Verschmäht bei der Veröffentlichung gilt Charles Laughton erster und einziger Film heute als Meisterwerk. Zurecht.
Kaum ein Film ist so gut gealtert wie «Night of the Hunter». Trotz kontrastreicher schwarz-weisser Bilder und der märchenhaften Geschichte wirkt der Film sehr modern. Das ist sicher dem hervorragenden Soundtrack und dem von Robert Mitchum so wunderbar gespielten Bösewicht Harry Powell zu tun. Hauptsächlich aber liegt es an der konzisen Erzählweise Laughtons. Dabei schafft er es, Stummfilmästhetik, religiöse Bigotterie, Kinderfilmromantik, Horrorschauer und viel Thrill auf kongeniale Weise zu verbinden, dass ein fesselnder Film daraus geworden ist. Publikum und Kritiker damals waren übrigens anderer Meinung und verrissen den Film, so dass sich Laughton nie mehr an einen Zweitling wagte.
Zwar kann der kleinkriminelle Wanderprediger Harry Powell seinem zu Tode verurteilen Zellengenossen das Geheimnis um dessen Beute nicht entlocken. Dafür heftet er sich nach der Hinrichtung unabschüttelbar an die Witwe (Shelley Winters) und die beiden Kinder (Lilian Gish und Billy Chapin). Mit rhetorischem Geschick schafft er es bald, sich in die Familie einzuheiraten. Während die naive Pearl den neuen «Dad» ins Herz schliesst, verachtet John den Bösewicht von Anfang an. Als einziger weiss der Junge, wo das Geld des leiblichen Vaters versteckt ist.
Als Zuschauer dieses ungleichen Zweikampfs ist man den Figuren auf der Leinwand im ersten Teil des Films stets um ein Quantum Wissen voraus. Das sorgt für Spannung genau so wie für Gruseln. Während Powell schrittweise seine neue Umgebung für sich einnimmt , kommt er seinem Ziel langsam näher. Dabei geht der durchaus charmante, äusserst einnehmende Wanderprediger mit den auffälligen Tattoos auf den Fingern äusserst skrupellos vor.
Eine Schifffahrt von atemberaubender Schönheit
Was folgt ist die traumwandlerischste, märchenhafteste Verfolgungsjagd, eine Schifffahrt von atemberaubender Schönheit. Genau so wie die Kinder durch den Nachthimmel mäandern, kurvt der Film durch die verschiedensten Genres, spielt mit ihnen, lässt sich aber nie einordnen. Und wenn am Schluss das Duell dramatisch endet, wird nicht nur zwischen dem Jungen und dem Bösewicht abgerechnet, sondern genau so unerbittlich mit dem naiv-dumpfen Mob, der selbstgerecht vergessen hat, wie unkritisch er dem falschen Prediger auf den Leim gekrochen ist.
Kurz und gut: einer der besten Filme aller Zeiten. Unbedingt auf einer grossen Leinwand schauen.
–
Regie: Charles Laughton / USA 1955 / Drehbuch: James Agee, Charles Laughton, nach dem Roman von Davis Grubb / Kamera: Stanley Cortez / Musik: Walter Schumann / Schnitt: Robert Golden / Mit: Robert Mitchum (Harry Powell), Shelley Winters (Willa Harper), Billy Chapin (John Harper), Sally Jane Bruce (Pearl Harper), Lillian Gish (Rachel Cooper), Evelyn Varden (Icey Spoon), Peter Graves (Ben Harper), James Gleason (Birdie Steptoe) / 92 Min.
No Comments