God Save the Queen – und den Netflix-Hit «The Crown». Die Dramaserie um das Leben der britischen Königin Elizabeth II. geht in die vierte Runde und hat nichts von ihrer Brillanz eingebüsst. Im Gegenteil: Mit Margaret Thatcher und Prinzessin Diana sorgen zwei Frauen für frischen Wind und reichlich Zündstoff im Buckingham Palace.
Die vierte Staffel von «The Crown» setzt 1979 mit dem Amtsantritt von Margaret Thatcher (Gillian Anderson) als erste Premierministerin des Vereinigten Königreichs ein und umfasst die Zeitspanne bis zu ihrem Rücktritt 1990. Mit der «Eisernen Lady» hielt eine der umstrittensten politischen Persönlichkeiten Grossbritanniens Einzug in der 10 Downing Street. Für ihre unerbittliche Wirtschaftspolitik, welche die Arbeitslosigkeit in ungekannte Höhen schnellen liess, wurde sie von ihren Anhängern verehrt und von ihren Gegnern verachtet. In «The Crown» muss Margaret Thatcher nicht nur ein Land regieren, sondern sich auch vor der königlichen Familie behaupten, etwa auf deren schottischem Landsitz bei bizarren Gesellschaftsspielen. Dass Thatcher und Queen Elizabeth (Olivia Colman) nicht unbedingt auf gleicher Wellenlänge sind, wird rasch offensichtlich. Gillian Anderson («Sex Education», «The X-Files») dabei zuzusehen, wie sie die Premierministerin darstellt zwischen Demütigung und Arroganz, ist eine wahre Freude.
«Gillian Anderson dabei zuzusehen, wie sie die Premierministerin darstellt zwischen Demütigung und Arroganz, ist eine wahre Freude.»
Mit Prinzessin Diana (Emma Corrin) betritt eine weitere schillernde Figur die royale Bühne. Ihre Beziehung zu Prinz Charles (Josh O’Connor», bekannt aus «God’s Own Country» und «Hope Gap») nimmt in den zehn neuen Episoden am meisten Raum ein, wobei «The Crown» vor allem eines zeigt: das Leiden Dianas – nicht nur unter ihrem untreuen und herrischen Ehegatten, der eigentlich eine andere hätte heiraten wollen, sondern auch unter den Regeln und Prinzipien des Königshauses. Während Diana hinter verschlossenen Türen mit Essstörungen zu kämpfen hat – Netflix versieht entsprechende Folgen mit einem Warnhinweis –, zwingt sie sich vor den Kameras zu einem Lächeln. Wie Emma Corrin dies in ihrer ersten grossen Rolle mal unschuldig-scheu, dann wieder lieblich-aufreizend tut, ist sensationell und macht die junge Britin zur grossen Entdeckung dieser Staffel.
«Wie Emma Corrin dies in ihrer ersten grossen Rolle (als Diana) mal unschuldig-scheu, dann wieder lieblich-aufreizend tut, ist sensationell und macht die junge Britin zur grossen Entdeckung dieser Staffel.»
Neben den neuen Darstellerinnen überzeugt auch der bisherige Cast auf ganzer Linie: ob Olivia Colman («The Favourite») als Queen Elizabeth, Tobias Menzies als Prinz Philip oder Helena Bonham Carter («Enola Holmes») als Prinzessin Margaret. Überhaupt ist es eine der grossen Stärken von «The Crown», seine Hauptfiguren trotz zahlreicher Nebenschauplätze nie aus den Augen zu verlieren. Zwar rücken bestimmte Randfiguren für einzelne Folgen ins Zentrum der Aufmerksamkeit, doch stets wird wieder der Bogen gespannt zu den eigentlichen Protagonist*innen, allen voran der Königin selbst. Herrlich etwa jene Episode, in der sie herauszufinden versucht, welches denn ihr Lieblingskind sei. Dass neben solch intimen Momenten mit scheinbarer Leichtigkeit weltpolitische Ereignisse wie der Falklandkrieg in die Handlung eingeflochten werden, zeugt von der erzählerischen Virtuosität, mit der die Schöpfer*innen um Drehbuchautor Peter Morgan am Werk sind.
Natürlich gibt es auch in der vierten Staffel von «The Crown» extravagante Kostüme, glänzenden Schmuck und pompöse Palastsäle zu bestaunen. Der Dramaserie gelingt es in gewohnt meisterhafter Manier, zwischen all dem Prunk jene menschlichen Schicksale freizulegen, die das in seiner ganzen Förmlichkeit an Absurdität kaum zu übertreffende System der Monarchie hervorbringt. Queen Elizabeth etwa hat sich längst von der zuweilen unsicheren, aber dadurch auch nahbaren jungen Frau zum prinzipientreuen und distanzierten Staatsoberhaupt entwickelt. Zu spüren bekommen das vor allem ihre Kinder, die vergebens auf eine mütterliche Geste der Zuneigung oder Wärme hoffen. Stattdessen gilt es, beiseite zu treten und sich der Krone unterzuordnen. Oder wie es Prinz Philip gegenüber Diana im Vieraugengespräch formuliert: «In diesem System ist jeder ein verlorener, einsamer, irrelevanter Aussenseiter. Ausser der einen Person, der einzigen Person, die zählt. Sie ist der Sauerstoff, den wir alle atmen, die Essenz all unserer Pflicht.»
«Natürlich gibt es auch in der vierten Staffel von ‹The Crown› extravagante Kostüme, glänzenden Schmuck und pompöse Palastsäle zu bestaunen. Der Dramaserie gelingt es in gewohnt meisterhafter Manier, zwischen all dem Prunk jene menschlichen Schicksale freizulegen, die das in seiner ganzen Förmlichkeit an Absurdität kaum zu übertreffende System der Monarchie hervorbringt.»
Für die kommende fünfte Staffel wird der Cast wie bereits nach der zweiten komplett ausgewechselt, was dem fortschreitenden Alter der Charaktere innerhalb der Erzählung geschuldet ist. Die Rolle der Königin übernimmt dann Imelda Staunton, die den meisten als Dolores Umbridge aus der «Harry Potter»-Filmreihe bekannt sein dürfte. Dass «The Crown» dadurch an Qualität verliert, ist nicht zu erwarten. Denn seit Beginn scheint Peter Morgan ganz genau zu wissen, wo die Reise für jede einzelne Figur hingeht. Diese Weitsicht gipfelt vorläufig in der aktuellen und bis anhin herausragendsten Staffel der Erfolgsserie.
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Serienfakten: «The Crown» (4. Staffel) / Creator: Peter Morgan / Mit: Olivia Colman, Tobias Menzies, Helena Bonham Carter, Gillian Anderson, Emma Corrin, Josh O’Connor, Erin Doherty / Grossbritannien / 10 Episoden à 50–60 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Netflix
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