Eine passionierte Leserin will in der Provinz eine Buchhandlung eröffnen – und stösst auf Widerstand. Die exzellenten Schauspieler in «The Bookshop» müssen ihrerseits am Drehbuch scheitern.
Ein kleines Küstendorf im Osten Englands: ein Hafen, Reihenhäuschen aus Stein, ein adliges Gut. Und keine Buchhandlung. Das will Florence Green (Emily Mortimer) ändern. Die Kriegswitwe kauft «das alte Haus», wie es die Dorfbewohner nennen, um es in ein Paradies für Bücherliebhaber umzuwandeln – und stösst auf unerwartet heftigen Widerstand. Lady Violet Gamart (Patricia Clarkson) fällt plötzlich ein, dass sie selbst ganz andere Pläne für das verlotterte Häuschen hat und setzt alle Hebel in Bewegung, um Florence wieder daraus zu vertreiben.
Die Handlung von «The Bookshop» erinnert in vielen Punkten an «Chocolat» von Lasse Hallström. Eine Auswärtige bringt einen Hauch Welt in ein Dorf, dessen ungeschriebene Gesetze so etwas nicht zulassen. Wie «Chocolat» glänzt «The Bookshop» – eine Verfilmung übrigens des gleichnamigen Buchs von Penelope Fitzgerald (1978) – mit einer ausgezeichneten Besetzung. Neben Emily Mortimer («Match Point», «The Newsroom») und Patricia Clarkson («House of Cards», «Whatever Works»), die einander als passionierte Leserin und machtgewohnte Aristokratin die Stirn bieten, kommt auch Bill Nighy («Love Actually», «The Best Exotic Margold Hotel») eine zentrale Rolle zu: Er spielt einen alleine und zurückgezogen lebenden Mann, um den sich zahlreiche Gerüchte ranken und der zum besten Kunden und einzig wahren Unterstützer von Florence wird.
Worüber aber weder die ausgezeichneten Schauspieler noch die betörend romantischen Landschaftsbilder hinweg trösten können: Die Figurenzeichnung von «The Bookshop» bleibt enttäuschend platt. Was treibt die Figuren an? Weshalb beziehen sie so Stellung, wie sie es tun? Die Schauspielerinnen können ihnen gar keine Tiefe geben, die Zuschauerin vergisst nie, dass das nur Figuren sind. Ja – das wird klar – alles ist ein gesellschaftliches Spiel, das es zu gewinnen gilt. Aber dass dieses Spiel etwas mit den Charakteren macht, das kann man ihnen so nicht abnehmen. Die Figuren haben keine eigene Geschichte; wenn sie umständlich von ihrer Vergangenheit sprechen, statt sie zu verkörpern, erscheint es als habe Isabel Coixet («My Life Without Me») mehr Vertrauen in die Dialoge ihres Drehbuchs als ins Können der Schauspieler.
Potential leider nicht ausgeschöpft
Auch spielen Literatur und Bücher eine überraschend unbedeutende Rolle, hätte man in diesem Film doch in grösserem Masstab über ihre Bedeutung nachdenken können. Was kann Kultur? Was heisst es, Kultur zu vermitteln? Gibt es so etwas wie «kulturell abgehängte» Orte? Hat «Kultiviertheit» im Sinne von beispielsweise Belesenheit Folgen aufs Zusammenleben? Mit Blick auf das zentrale Thema des Films – soziale Mechanismen und Hierarchien – und auf aktuelle politische Debatten hätte eine Auseinandersetzung mit diesen Fragen nahe gelegen. So konnte das Potential von Thema und Schauspielern leider nicht ausgeschöpft werden.
Kinostart Deutschschweiz: 17.5.201 / Regie: Isabel Coixet / Mit: Emily Mortimer, Bill Nighy, Patricia Clarkson, James Lance
Trailer und Bilder: Filmcoopi
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