Mit dem «Star Wars»-Serienprojekt «The Mandalorian» scheint Disney einen Volltreffer gelandet zu haben – nach der gefeierten ersten Staffel ist auch die kürzlich erschienene zweite Staffel der Science-Fiction-Serie ein Publikumserfolg. Die Serie über den titelgebenden Kopfgeldjäger zeigt eine komplett neue Seite des «Star Wars»-Universums und findet auch bei der Kritik regen Anklang. Wir haben uns eine Folge aus «The Mandalorian» ein bisschen genauer angeschaut und erklären, warum sich «The Jedi» (S2E5) nahtlos in den «Star Wars»-Kanon einreiht – und was das alles mit Akira Kurosawa und Zeichentrickfilmen zu tun hat.
Es dauert ein wenig, bis die zweite Staffel von «The Mandalorian» in Fahrt kommt. Die Serie dümpelt zunächst noch ein wenig vor sich hin, ehe sie mit «Chapter 13: The Jedi» einen ersten Höhepunkt erreicht: Die Folge führt mit der Jedi-Ritterin Ahsoka Tano (Rosario Dawson) nicht nur eine beliebte Figur aus dem erweiterten «Star Wars»-Universum in die Serie ein; sie treibt auch die Erzählung um den titelgebenden Kopfgeldjäger (Pedro Pascal) und seinen bis zu diesem Zeitpunkt noch namenlosen Begleiter – wahlweise «The Child» oder (von den Fans) «Baby Yoda» genannt – massgeblich voran. «The Jedi» stellt einen Wendepunkt in der Geschichte der beiden Protagonisten dar: Wir erfahren mehr über die Herkunft von «Baby Yoda», und dank Ahsoka Tano bekommen wir auch eine Ahnung, wohin die Reise für die beiden führen könnte.
«‹The Jedi› stellt einen Wendepunkt in der Geschichte der beiden Protagonisten dar: Wir erfahren mehr über die Herkunft von ‹Baby Yoda›, und dank Ahsoka Tano bekommen wir auch eine Ahnung, wohin die Reise für die beiden führen könnte.»
«The Jedi» schickt die Helden aber zunächst einmal auf eine gemeinsame Mission mit der Jedi-Ritterin: In der Hoffnung, in ihr eine Lehrmeisterin für den machtsensitiven grünen Spross gefunden zu haben, unterstützt der Mandalorianer Ahsoka dabei, die Stadt Calodan aus den Klauen der erbarmungslosen Magistratin Elsbeth (Diana Lee Inosanto) zu befreien. Die Episode entwickelt dabei die Figuren auf interessante Weise weiter und bietet ausserdem auch schöne Sets und packende Kampfszenen, die Kameramann Baz Idoine mit stimmungsvollen, düsteren Bildern einfängt. Was «The Jedi» aber so denkwürdig macht, ist, wie gekonnt die Folge den Bogen zum Ursprung des «Star Wars»-Universums schlägt.

Es überrascht es wenig, dass Ahsokas Auftritt in «The Mandalorian» eine einzige Hommage an «Princess Mononoke» ist © TM & 2021 Lucasfilm Ltd. All Rights Reserved
Dazu muss man vermutlich vorausschicken, dass Dave Filoni, seines Zeichens Regisseur und Autor dieser Folge sowie einer der Köpfe hinter «The Mandalorian», ein grosser Fan von Hayao Miyazakis Anime-Meisterwerk «Princess Mononoke» ist. Der Film von 1997, der den Grundstein für den internationalen Durchbruch des japanischen Trickfilmstudios Ghibli legte, ist eine wunderbar vielschichtige Fantasyfabel über den ewigen Kampf zwischen der Natur und der menschlichen Zerstörung. Dort stellt sich das von Wölfen aufgezogene Mädchen San gegen eine machthungrige Kriegsherrin, um die Wälder und die Natur zu schützen. Filoni, der auch bei der Trickfilmserie «The Clone Wars» (2008–2020) die Zügel in der Hand hatte, macht keinen Hehl daraus, dass Ahsoka Tano – die in dieser Serie ihren ersten Auftritt hatte – massgeblich von der Figur der San inspiriert ist.
«Man muss vermutlich vorausschicken, dass Dave Filoni, seines Zeichens Regisseur und Autor dieser Folge sowie einer der Köpfe hinter ‹The Mandalorian›, ein grosser Fan von Hayao Miyazakis Anime-Meisterwerk ‹Princess Mononoke› ist.»

