In Brasilien ziehen Wolken auf. Sie sind rosarot. Wahrscheinlich, um den Zuschauer*innen auch ja klar zu machen, dass dabei etwas komisch ist. Sollte die ungute Vorahnung jemanden trotzdem noch nicht beschlichen haben, wird in den ersten drei Minuten von «The Pink Cloud» («A nuvem rosa») gezeigt, was diese hübschen Wölkchen denn so draufhaben: Sie töten Menschen innerhalb von zehn Sekunden. Tiere hingegen überleben. Wieso auch immer. Es ist nur eine von vielen Ungereimtheiten und losen Enden in Iuli Gerbases Langspielfilmdebüt.
Mit dem Aufziehen des Unglücks beginnt auch die Beziehung von Giovana (Renata de Lélis) und Yago (Eduardo Mendonça). Eigentlich nur als One Night Stand beabsichtigt, nimmt das Verhältnis der beiden eine schnelle Wende: In ganz Brasilien wird ein Lockdown ausgerufen; Giovana und Yago haben gar keine andere Wahl, als zusammenzuleben – und dies auch noch auf unbestimmte Zeit. Was dann passiert, ist leider ziemlich vorhersehbar: Das sexuelle Verhältnis wird weitergeführt, ganz nach dem Motto «girl must eat», und natürlich wird daraus dann doch mehr. Man hat ja niemanden sonst. Die beste Freundin von Giovana dient in der Erzählung wiederum als Vehikel zur Erklärung: Sie sitzt alleine zu Hause; ihre Figur macht deutlich, dass der Mensch an Einsamkeit zugrunde gehen kann.
«Was dann passiert, ist leider ziemlich vorhersehbar: Das sexuelle Verhältnis wird weitergeführt, ganz nach dem Motto ‹girl must eat›, und natürlich wird daraus dann doch mehr.»
Die vormalige Zwecksgemeinschaft von Giovana und Yago entwickelt sich dann doch zu einer Familie, obwohl Giovana dezidiert kinderlos bleiben wollte. Naja. Überhaupt scheint es der Regisseurin und Autorin Iuli Gerbase ein grosses Anliegen gewesen zu sein, möglichst viele lauwarme Sexszenen in ihren Film zu packen. Vom ewig gleichen Soundtrack untermalte Close-Ups von Härchen auf Körperstellen und streichelnden Händen im Halbdunkeln lassen einen als Zuschauer*in leider eher ratlos zurück. So auch die Szene, in der Giovana vor dem Fenster steht und mit dem Nachbarn synchron masturbiert. Oder wenn Yago beim Cybersex der Höhepunkt verweigert wird, weil Giovana – zu dem Zeitpunkt in der Geschichte seine Ex – kurzerhand das Internet ausschaltet.
Viele Szenen kommen einem aus dem heutigen Pandemiealltag in irgendeiner Art und Weise vertraut vor: Der Austausch mit Freunden und Familie über die Videotelefonie beispielsweise, oder die Party zwischen den eigenen vier Wänden. Und auch die Konflikte innerhalb einer Beziehung, weil man sich schlicht und einfach auf die Nerven geht, wenn man 24 Stunden am Tag aufeinander sitzt. Gerbase schrieb das Drehbuch allerdings, bevor das Coronavirus um die Welt zog. Die Parallelen sind rein zufällig.
Andere Dinge, wie beispielsweise die Versorgungstunnels, die von Drohnen in allen Haushalten installiert werden, wirken oft wie nicht zu Ende gedachte dramaturgische Spielereien. Das verleiht dem Film etwas Kindliches. «The Pink Cloud» gerät so zur Verfilmung einer Dystopie, die in verschiedenen Variationen schon unzählige Male behandelt wurde und letztendlich auch die immer gleichen Fragen aufwirft: Wie gehen wir Menschen mit Krisen um, und was verleiht unserem Leben Sinn? Die Antwort liegt auf der Hand und wird im Film überdeutlich erklärt: Während Yago versucht, die neue Realität zu akzeptieren, flüchtet sich Giovana immer mehr in eine virtuelle Welt.
«‹The Pink Cloud› gerät so zur Verfilmung einer Dystopie, die in verschiedenen Variationen schon unzählige Male behandelt wurde und letztendlich auch die immer gleichen Fragen aufwirft: Wie gehen wir Menschen mit Krisen um, und was verleiht unserem Leben Sinn?»
«The Pink Cloud» schreibt sich psychologische Tiefe auf die Fahne. Die Inszenierung vermag aber plumpen Erklärungsszenen nicht auszuweichen. Das Spiel der Darsteller lässt zudem die Nuancen vermissen, was den Film unoriginell und durchschaubar macht. Vielleicht hilft es auch nicht, dass man in der heutigen Zeit nicht gerade auf solche Lockdown-Szenarien scharf ist. Das Ganze ist dafür dann doch etwas zu nah an der aktuellen Realität, um kathartisch zu sein.
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Filmfakten: «The Pink Cloud» («A nuvem rosa») / Regie: Iuli Gerbase / Mit: Renata de Lélis, Eduardo Mendonça, Kaya Rodrigues, Helena Becker, Girley Paes / Brasilien / 105 Minuten
Bild- und Trailerquelle: trigon film
Wegen einer mysteriösen Bedrohung durch rosarote Wolken, sind Giovana und Yago nach einem One-Night-Stand zum Zusammenleben gezwungen. Bemühend, auch fürs Publikum.
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