«The Old Guard» von Gina Prince-Bythewood reiht sich ein in die stetig länger werdende Liste der Verfilmungen von Superheldengeschichten. Basierend auf dem Comicbuch von Greg Rucka, der auch das Drehbuch des Films geschrieben hat, bietet «The Old Guard» jedoch eine erfrischend neue Umsetzung des Genres, die durchaus sehenswert ist.
Um es gleich vorwegzunehmen: «The Old Guard» ist ein Film, den man sich am besten ohne jegliche Vorkenntnisse und ohne den Trailer gesehen zu haben, anschaut. Im Film geht es um Andy, überzeugend verkörpert von Charlize Theron («Long Shot», «Bombshell»), die ein vierköpfiges Team von Kämpfern anführt, deren Mitglieder eine besondere Fähigkeit gemeinsam haben: Sie sind unsterblich. Obwohl ihre übernatürliche Besonderheit geheim ist, hat sich die Truppe als Team für besondere Fälle einen Namen gemacht, und wird von verschiedensten Gruppierungen für Spezialeinsätze angeheuert. So engagiert zu Beginn des Films der Ex-CIA-Agent James Copley (Chiwetel Ejiofor) die Unsterblichen, um im Südsudan eine Gruppe entführter Mädchen zu befreien, was sich jedoch als Hinterhalt entpuppt. Denn die Existenz der Immortals ist nicht unentdeckt geblieben, und so werden die Vier vom Pharma-Giganten Merrick gejagt, der die Ursache ihrer Fähigkeit erforschen will, um damit Profit zu machen.
Während Andy und ihr Team, bestehend aus dem schwermütigen Booker (Matthias Schoenaerts) und dem Liebespaar Joe (Marwan Kenzari) und Nicky (Luca Marinelli) vom mächtigen Big-Pharma Bösewicht Merrick (Harry Melling) werden, taucht eine weitere Komplikation auf: Nile, verkörpert von KiKi Layne («If Beale Street Could Talk») ist eine Marinesoldatin, die einen tödlichen Angriff zu ihrem eigenen Erstaunen gänzlich ohne Schrammen überlebt. Es gibt also eine fünfte Unsterbliche, die gerade erst beginnt, ihre Fähigkeiten zu entdecken, und damit für die Truppe ein Risiko darstellt.

Charlize Theron als Andy und Kiki Layne als Nile. Photo Credit: AIMEE SPINKS/NETFLIX ©2020
«Im Gegensatz zu anderen Actionfilmen erlaubt sich ‹The Old Guard› einige Momente der Reflexion und der kritischen Betrachtung des Tötens, welche einen bleibenden Eindruck hinterlassen.»
Und so beginnt für die Unsterblichen eine Mischung aus Versteckspiel und Verfolgungsjagd. Dem Genre entsprechend, ist «The Old Guard» ein actiongeladener Film mit ausgiebigen Darstellungen von Gewalt und Blut. Die Kampfszenen sind sehenswert und abwechslungsreich, was dadurch begünstigt wird, dass sich die Protagonisten dank ihrer Unsterblichkeit über Jahrhunderte hinweg Kampftechniken angeeignet und perfektioniert haben und demnach sowohl Schusswaffen als auch Schwerter und Äxte effektiv einsetzen können.
Um die Superkraft der Unsterblichkeit zu veranschaulichen, müssen die Charaktere natürlich erst einmal sterben, und anschliessend auf teils schauerliche Weise wieder lebendig zu werden. Im Gegensatz zu anderen Actionfilmen erlaubt sich «The Old Guard» einige Momente der Reflexion und der kritischen Betrachtung des Tötens, welche einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
«Durch die Figur von Andy fragt der Film, ob es sich inmitten von Ohnmacht und Verzweiflung lohnt, weiterzumachen und Gutes zu tun – eine Thematik, die in der momentanen Weltlage erschreckend aktuell erscheint.»

Charlize Theron als Andy /Photo Credit: AIMEE SPINKS/NETFLIX ©2020
Nicht nur die Gewaltanwendung, sondern auch das Konzept der Unsterblichkeit wird kritisch beleuchtet und nicht als blosse Superkraft zelebriert. Der Film zeigt unter anderem, dass die Unsterblichkeit kein Schutz vor Schmerzen – körperlicher wie seelischer Natur – ist. Besonders bei Andy haben der Schmerz der Menschheit der vergangenen Jahrhunderte – die globalen Ungerechtigkeiten, die Kriege und Katastrophen und der ewige Kampf gegen das Leiden – Spuren hinterlassen. Durch die Figur von Andy fragt der Film, ob es sich inmitten von Ohnmacht und Verzweiflung lohnt, weiterzumachen und Gutes zu tun – eine Thematik, die in der momentanen Weltlage erschreckend aktuell erscheint.
«Gina Prince-Bythewood schafft es, den Figuren und Beziehungen Raum zu geben, sodass glaubwürdige und vielseitige Charaktere entstehen, mit denen man gerne mitfiebert.»

(L to R) Marwan Kenzari als Joe, Matthias Schoenaerts als Booker, Charlize Theron als Andy, Luca Marinelli als Nicky, Kiki Layne als Nile. / Photo Credit: AIMEE SPINKS/NETFLIX ©2020
Dank seiner Actionszenen und dem Soundtrack versprüht «The Old Guard» in jeder Hinsicht Coolness und bietet kurzweilige Unterhaltung. Gina Prince-Bythewood schafft es jedoch gleichzeitig, den Figuren und Beziehungen Raum zu geben, sodass glaubwürdige und vielseitige Charaktere entstehen, mit denen man gerne mitfiebert. Erfrischend ist auch, dass die einzige – und äusserst innige – Liebesgeschichte zwischen zwei Männern stattfindet und dies mit einer wohltuenden Natürlichkeit gehandhabt wird. Der Kampf gegen den Bösewicht Merrick steht – auch wegen der karikaturartigen Darstellung von Melling – im Schatten der charakterformenden Szenen, und so sind es die ruhigeren und tiefgründigen Momente des Films, die in Erinnerung bleiben. Die finalen Szenen deuten auf eine Fortsetzung hin, worauf man sich wirklich freuen kann.
—
Jetzt auf Netflix Schweiz
Filmfakten: «The Old Guard» / Regie: Gina Prince-Bythewood / Mit: Charlize Theron, KiKi Layne, Matthias Schoenaerts, Marwan Kenzari, Luca Marinelli, Chiwetel Ejiofor, Harry Melling / USA / 125 Minuten
Bild- und Trailerquelle: Netflix / Aimee Spinks/NETFLIX ©2020
Gina Prince-Bythewoods etwas anderer Superheldenfilm «The Old Guard» ist erstaunlich tiefgründig, spannungsgeladen und unfassbar cool.
No Comments