San aus «Princess Mononoke» auf den Dächern der Eisenstadt… © 1997 Studio Ghibli
Und so überrascht es wenig, dass Ahsokas Auftritt in «The Mandalorian» eine einzige Hommage an «Princess Mononoke» ist. Das von Ahsoka und dem Mandalorianer belagerte Calodan ist mit seinen hohen, schroffen Mauern der Eisenstadt aus Miyazakis Film nachempfunden und wird ebenfalls von einer machthungrigen und unerbittlichen Magistratin kontrolliert. Selbst die ikonische Verfolgungsjagd über die Hausdächer der Eisenstadt wird in «The Jedi» nachgespielt – eine der besten Actionsequenzen der gesamten Serie. Selbst Komponist Ludwig Göransson («Black Panther») lässt sich von Filonis Miyazaki-Liebe inspirieren und läutet den Angriff auf die Stadt – wie Joe Hisaishi dies bei «Princess Mononoke» tat – mit unheilvollen Trommelklängen ein. Man vergleiche dazu die Passagen aus «A Mandalorian and a Jedi» von Göransson mit «Ta-Ta-Ri-Gami (The Demon God)» von Hisaishi.
«Und so überrascht es wenig, dass Ahsokas Auftritt in ‹The Mandalorian› eine einzige Hommage an ‹Princess Mononoke› ist.»
Diese Referenzen funktionieren deshalb so gut, weil sie nie im Mittelpunkt des Geschehens stehen, sondern sich der Geschichte unterordnen – und sie somit bereichern. «The Jedi» ist keine «Mononoke»-Folge, sondern spinnt seine eigene Erzählung unbeirrt fort. Es ist einzig die Art und Weise, wie ebendiese Geschichte erzählt wird, bei der Hayao Miyazakis Film Pate steht.

…und Ahsoka und der Mandalorianer über den Dächern von Calodan. (Konzeptzeichnung von Brian Matyas zu «Chapter 13: The Jedi») © TM & 2021 Lucasfilm Ltd. All Rights Reserved
Filoni macht mit «The Jedi» aber noch etwas: Er kehrt gewissermassen zu den Ursprüngen von «Star Wars» zurück. Die Science-Fiction-Reihe ist seit Anbeginn fest mit dem japanischen Kino, insbesondere dem Werk von Akira Kurosawa («Rashomon», «Seven Samurai») verbunden. George Lucas bewunderte Kurosawas Art, Geschichten zu erzählen und schaute sich gerade von dessen Werk «The Hidden Fortress» (1958) einiges ab: Der Film erzählt von einem General, der in Begleitung zweier Aussenseiter eine Prinzessin zurück in ihre Heimat begleiten muss – eine Synopsis, die einen unweigerlich an «A New Hope» (1977) denken lässt. Auch einen anderen Kniff von Kurosawa findet man bei «Star Wars» wieder: Wie bei «The Hidden Fortress» wird die Geschichte nicht aus der Sicht der Helden, sondern aus der Perspektive zweier Aussenseiter – der beiden Droiden R2-D2 und C-3PO – erzählt. Auch gestalterisch liess sich der «Star Wars»-Schöpfer immer wieder von der japanischen Kultur inspirieren – etwa beim Aussehen von Darth Vader, das Samurai-Kriegern nachempfunden ist, oder den an Kabuki-Kostüme erinnernden Roben von Prinzessin Amidala in «The Phantom Menace» (1999).
«Auch einen anderen Kniff von Kurosawa findet man bei ‹Star Wars› wieder: Wie bei ‹The Hidden Fortress› wird die Geschichte nicht aus der Sicht der Helden, sondern aus der Perspektive zweier Aussenseiter – der beiden Droiden R2-D2 und C-3PO – erzählt.»

Gauner aus «The Hidden Fortress», die Pate für die beiden Droiden R2-D2 und C-3PO standen. / © Trigon Film
Dave Filoni ist aber nicht der Einzige, der sich im «Star Wars»-Universum austoben darf und dabei mit japanischer Mythologie spielt: Auch Rian Johnson, Regisseur von «The Last Jedi» (2017), verneigt sich in seinem Film vor Kurosawa, speziell vor dessen «Rashomon» – sowohl in der Bildsprache, als auch inhaltlich. «Rashomon» ist ein philosophischer Film, der vor dem Hintergrund eines Verbrechens Fragen über Schuld und Wahrheit aufwirft. Wie in «Rashomon» wird auch in «The Last Jedi» ein Ereignis – Ben Solos Fall auf die dunkle Seite – aufgearbeitet und in Rückblenden von verschiedenen beteiligten Personen völlig unterschiedlich geschildert, stets jene Elemente aussparend, die den Erzähler in einem unangenehmen Licht dastehen lassen könnten. Erst durch das wiederholte Erzählen nähern wir uns der eigentlichen Wahrheit an, gleichzeitig bleibt aber auch eine gewisse Verzerrung erhalten.
Vielleicht funktioniert Dave Filonis Hommage an «Princess Mononoke» deshalb so gut, weil sich die Folge nahtlos in eine Tradition einreiht, die schon immer Teil von «Star Wars» war: Bereits vom ersten Augenblick an war das japanische Kino Teil von George Lucas‘ Science-Fiction-Epos, inspirierte und prägte es massgeblich. Dass «The Jedi» dieser nun ein weiteres Kapitel hinzufügt, ist nur logisch.
Über die zweite Staffel von «The Mandalorian» wird auch in Folge 16 des Maximum Cinema Filmpodcasts diskutiert.
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Die zweite Staffel von «The Mandalorian» ist jetzt auf Disney+, «Prinzessin Mononoke» ist auf Netflix, «The Hidden Fortress» gibt es als DVD beim Trigon-Filmverleih.
Trailer- und Bildquellen: Disney Plus / © TM & 2021 Lucasfilm Ltd. All Rights Reserved
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[…] den oscarnominierten Animationsfilmen, oder – mein Lieblingstext für Maximum Cinema – zu der Verbindung zwischen The Mandalorian und Hayao Miyazaki. Alle meine Beiträge gibt es […]