«The Hill Where Lionesses Roar» von der 21-jährigen Luàna Bajrami ist eine feministische Coming-of-Age-Geschichte aus dem Kosovo. Der Film erzählt von drei Freundinnen ohne Perspektiven, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen, auf der Suche nach Freiheit, der gleichgeschlechtlichen Liebe und im Kampf gegen das Patriarchat. Bajramis Karriere ist bemerkenswert; ihr Langfilm-Debüt kratzt aber leider nur an der Oberfläche und bietet zwar ein schön fotografiertes, dafür eher undifferenziertes Bild dreier Löwinnen in Gefangenschaft.
«The Hill Where Lionesses Roar», auch bekannt unter einem albanischen («Luaneshat e kodrës») und einem französischen Titel («La Colline où rugissent les lionnes»), ist der erste Langspielfilm von Luàna Bajrami und feierte 2021 in Cannes Premiere. Doch Bajrami, 2001 im Kosovo geboren, machte schon vorher von sich reden: Schon mit zehn Jahren stand sie das erste Mal vor der Kamera; 2020 erhielt sie eine César-Nominierung als Beste Nachwuchsdarstellerin für ihre Nebenrolle in Céline Sciammas «Portrait de la jeune fille en feu» (2019).
Bajrami macht in diesem Erstling vieles richtig. Wir sehen drei Freundinnen, die ihrem Dorf auf einem anliegenden Hügel durch lautes Gebrüll den Kampf ansagen – den Kampf gegen Missbrauch, Korruption, Patriarchat und Einöde. Und eben dieses Dorf, das auch Gefängnis heisst, porträtiert Bajrami nüchtern, ungeschönt, ruhig und schon fast dokumentarisch. Die drei Freundinnen kommen alle aus armen Verhältnissen, verfolgen Traditionen und vegetieren inmitten von verlassenen oder halbfertigen Häusern vor sich hin.
«‹The Hill Where Lionesses Roar› entwirft ein kosovarisches Dorf-Kaleidoskop im B-Moll, dem die drei Löwinnen zu entrinnen versuchen – was ihnen ab und zu sogar gelingt: mit Spiel, Spass und Partys, mit Alkohol, Autofahren und Ladendiebstahl.»
«The Hill Where Lionesses Roar» entwirft ein kosovarisches Dorf-Kaleidoskop im B-Moll, dem die drei Löwinnen zu entrinnen versuchen – was ihnen ab und zu sogar gelingt: mit Spiel, Spass und Partys, mit Alkohol, Autofahren und dem Ladendiebstahl. Aber der Sonnenschein währt nicht lange, und so intensiv dieser Eskapismus auch sein mag, so unbarmherzig zerrt die Realität die Mädchen wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.
Die drei Hauptfiguren Qe (Flaka Latifi), Jeta (Uratë Shabani) und Li (Era Balaj) bestechen dank ihrer Besetzung durch Authentizität. Alle drei Darstellerinnen verfügen bereits über Filmerfahrung; für zwei der Schauspielerinnen aus dem Kosovo ist es allerdings der erste Langspielfilm. Ihre Gesichter sind deswegen unverbraucht und sie spielen ihre Figuren in einer stoischen Ruhe, die niemals übertrieben wirkt. Alle drei stammen sie aus nicht einfachen Haushalten aus dem Mittelstand – und es sind diese resignierten Gesichter nach dem Niederschlag, und die fröhlichen Gesichter nach dem Triumph, mit denen sie ihren Figuren Glanz verleihen.
Bajrami selbst kommt im Film ebenfalls vor – und zwar als Cousine, die für eine Stippvisite aus Frankreich anreist. Die Gespräche zwischen den drei Löwinnen und der «Besucherin» aus Frankreich, die für sie das perfekte, dem Gefängnis entkommene Leben führt, ist denn auch bezeichnend für den Film: Es ist der Ausgangspunkt von Bajramis autobiografischem Projekt; die Gespräche beruhen auf tatsächlichen Konversationen zwischen ihr und ihren Cousinen im Kosovo.
Leider schafft es Bajrami nicht ganz, ihren Figuren genug Tiefe und Entwicklung zu verleihen. Die Figuren bleiben den ganzen Film lang mehr oder weniger gleich; und allen drei Löwinnen widerfährt grob dasselbe, sodass wir letztlich dieselbe Geschichte dreimal aus nur leicht unterschiedlichen Perspektiven erfahren. Da hätte noch mehr ins Drehbuch investiert werden können, um das Ganze noch zu verfeinern. Gewagt sind aber sicherlich die Sexszenen, die so im kosovarischen Filmschaffen selten bis gar nie vorkommen – schon gar nicht mit gleichgeschlechtlichen Paaren.
«Mit nur 21 Jahren liefert Luàna Bajrami ein für ihr Alter bemerkenswertes Porträt einer Jugend im Kosovo ab, das auf weitere Filme der französisch-kosovarischen Regisseurin und Schauspielerin hoffen lässt.»
Mit nur 21 Jahren liefert Luàna Bajrami ein für ihr Alter bemerkenswertes Porträt einer Jugend im Kosovo ab, das auf weitere Filme der französisch-kosovarischen Regisseurin und Schauspielerin hoffen lässt. Zugute halten kann man ihr eine schön fotografierte Dokumentation von Hoffnungslosigkeit, eine authentische Atmosphäre und viel naturalistischen Lokalkolorit.
Die Geschichte hingegen ist dann aber doch zu lau und unausgearbeitet und birgt zu viele Einschübe, die wir schon aus unsäglich vielen ähnlich gepolten Independentfilmen kennen: Versatzstücke wie das Lehnen aus dem Auto, das Rauchen und die Trinkspiele wirken fast schon kindlich abgekupfert. Doch Bajramis filmisches Talent ist nicht von der Hand zu weisen – bitte bald mehr!
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Kinostart Deutschschweiz: 18.8.2022
Filmfakten: «The Hill Where Lionesses Roar» («Luaneshat e kodrës», «La Colline où rugissent les lionnes») / Regie: Luàna Bajrami / Mit: Flaka Latifi, Era Balaj, Uratë Shabani, Luàna Bajrami / Frankreich, Kosovo / 83 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Xenix Filmdistribution GmbH
Mit «The Hill Where Lionesses Roar» liefert Luàna Bajrami einen schön fotografierten Erstling ab. Leider kratzt sie mit der kosovarischen Coming-of-Age-Geschichte nur an der Oberfläche.
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