Anne Hathaway verliebt sich am Coachella in einen 24-jährigen Harry-Styles-Verschnitt und geht mit ihm auf Tour: Im neuen Film von «The Big Sick»-Regisseur Michael Showalter trifft Neunziger-Romcom auf Wattpad-Fan-Fiction.
Wer von unseren Lesenden ist mit One-Direction-Fan-Fiction aufgewachsen? Diese fiebrigen, verklärten Fabeln, in denen ein millionenschwerer internationaler Herzensbrecher zufällig auf ein unscheinbares Mädchen trifft (oder, die irrere Version, ein unscheinbares Mädchen entführt, um sie zu seiner Braut zu machen – if you know, you know)? Eine solche Leserin war bestimmt Robinne Lee, ihres Zeichens Schauspielerin (interessanterweise unter anderem für die «Fifty Shades»-Reihe, dem Wegbereiter aller Fan-Fiction-Verfilmungen) und Autorin der Bestseller-Vorlage zu «The Idea of You». Denn ihr Werk ist eine muntere Ansammlung von Wattpad-Formeln, basierend – nach ihrer eigenen Aussage – auf der Persona des Harry Styles.
Das unscheinbare Mädchen ist in dieser Version die 40-jährige Solène, geschieden, alleinerziehend und Besitzerin einer kleinen Kunstgalerie. Und ganz so unscheinbar ist sie nicht – immerhin wird sie gespielt von der makellosen Anne Hathaway in einem ebenso makellosen Fundus an modischen Kostümen. Der 24-jährige Harry-Styles-Verschnitt heisst hier Hayes Campbell (gespielt vom Briten Nicholas Galitzine), singt für die fiktive Boygroup August Moon und sieht aus wie ein verschollener Sohn des Cullen-Vampirclans. Die beiden treffen sich am US-Musikfestival Coachella, welches Solène nur besucht, weil ihr nichtsnutziger Ex (Reid Scott) die gemeinsame Tochter (Ella Rubin) in letzter Sekunde nicht begleiten will. Als Solène sich in Hayes‘ Trailer verirrt, ist es um diesen sofort geschehen: Fortan betrachtet er sie mit den devoten Augen eines Golden Retrievers.

Nicholas Galitzine und Anne Hathaway in «The Idea of You» / Courtesy of Prime/© Amazon Content Services LLC
Selbstverständlich ist hier auch eine gehörige Prise «Notting Hill» (1999) dabei: Megastar trifft auf Durchschittsperson, Amerika auf das Vereinigte Königreich, und der sperrigste Keil im Getriebe sind die ewig lauernden Mediengeier. Wie sein spiritueller Vorgänger lässt auch «The Idea of You» ein paar Ideen darüber durchscheinen, welche Gefahren Ruhm mit sich bringt und wie einengend es sein kann, von der Welt unter dem Brennglas betrachtet zu werden. (Hayes verliebt sich zum Beispiel sofort in Solène, weil sie ihn nicht erkennt, als sie zum Pinkeln in seinen Trailer marschiert.) Substanziell sind diese Ideen aber nicht, und «The Idea of You» schafft es auch keinen Moment lang, den Charme und die Wärme der klassischen Neunzigerjahre-Romcom einzufangen.
Hathaway zieht alle ihre oscarprämierten Register, um dem formelhaften Skript von Regisseur Michael Showalter («The Big Sick») und Jennifer Westfeldt («Friends with Kids») etwas Pep einzuhauchen: Ihre Solène ist selbstbewusst und eigenständig, zeigt aber in jeder Szene eine tiefe Verletzlichkeit. Galitzine, bekannt als queerer britischer Kronprinz in «Red, White & Royal Blue» (2023) – von dem übrigens gemunkelt wird, es wäre «The Social Network»-Fan-Fiction –, fehlt zwar der magnetische Charme eines internationalen Pop-Phänomens, doch er macht das mit glaubwürdiger Verzückung gegenüber Hathaway wett. Zumindest auf physischer Ebene sprüht also hin und wieder ein vereinzelter Funke.
«Solène darf ihm mütterlich die Grundsätze der Kunst erklären, so, wie sie es wohl einst bei ihrer 16-jährigen Tochter tat. Heiss!»
Doch die auf Hochglanz inszenierte Erotik schwappt nie vom Schlafzimmer in die gemeinsamen Interaktionen über. So stolziert der Popstar etwa in Solènes Galerie, unter dem Vorwand, Kunst für seine liebloses Londoner Domizil erstehen zu wollen. Um dem Objekt seiner Begierde klarzumachen, wie wahnsinnig reich er ist, kauft er prompt jedes einzelne Kunstwerk im Laden, kommentiert dabei die Werke aber auf eine Weise, die nicht charmant, sondern vielmehr desinteressiert und kindisch daherkommt. Schamloser Überkonsum und das ästhetische Empfinden eines Teenagers treffen auf eine kompetente Kunsthistorikerin: Solène darf ihm mütterlich die Grundsätze der Kunst erklären, so, wie sie es wohl einst bei ihrer 16-jährigen Tochter tat. Heiss!

Anne Hathaway und Ella Rubin in «The Idea of You» / Alisha Wetherill/Prime/© Amazon Content Services LLC
«The Idea of You» ist purer plastikfarbener Hollywood-Eskapismus, in dem jede Szene wie ein Vogue-Cover ausgeleuchtet ist, jede Person gleich alt und gleich attraktiv aussieht, und in dem Geld keine Bedeutung hat. Denn obwohl Solène von ihrem Beau mit mehr Luxus umgarnt wird als einst Julia Roberts von Richard Gere in «Pretty Woman» (1990), ist sie selbst finanziell flüssig genug, um mal eben spontan mehrere Wochen aus ihrer Kunstgalerie zu verschwinden. (Gut, dort gibt es wohl auch keine Kunst mehr, nachdem Hayes raffgierig alles abtransportiert hat.)
«Showalters Film ist leicht bekömmliches Füllmaterial, das man im Hintergrund abspielen kann, während man durch das ebenso eskapistische Instagram scrollt.»
Alles in allem: Showalters Film ist leicht bekömmliches Füllmaterial, das man im Hintergrund abspielen kann, während man durch das ebenso eskapistische Instagram scrollt – oder vielleicht sogar wieder einmal die dunklen Abgründe von Wattpad durchforstet.
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Filmfakten: «The Idea of You» / Regie: Michael Showalter / Mit: Anne Hathaway, Nicholas Galitzine, Ella Rubin, Annie Mumolo, Reid Scott, Perry Mattfeld / USA / 116 Minuten
Bild- und Trailerquelle: © Amazon Content Services LLC
Einen Sommer lang mit einem 16 Jahre jüngeren Popstar durch Europa tingeln und in Luxushotels Kekse essen: Für Anne Hathaway wird's wahr. «The Idea of You» ist seicht, aber unterhaltsam.
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