Seit Donna Tartts Blockbuster-Roman «The Goldfinch» 2014 den Pulitzer-Preis gewann, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis die epische Geschichte um Kunst und Trauer den Weg auf die grosse Leinwand fand. Der preisgekrönte irische Regisseur John Crowley («Brooklyn») stellte sich der Herausforderung. Herausgekommen ist eine schwerfällige Literaturadaption nach Schema F.
Das Leben meint es nicht gut mit dem jungen Theo Decker (Oakes Fegley): Beim Besuch eines New Yorker Museums fällt seine Mutter einem Terroranschlag zu Opfer. Da sein Vater (Luke Wilson) sich vor einiger Zeit aus dem Staub gemacht hat, zieht er zur wohlhabenden Familie seines Schulkameraden Andy Barbour, mit dem er sich auch schon besser verstanden hat. Doch trotz einer guten Beziehung zu Andys Mutter Samantha (Nicole Kidman) bleibt es ihm verwehrt, bei den Barbours Wurzeln zu schlagen. Diese rastlose Jugend macht auch dem erwachsenen Theo (Ansel Elgort) noch zu schaffen. Und nicht nur das – er hadert mit der impulsiven Entscheidung, die er am Tag des Museumsanschlags traf: Im Chaos des Massakers riss er sich das Meisterwerk eines holländischen Malers – den titelgebenden «Distelfink» – unter den Nagel, das seither als verschollen gilt.
«Es mag nicht einfach sein, eine solche Affiche fürs Kino zu adaptieren – aber eben auch nicht unmöglich.»
Donna Tartts kritisch gefeierter und kommerziell ungemein erfolgreicher Bildungsroman ist ausschweifendes Werk in der Charles–Dickens-Tradition: ein fast 800-seitiges Sammelsurium ungewöhnlicher Szenarien und illustrer Figuren – vom gutherzigen Antiquitätenhändler Hobie (Jeffrey Wright) über den ukrainischen Weltenbummler Boris (Finn Wolfhard) bis hin zur ungehobelten Sexarbeiterin Xandra (Sarah Paulson). Es mag nicht einfach sein, eine solche Affiche fürs Kino zu adaptieren – aber eben auch nicht unmöglich: Dem «The Death of Stalin»-Regisseur Armando Ianucci scheint es, der Kritik zufolge, mit «The Personal History of David Copperfield» unlängst sogar gelungen zu sein, Dickens selbst gewinnbringend zu verfilmen.
Das Urteil, ob «The Goldfinch», der wie «David Copperfield» beim diesjährigen Filmfestival von Toronto uraufgeführt wurde, eine gute Adaption ist, sei jenen Publikumsmitgliedern überlassen, die das Buch gelesen haben. Fest steht aber, dass das, was John Crowley hier vorlegt, kein guter Film ist.
War Crowleys «Brooklyn» (2015), nach einem Roman von Colm Tóibín, noch ein graziles Drama mit präzis gezeichneten Figuren und einem Flair für Zeit und Ort, erweist sich «The Goldfinch» als leb- und konturloses Konstrukt, dessen durcheinandergewirbelte Einzelteile sich nie zu einem ansprechenden Ganzen zusammenfügen. Indem er die Chronologie von Tartts Erzählung auflöst, kommt Drehbuchautor Peter Straughan («Tinker Tailor Soldier Spy») jegliche Schlagkraft abhanden, welche die Geschichte hätte haben können. Anstatt sich von Schicksalsschlag zu Schicksalsschlag zu arbeiten, verwebt er die Erlebnisse des jüngeren und des älteren Theo miteinander; anstatt einer stetig eskalierenden persönlichen Krise wohnt man als Zuschauer*in einer Reihe von unzusammenhängenden und zunehmend abstrusen Sequenzen bei.
«In sage und schreibe zweieinhalb Stunden schafft es der bierernste, filmisch uninspirierte ‹Goldfinch› nicht, eine emotional oder dramaturgisch kohärente Handlung aufzuziehen.»
Dass sowohl Ansel Elgort als auch Oakes Fegley in den Hauptrollen ordentliche Leistungen abliefern, verkommt angesichts dieses narrativen Durcheinanders beinahe zur Nebensache. In sage und schreibe zweieinhalb Stunden schafft es der bierernste, filmisch uninspirierte «Goldfinch» nicht, eine emotional oder dramaturgisch kohärente Handlung aufzuziehen. Was bleibt, ist müdes Schulterzucken.
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Kinostart Deutschschweiz: 26.9.2019
Filmfakten: «The Goldfinch» / Regie: John Crowley / Mit: Ansel Elgort, Oakes Fegley, Nicole Kidman, Jeffrey Wright, Luke Wilson, Sarah Paulson, Finn Wolfhard, Ashleigh Cummings, Aneurin Barnard / USA / 149 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Warner Bros. Ent.
Die Verfilmung von Donna Tartts Erfolgsroman ist ein chaotisch erzähltes, leblos inszeniertes Drama, das kurz nach dem Kinobesuch schon wieder vergessen ist.
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