Serien und überzeugt mit brillanten Dialogen, tiefgründigen Figuren und einem unvergleichlichen Setting.»
Trotz der vielen Stärken, welche die Serie beibehält, wirkt die dritte Staffel in manchen Momenten wie eine Verschnaufpause vor einem grossen Finale – «House of the Dragon» und der Autor*innen-Streik lassen grüssen. Carmy schreibt zu Beginn der Staffel allgemeingültige «Non-Negotiables» auf, um das Restaurant zur Perfektion zu treiben. Eines davon besagt, dass das Restaurant jeden Tag (!) das Menü wechseln muss. Dass er sich nicht festlegen kann, gilt auch für die Staffel selbst, die lange auf der Stelle tritt, kein klares Ziel verfolgt und den Plot wohl erst in der kommenden vierten Staffel wieder aufnimmt. Dennoch bleibt «The Bear» eine der besten zeitgenössischen Serien und überzeugt mit brillanten Dialogen, tiefgründigen Figuren und einem unvergleichlichen Setting.
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Serienfakten: «The Bear» (3. Staffel) / Creator: Christopher Storer / Mit: Jeremy Allen White, Ebon Moss-Bachrach, Ayo Edebiri, Lionel Boyce, Liza Colón-Zayas, Abby Elliott, Matty Matheson, Edwin Lee Gibson / USA / 10 Episoden à 28–44 Minuten
Bild- und Trailerquelle: © 2022 Disney and its related entities
«The Bear» bleibt ein intensives, emotionales Erlebnis, das einem nicht nur die Welt der gehobenen Küche näherbringt, sondern auch die komplexen Beziehungen, die sich in dieser Welt entfalten.
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